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Die Tage im Sprungraum auf dem Weg von Sancere nach hier hatten nach dem unablässigen Druck der dortigen Operationen weitestgehend der Erholung gedient. Da während der Schlafphasen kein Alarm losging, hatte Rione tatsächlich schlafen können, wenn sie mit ihm das Bett teilte, und es schien ihr auch gefallen zu haben. Und doch kam kein erklärendes Wort, warum sie nicht an der Konferenz teilnahm. Diese Frau war und blieb ihm ein Rätsel.

»Wir können nur mutmaßen, was aus den Schiffen geworden ist, die die Flotte verlassen haben«, sagte Geary zu den versammelten Schiffskommandeuren. Dabei vermied er ganz bewusst Begriffe wie Meuterer oder Deserteure. »Unsere Simulationen haben Folgendes ergeben: Falls einige dieser Schiffe die Konfrontation mit einer massiv überlegenen Syndik-Streitmacht bei Vidha überlebt haben sollten, dürften sie am ehesten versucht haben, über diese Sterne nach Ilion zu gelangen, wobei sie ihren letzten Zwischenstopp bei Strena eingelegt haben müssten.« Er beschönigte die Situation nicht, weil es die schlichte, wenn auch unerfreuliche Wahrheit war. Falls keines der Schiffe überlebt hatte, dann sollte sich niemand in seiner Flotte die Frage stellen müssen, woran das wohl gelegen haben könnte. »Wenn diese Schätzungen zutreffen, werden die Schiffe, die sich uns wieder anschließen wollen, frühestens ab morgen Abend und spätestens in vier Tagen hier eintreffen.«

»Wie lange werden wir warten?«, wollte der Commander der Dragon wissen.

Für ein paar Sekunden betrachtete Geary das Display, dann antwortete er: »Mindestens bis zum Ende dieser vier Tage. Wie viel länger, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wir können nicht unendlich lange warten, aber wenn eines der Schiffe hier eintrifft, dann will ich dabei sein.«

»Und wenn die Syndiks sich zuerst hier blicken lassen?«, fragte der Captain der Terrible.

»Wenn es innerhalb dieser vier Tage geschieht, werden wir kämpfen. Danach wird meine Entscheidung von einer Vielzahl Faktoren abhängen.« Die Anwesenden nickten, einige zustimmend, andere lediglich in Anerkenntnis der Tatsache, dass er das Kommando hatte. Das war immerhin schon mal etwas. »Wenn die Syndiks den Schiffen auf den Fersen sind, die sich uns wieder anschließen wollen, dann erwartet uns ein Kampf. Es ist davon auszugehen, dass wir die eintreffenden Schiffe beschützen müssen, weil die Syndiks ihnen schwer zugesetzt haben dürften. Außerdem müssen wir unser Bestes geben, um die Syndik-Streitmacht so umfassend wie möglich auszulöschen.«

Geary deutete auf die Darstellung der Sterne. »Sobald wir die fehlenden Schiffe wieder in unsere Flotte aufgenommen und die möglichen Verfolger abgewehrt haben, beabsichtige ich, Kurs auf Tavika zu nehmen.« Einige der Versammelten begannen zu lächeln, da sie sich mit Tavika wieder dem Gebiet der Allianz näherten. »Tavika bietet uns drei Möglichkeiten für unseren nächsten Sprung. Wenn Baidur sicher aussieht, werden wir uns dorthin begeben.« Weitere lächelnde Gesichter waren zu sehen. Wenn sie Baidur erreichten, hatten sie die Strecke wettgemacht, die sie durch den Sprung nach Sancere verloren hatten. »Zu diesem Zeitpunkt ist in den höheren Kommandoebenen der Syndiks an vielen Orten — deren Heimatsystem eingeschlossen — noch nichts davon bekannt, dass wir Sancere einen Besuch abgestattet haben. Das heißt, sie ahnen vorläufig noch nicht, wo wir eigentlich sind. Wenn sie hören, dass wir bei Sancere waren, können sie ihre Suche nach uns fortsetzen, aber so schnell werden sie unsere Fährte nicht aufnehmen können.«

Er machte eine kurze Pause und sah sich am Konferenztisch um. »Falls Schiffe zu uns zurückkehren, müssen wir uns ein Bild von deren Zustand machen. Sollten die Schäden zu groß sein, werde ich deren Evakuierung anordnen müssen. Machen Sie sich also darauf gefasst, zusätzliches Personal an Bord zu nehmen, falls es dazu kommt. Im Idealfall werden wir kein Schiff zurücklassen müssen. Auf keinen Fall werden wir irgendwelche von unseren Leuten zurücklassen, ganz gleich wie sich die Umstände gestalten. Gibt es noch Fragen?«

Es gab keine Fragen. Alle verhielten sich fast schon zu gehorsam. Vielleicht war er ja paranoid, aber Geary konnte nicht recht glauben, dass keiner der Commander, die ihm mit Skepsis begegnet waren, auf einmal bereit sein sollte, alles zu schlucken und kein Widerwort zu geben. Aber vielleicht waren sie auch nur müde und erschöpft, schließlich war es bereits spät an diesem Schiffstag. »Ich danke Ihnen.«

Nachdem die anderen »aufgebrochen« waren, blieb Captain Duellos’ Bild noch am Tisch, sein Blick war auf das Display gerichtet. »Es ist frustrierend, dass wir nichts anderes tun können als abzuwarten und zu hoffen, dass wenigstens ein paar von diesen Schiffen auftauchen, nicht wahr?«

»Sehr frustrierend«, stimmte Geary ihm zu und ließ sich in seinen Sessel fallen. »Warum ist jeder so ruhig gefügig? Warum stellt keiner irgendwelche Fragen?«

Duellos warf Geary einen rätselhaften Blick zu. »Weil jeder so frustriert ist wie Sie und ich. Die Leute wollen diesen Dummköpfen helfen, die Falco hinterhergerannt sind. Aber ihnen fällt auch nichts Besseres ein als zu warten, ob sie es bis nach Ilion schaffen. Selbst der schlimmste Skeptiker in dieser Flotte akzeptiert das Risiko, das Sie mit dieser Entscheidung eingehen. Wäre Falco hier, um sie alle mit einem idiotischen Plan dazu zu bringen, von einem System zum nächsten zu springen, um nach diesen Schiffen zu suchen, sähe es vielleicht anders aus. Aber Falco wollte nicht warten, bis er noch mehr Unterstützer auf seine Seite gezogen hatte.«

»Glück für mich, würde ich sagen«, kommentierte Geary finster.

»Glück für alle Schiffe, die ihm nicht gefolgt sind«, korrigierte Duellos ihn. »Freuen Sie sich, Captain Geary. Die Dinge laufen gut.«

»Sie könnten schlechter laufen.« Geary hielt inne. »Okay, ich möchte Ihnen eine persönliche Frage stellen. Die mich betrifft.«

»Die Sie betrifft? Oder die Sie und die Eiserne Lady alias Co-Präsidentin Victoria Rione von der Callas-Republik betrifft?«

Geary lächelte. »Die eiserne Lady?«

»Sie ist eine knallharte Frau«, erläuterte Duellos. »Von der Sorte, die eine wertvolle Freundin und eine gefährliche Feindin darstellt.«

»Das ist eine gute Beschreibung für sie«, stimmte er ihm zu.

»Aber wie ich hörte, verstehen Sie sich mit ihr momentan ganz gut.«

»Das kann man so sagen. Die ganze Flotte weiß davon, oder?«

Duellos nickte. »Ich habe nicht jeden Matrosen in der Flotte persönlich befragt, aber es dürfte schwierig sein, jemanden zu finden, der es nicht weiß.«

»Niemand sagt irgendetwas dazu.«

»Was sollen wir sagen?«, gab Duellos zurück. »Herzlichen Glückwunsch? Oder sollen wir Sie fragen, welche Taktik Sie angewandt haben, um Ihr Ziel zu erreichen?«

Geary musste über die ironische Retoure lachen. »Ein gutes Argument. Ich will eigentlich nur wissen, ob das irgendwelche Probleme verursacht. Ich weiß, dass Numos und seine Freunde mir aus meiner Beziehung zu Rione bereits einen Strick drehen wollten, als die Gerüchte noch jeglicher Grundlage entbehrten.«

»Ich habe hier und da etwas mitbekommen«, gestand Duellos ein. »Wie ich Ihnen schon einmal sagte, ist das ganz allein Ihre Sache und hat mit Ihrer Befähigung als Befehlshaber nichts zu tun. Solange Sie und Co-Präsidentin Rione sich in der Öffentlichkeit zurückhalten, würde ich nicht davon ausgehen, dass irgendjemand sich darüber mokiert. Jedenfalls nicht nach außen. Diejenigen, die gegen Sie eingestellt sind, werden versuchen, das in ein schlechtes Licht zu rücken. Allerdings glaube ich nicht, dass die Sache viel Staub aufwirbeln wird, wenn Sie beide so weitermachen wie bisher. Die gehässigste Behauptung, die jemand aufstellen könnte, wäre die Unterstellung, Sie hätten Co-Präsidentin Rione zu einer Art Konkubine gemacht. Aber niemand, der die Frau je kennengelernt hat, würde ein solches Gerücht auch nur einen Moment lang glauben. Da ist nicht nur die Legende, dass Black Jack Geary unerschütterlich zur Allianz steht — Co-Präsidentin Rione ist ebenfalls dafür bekannt, ihrer Welt und der Allianz insgesamt loyal gegenüberzustehen.« Er warf Geary einen interessierten Blick zu. »Wie ernst ist es eigentlich zwischen Ihnen, wenn ich das so fragen darf?«