Als Befehlshaber der Flotte stand Geary immer noch ein Stabschef zu, doch der war zusammen mit Gearys Vorgänger Admiral Bloch ums Leben gekommen, als sie während der Verhandlungen mit den Syndiks in eine Falle gerieten. Er hatte auch Anspruch auf einen Adjutanten, aber er würde den Teufel tun und einen Junioroffizier von dem Posten abziehen, auf dem er dringend gebraucht wurde, nur damit der als sein persönlicher Diener agierte.
»Sehen Sie sich den Plan an«, fuhr Geary fort. »Lesen Sie durch, wozu Ihr Schiff laut Plan in der Lage sein sollte, und lassen Sie mich wissen, wenn es Probleme gibt. Fressen Sie es nicht einfach in sich hinein, nur weil Sie hoffen, Sie werden schon mehr geregelt bekommen, als Ihr Schiff in Wahrheit leisten kann. Erste Schätzungen gehen von drei- bis fünftausend Gefangenen aus, womit wir klarkommen können. Wir kümmern uns später darum, die besonderen Fertigkeiten der Leute festzustellen und sie auf die Schiffe zu bringen, auf denen sie vor allem benötigt werden … Colonel Carabali.«
Die Frau nickte.
»Machen Sie Ihre Marines bereit. Ich will fünf Stunden vor der Ankunft bei diesem Planeten Ihren Plan sehen, wie Sie das alles angehen wollen.« Geary wandte sich an die Gruppe insgesamt. »Irgendwelche Fragen?«
»Was werden wir mit der Syndik-Militärbasis auf dem fünften Planeten machen?«, kam von irgendwoher die Reaktion.
»Darüber muss noch entschieden werden«, entgegnete Geary und bemerkte, wie sich Enttäuschung am Tisch breitmachte. Für viele dieser Commander war nur ein toter Syndik ein guter Syndik, und sie wollten jede Gelegenheit nutzen, um diese Feinde zu töten. »Ich darf Sie daran erinnern, dass die Einrichtungen in diesem System veraltet sind. Ihr Unterhalt kostet die Syndiks Geld, und solange sie nicht aufgegeben werden, werden Syndik-Truppen ausgebildet und zugeteilt. Wenn diese Basis eine echte Bedrohung für uns darstellt, werden wir sie ausradieren. Falls nicht, möchte ich den Syndiks keinen Gefallen tun, indem ich diese Einrichtung von der Liste der Dinge streiche, um die sie sich kümmern müssen.«
Er hielt kurz inne und überlegte, was er noch hatte sagen wollen. »Ob da unten tatsächlich unsere Leute gefangen gehalten werden, wissen wir mit Sicherheit erst, wenn die Marines in diesem Lager Kriegsgefangene entdecken, die zur Allianz gehören.« Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Syndiks eine ganze bewohnte Welt aufs Spiel setzen würden, nur um ein paar weitere Allianz-Schiffe zu zerstören. Allerdings hatte er seit seiner Rettung einiges zu sehen bekommen, was er zuvor niemals für möglich gehalten hätte. »Wir haben die Gelegenheit, Menschen etwas Gutes zu tun, die längst nicht mehr mit einer Befreiung rechnen. Dafür danke ich den lebenden Sternen und appelliere an Sie, sich so zu verhalten, dass unsere Vorfahren stolz auf uns sein können.«
Die Menge löste sich mit der üblichen erstaunlichen Geschwindigkeit auf, da die virtuellen Bilder der Schiffskommandanten wie Seifenblasen zerplatzten. Allen voran verschwanden Numos und Faresa sofort, nachdem Geary die Konferenz für beendet erklärt hatte. Captain Desjani warf einen bedeutungsvollen Blick auf den Platz, an dem sich die beiden eben noch befunden hatten. Dann schüttelte sie den Kopf und entschuldigte sich, um auf altmodische Weise den Raum zu verlassen, indem sie zur Tür ging.
Wie erhofft blieb das beruhigende Abbild von Captain Duellos zurück, nachdem alle anderen verschwunden waren. Auch er zeigte auf Numos’ und Faresas Plätze. »Ich hätte das zuvor nicht gesagt, aber die beiden stellen eine Gefahr für die Flotte dar.«
Geary lehnte sich erschöpft zurück und rieb sich über die Stirn. »Was meinen Sie mit ›zuvor‹?«, wollte er wissen.
»Den Moment, als vier Schiffe zu dieser verrückten Verfolgungsjagd ansetzten.« Duellos’ Bild schien auf Geary zuzugehen und nahm auf dem Stuhl gleich neben ihm Platz. »Tapfer! Glorreich! Hirnlos! Ich kann es nicht beweisen, aber ich weiß, Numos steckte dahinter.«
»Das denke ich auch«, stimmte Geary ihm zu und fügte verbittert an: »Aber der Mangel an Beweisen ist mein Problem. Wenn ich Kommandanten ihres Postens enthebe — was vor allem für jemanden von Numos’ Kaliber gilt —, ohne einen stichhaltigen Beweis für ein Fehlverhalten liefern zu können, dann könnte es passieren, dass noch mehr Schiffe tapfer und hirnlos in Minenfelder hineinrasen.«
Captain Duellos verzog den Mund. »Es war eine eindrucksvolle Lektion, die den anderen durch diese vier Schiffe erteilt wurde. Ganz gleich, welche Lügen Numos verbreitet hat, jeder wird sich daran erinnern, dass es richtig von Ihnen war, diese Schiffe zurückzupfeifen und die Syndik-Jäger nicht zu verfolgen.«
Geary konnte nicht anders und schnaubte verächtlich. »Man sollte meinen, dass mein Ansehen etwas mehr steigt, wenn ich etwas Richtiges tue. Aber was glauben Sie? Wird jeder meine Befehle verfolgen, wenn wir uns dem fünften Planeten nähern?«
»Nach meinem momentanen Dafürhalten schon.«
»Haben Sie eine Ahnung, woher dieser Unsinn über Co-Präsidentin Rione und mich stammt?«
Duellos wirkte ein wenig überrascht. »Ich hatte den Eindruck, Sie beide verstehen sich gut. Aber selbst wenn Sie sich noch viel besser verstehen, ist das nicht meine Sache. Co-Präsidentin Rione untersteht nicht Ihrem Befehl, und eine persönliche Beziehung mit ihr hat keinen Einfluss auf Ihre Befähigung als Kommandant.«
Geary starrte einen Moment lang vor sich hin, dann lachte er. »Persönliche Beziehung? Mit Co-Präsidentin Rione?«
Diesmal zuckte Duellos mit den Schultern. »Die Gerüchteküche behauptet, dass Sie beide viel Zeit miteinander verbringen.«
»Für Besprechungen! Ich bitte sie um ihren Rat.« Wieder musste er lachen. »Bei unseren Vorfahren, Victoria Rione kann mich ja nicht mal leiden! Daraus macht sie auch keinen Hehl. Ich mache ihr Angst, weil sie sich sorgt, dass ich mich in Black Jack Geary verwandele und mit dieser Flotte heimkehre, um die gewählten Führer der Allianz zu entmachten und mich zum Gott-Imperator oder etwas Ähnlichem aufzuschwingen.«
»Co-Präsidentin Rione ist eine listige und intelligente Frau«, stellte Duellos völlig ernst fest. »Sie hat Ihnen gesagt, dass sie Sie nicht mag?«
»Ja! Sie …« Wenn er es recht überlegte, dann hatte Rione wiederholt erklärt, sie vertraue ihm nicht. Aber er konnte sich nicht daran erinnern, wann sie zu ihm gesagt hatte, dass sie ihn nicht leiden konnte. »Ja, ich glaube schon.«
»Ob das nun stimmt oder nicht, ist völlig bedeutungslos. Ich sage es Ihnen noch einmaclass="underline" Sie ist nicht Ihre Untergebene, sie hat mit dem Militär nichts zu tun, und eine persönliche Beziehung zu ihr ist kein Grund, sich Sorgen zu machen. Falls sich eine solche Beziehung entwickeln sollte.«
Geary konnte sich einen dritten Lacher nicht verkneifen, während er sich von Captain Duellos verabschiedete. Zweifellos hatte Rione durch ihre Spione in der Flotte längst von dieser angeblichen Beziehung erfahren. Warum aber hatte sie ihn bislang noch nicht darauf angesprochen, wenn sie doch schon auf die anderen Gerüchte zu sprechen gekommen war?
Konnte es sein, dass dieses Getuschel der eisernen Politikerin peinlich war? Aber falls ja, warum suchte sie ihn dann weiterhin auf?