»Wir haben ganz sicher nicht jeden Luft- und Raumhafen erwischen können, Sir. Die müssen nur etwas weit genug in die Atmosphäre schießen, das ein Bild von der Situation über der Wolkendecke an die Oberfläche übermittelt. Das könnte zum Beispiel eine unbemannte Drohne sein, die nur sehr schwer zu entdecken wäre.«
Geary rief den Flugplan auf, um sich anzusehen, wohin Formation Bravo unterwegs war. »Unsere Schiffe fliegen die Orbitalwerften an oder besser gesagt: das, was davon noch übrig ist, außerdem einige große zivile Orbitaleinrichtungen. Wir brauchen das, was sich dort befindet, Colonel, vor allem die Lebensmittelvorräte und die Rohstoffe.«
»Sir, das gefällt mir nicht.«
»Können Sie einen Plan liefern, Colonel? Damit unsere Schiffe diese Einrichtungen zu plündern in der Lage sind, während die Syndiks daran gehindert werden, Waffen von der Planetenoberfläche auf uns abzufeuern, die uns entgangen sind?«
Nachdenklich senkte Carabali den Blick. »Wir haben Scoutschiffe, die wir in die Atmosphäre schicken könnten. Recce-Drohnen. Aber ich kann nichts dazu sagen, wie tief die gehen müssen, um sich umschauen zu können. Je tiefer sie sind, umso geringer ist der Radius, den sie erfassen können.«
»Über wie viele dieser Drohnen verfügt die Formation Beta?«
Die Marine überprüfte etwas auf einer Anzeige, die Geary nicht sehen konnte. »Zehn, Sir, und alle einsatzfähig. Aber wenn wir sie losschicken, gibt es keine Garantie, dass sie auch zu uns zurückkommen werden. Soweit ich weiß, können Ihre Hilfsschiffe die nicht herstellen.«
»Die können auch keine neuen Raumschiffe herstellen«, hielt Geary dagegen und überlegte kurz. »Ich werde mit dem Commander der Formation Beta reden. Das ist Captain Duellos. Wir werden die Recce-Drohnen einsetzen, um einen Blick unter den Müll in der Atmosphäre zu werfen. Und wir werden die Schiffe aus dem niedrigen Orbit raushalten. Ich werde sehen, was mir sonst noch einfällt, und melde mich dann bei Ihnen.«
»Danke, Sir.« Colonel Carabali salutierte, dann löste sich ihr Bild auf.
Geary seufzte schwer und erhob sich von seinem Platz, dann drehte er sich zu Rione um. Sie stand nahe seiner Koje gegen das Schott gelehnt, war immer noch nackt und musterte ihn. »Dir gönnt man auch keine fünf Minuten Ruhe, nicht wahr?«
»Ich hatte mehr Ruhe als die meisten anderen«, murmelte er und sah zur Seite.
»Was ist los, Captain Geary?«, fragte Rione leicht amüsiert.
»Ich versuche, mich auf meine Verantwortung als Befehlshaber der Flotte zu konzentrieren. Du lenkst mich ein wenig davon ab.«
»Nur ein wenig? Wir sehen uns später auf der Brücke.«
»Okay.« Geary hielt inne, bevor er seine Kabine verließ, dann programmierte er die Zugangsberechtigung so um, dass Rione jederzeit Zutritt hatte. Er wusste, sie sah ihm auch dabei zu.
Auf dem Weg zur Brücke verspürte er ein eigenartiges Unbehagen. Rione war extrem leidenschaftlich gewesen, als sie mit ihm geschlafen hatte, doch jetzt zeigte sie wieder diese kühle Distanz, sogar als sie völlig nackt vor ihm stand. Unwillkürlich musste er an eine Katze denken, die die gewünschte Zuneigung erfahren hatte, sich aber das Recht vorbehielt, sich jederzeit von einem abzuwenden und dabei keine Reue zu verspüren. Er hatte nie ernsthaft in Erwägung gezogen, Victoria Rione könnte an einer Beziehung zu ihm interessiert sein, deshalb war er auch nicht auf die Idee gekommen, sich Gedanken darüber zu machen, was eine solche Beziehung bedeuten könnte. Sie hatte gesagt, dass sie ihn mochte, aber das Wort Liebe war nicht gefallen. Benutzte Rione ihn nur, um sich selbst zu trösten? Oder — was noch schlimmer wäre — suchte sie seine Nähe, um einen politischen Vorteil zu erlangen, entweder gegenüber dem von ihr so gefürchteten Black Jack Geary oder gegenüber ihren Politikerkollegen?
Welchen Nutzen konnte ein ehrgeiziger Politiker daraus ziehen, wenn er der Gefährte des legendären Helden war, der wie durch ein Wunder die Allianz-Flotte sicher nach Hause gebracht hatte?
Wie kann ich über so etwas nur nachdenken? Rione hat keinerlei Ehrgeiz in dieser Richtung erkennen lassen.
Aber sie hat auch viele andere Dinge nicht erkennen lassen, jedenfalls mir gegenüber. Zum Beispiel die Tatsache, dass sie mit mir ins Bett wollte. Angenommen, sie will noch immer die Allianz vor Black Jack Geary retten: Wie schwierig ist es denn für sie, sich klarzumachen, welche Macht sie erlangt, wenn sie die Nähe zu mir sucht, weil sie dann viel besser in der Lage ist, mich zu kontrollieren? Woher weiß ich, ob sich unter diesem engagierten Äußeren nicht doch eine äußerst ehrgeizige Frau verbirgt, die mich benutzen will, um auf der Karriereleiter nach oben zu kommen?
Vorfahren, steht mir bei. Rione macht einen völlig ehrlichen Eindruck. Warum muss ich anfangen, an ihr zu zweifeln? Warum muss ich ihr misstrauen?
Weil ich so verdammt viel Macht besitze, und ich werde noch viel mehr Macht erlangen, wenn ich diese Flotte nach Hause bringe. Rione ist diejenige, die mir genau das überhaupt bewusst gemacht hat.
Sollte sie mich andererseits doch benutzen, dann kann ich das Vergnügen genießen, solange es geht. Und wenn ich für sie nur ein Mittel zum Zweck bin, um eine einflussreichere Position in der Allianz-Regierung zu erlangen, dann kann ich mir schlimmere Schicksale vorstellen. Ich habe keinen Grund zu der Annahme, dass sie skrupellos oder machthungrig ist.
Gutes Argument, Geary. Du kannst die Frau so gut einschätzen, dass sie dich erst ins Bett zerren muss, damit du die Andeutung begreifst.
Nicht zum ersten Mal war Geary verblüfft darüber, wie Riones Verstand arbeitete, und er freute sich schon darauf, sich wieder mit einem relativ durchschaubaren Feind zu beschäftigen, dem es nur darauf ankam, ihn zu töten.
Captain Desjani gähnte und nickte Geary zum Gruß zu, als der die Brücke der Dauntless betrat. »Sie haben mit Colonel Carabali gesprochen?«
»Ja«, erwiderte er, setzte sich und rief sein Display auf, um es sekundenlang anzustarren. In den letzten fünf Stunden hatte er entweder geschlafen oder sich anderweitig mit Co-Präsidentin Rione beschäftigt. Mit Blick auf das Sternensystem hatte sich in dieser Zeit nicht viel getan. Die Flottenformation Beta steuerte noch immer auf die vierte Welt zu, die mit ihren Vorräten und Rohstoffen lockte. Die Courageous war knapp über dreißig Lichtminuten von der Dauntless entfernt, sodass eine Unterhaltung mit Captain Duellos sich zu einer langwierigen Angelegenheit entwickeln würde.
Nachdem Geary seine Gedanken geordnet hatte, nahm er mit der Courageous Kontakt auf. »Captain Duellos, hier ist Captain Geary. Hier wurde Sorge laut, was die Risiken angeht, wenn Sie mit Ihren Schiffen dieser dicht besiedelten Welt näher kommen, die möglicherweise noch über funktionstüchtige antiorbitale Systeme verfügt, die jetzt nur durch die Staubwolken in der Atmosphäre verdeckt werden. Setzen Sie bitte die an Bord Ihrer Schiffe befindlichen Recce-Drohnen ein, damit die unterhalb der Wolkendecke nach Hinweisen auf mögliche Bedrohungen suchen. Bringen Sie die Schiffe nach Möglichkeit nicht in einen zu niedrigen Orbit und scannen Sie die obere Atmosphäre nach Anzeichen für Syndik-Drohnen oder andere Aufklärungsbemühungen vonseiten der Syndiks. Ergreifen Sie alle aus Ihrer Sicht notwendigen Sicherheitsmaßnahmen und halten Sie mich auf dem Laufenden.« Sollte ich noch etwas hinzufügen? Nein, Duellos weiß, was er macht. Er muss sich von mir keine Predigten anhören, dass er vorsichtig sein und keine Schiffe verlieren soll. »Geary Ende.«