Zu seinem Erstaunen wurden drei Schlachtschiffe angezeigt. Die Systeme der Dauntless identifizierten sie als die Warrior, Orion und Majestic. Ein einzelner Schlachtkreuzer, die Invincible, war ebenfalls dabei, hatte aber so schwere Schäden davongetragen, dass Geary die Statusmeldung zweimal lesen musste, um sie zu glauben. Von den sechs Schweren Kreuzern hatten nur zwei überlebt. Keiner der vier Leichten Kreuzer war zu entdecken, und die neunzehn Zerstörer waren auf sieben Schiffe reduziert worden.
»Diese verdammten Idioten«, fluchte Geary leise. Ein Schlachtschiff und zwei Schlachtkreuzer hatten sie verloren, und von den insgesamt neununddreißig Schiffen, die Falco gefolgt waren, hatten es nur dreizehn nach Ilion geschafft.
Captain Desjanis Gesicht war vor Zorn kreidebleich. »Die Triumph hat es nicht geschafft. Ich muss Sie sicher nicht daran erinnern, dass es die Triumph war, die zurückblieb, um uns an einer Verfolgung der Flotte zu hindern, als sich die anderen großen Schiffe entfernten.«
»Das hat der Polaris und der Vanguard nicht viel gebracht«, fauchte Geary, der nur zu gut wusste, dass seine Stimme die Wut verriet, die er empfand. »Sehen Sie sich die Invincible an. Wie kann die sich überhaupt noch von der Stelle bewegen?«
»Ich habe keine Ahnung. Aber auch die anderen Schiffe wurden schwer in Mitleidenschaft gezogen. Ich weiß nicht, ob die Titan sie überhaupt wieder so weit wiederherstellen kann, dass sie voll einsatzfähig sind.«
»Das werden wir noch herausfinden.« Schließlich tippte Geary auf seine Komm-Kontrollen. »Colonel Carabali, nehmen Sie Kontakt mit den Marine-Einheiten auf der Warrior, der Orion und der Majestic auf. Die Captains Kerestes, Numos und Faresa werden mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert und sind unverzüglich unter Arrest zu stellen. Das Gleiche gilt für Captain Falco, der sich der groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht und auf verbrecherische Weise den Verlust etlicher Schiffe der Allianz herbeigeführt hat.« Eine Anklage wegen Meuterei konnte noch warten. Wichtig war Geary zu wissen, dass Falcos Dummheit sie so viele Schiffe gekostet hatte. Er betätigte eine andere Taste. »Warrior, Orion und Majestic, hier spricht Captain Geary, Befehlshaber der Allianz-Flotte. Ihre befehlshabenden Offiziere sind mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert. Ihre jeweiligen Stellvertreter übernehmen bis auf Weiteres das Kommando.« Eine weitere Taste, und er war mit der gesamten Flotte verbunden. »An alle Einheiten, die soeben im Ilion-System eingetroffen sind: Beschleunigen Sie, so gut Sie können, und begeben Sie sich hinter die Flottenformation zu den Schnellen Hilfsschiffen und ihren Eskorten. Wir gehen davon aus, dass Sie verfolgt werden, und benötigen ein freies Schussfeld. Die Eingreiftruppe Furious wird hinter Ihnen die Operation Barrikade ausführen. Alle anderen Einheiten der Allianz-Flotte machen sich gefechtsbereit. Wir haben eine Menge Kameraden zu rächen.«
»Operation Barrikade?« Rione war auf die Brücke gekommen und schnappte nach Luft, da sie offenbar ebenfalls gerannt war. Als sie auf das Display schaute und das Ausmaß der erlittenen Verluste erkannte, wurde sie bleich.
»Operation Barrikade ist eine nette kleine Idee von Captain Duellos«, erklärte er. »Wir haben die Schiffe, die der Furious unterstellt sind, mit den meisten Minen beladen, die wir haben. Im Augenblick passieren sie den Sprungpunkt und legen ein Minenfeld, das so dicht ist, wie es uns in der wenigen uns verbleibenden Zeit möglich ist.«
Captain Desjani freute sich bereits sichtlich auf den Anblick, wenn die Syndiks mit den Minen kollidierten. »Was das Ganze so erfreulich ironisch macht, ist die Tatsache, dass wir in der Lage sind, diese Minen einzusetzen, weil die Hilfsschiffe mit den bei Sancere an Bord genommenen Rohstoffen mehr als genug Nachschub produzieren können. Die Syndiks selbst haben uns in die Lage versetzt, ihnen dieses Hindernis in den Weg zu legen.«
Auf seinem Display konnte Geary zeitverzögert mit ansehen, wie die Furious und andere Schiffe der Eingreiftruppe den Ausgang des Sprungpunkts überquerten, um die Minen abzusetzen. »Was geschieht, wenn Syndik-Schiffe in dem Moment den Sprungpunkt verlassen, während sich die Furious noch davor befindet?«
»Das Risiko besteht natürlich«, räumte Geary ein. »Auch wenn die Eingreiftruppe in Bereitschaft stand, um sofort zu beginnen, sobald unsere Schiffe eingetroffen waren, besteht natürlich die Gefahr, dass die Syndiks früher hier eintreffen, wenn die Minen noch nicht komplett ausgelegt sind. Darum habe ich Captain Cresida auch lediglich gebeten, sich freiwillig für diesen Einsatz zu melden.« Wenigstens dachte er endlich daran, ihren neuen Dienstgrad zu benutzen.
Rione warf ihm einen missbilligenden Blick zu. »Glauben Sie ernsthaft, Captain Cresida würde die Bitte, sich freiwillig zu melden, anders behandeln als einen direkten Befehl?«
Desjani reagierte sichtlich verärgert, während Geary versuchte, keine Miene zu verziehen. Riones Vorwurf war zutreffend genug, um ihm einen Stich zu versetzen. »Madam Co-Präsidentin, wenn ich alles vermeiden würde, was den Tod einiger meiner Untergebenen zur Folge haben kann, dann wäre ich vor Unentschlossenheit wie gelähmt, und das würde für alle meine Untergebenen entweder den Tod oder ein Syndik-Arbeitslager bedeuten.«
»Solange Ihnen die Konsequenzen Ihres Handelns bewusst sind«, erklärte Rione.
Diesmal schaute Geary sie finster an und fragte sich, warum Rione so vorwurfsvoll agierte. Aber vielleicht wollte sie damit nur unterstreichen, dass sie weiter die Stimme seines Gewissens sein würde. »Wenn es Ihnen darum geht, dass ich ehrlich bin«, gab er leise zurück, »dann ist Ihnen das gelungen.«
Er konzentrierte sich wieder auf sein Display und sah, dass die Diskussion ihn wenigstens ein paar Minuten lang von seiner Sorge um die Eingreiftruppe Furious abgelenkt hatte. Der Ausgang des Sprungpunkts war zehn Lichtminuten entfernt, sodass sein Befehl, die Befehlshaber der drei Schlachtschiffe zu suspendieren, jetzt die Schiffe erreichte. Die Syndiks konnten schon vor einigen Minuten ins System gesprungen und mit der Eingreiftruppe kollidiert sein, und er würde jetzt noch immer nichts davon wissen.
Die Anzeige auf seinem Display wurde aktualisiert, und er bekam zu sehen, wo vor fast zehn Minuten die Minen im All verteilt worden waren. Es war ein erfreulich dichtes Feld, da Geary fast keine Minen zurückbehalten hatte, auch wenn sie später noch dafür würden zahlen müssen. Seine Schiffe würden zweifellos auch noch etliche Kartätschen und Geister einzusetzen haben und Schäden beim Gefecht davontragen, die repariert werden müssten. Die vier Hilfsschiffe waren nicht in der Lage, alle Ersatzteile gleichzeitig zu produzieren, auch wenn sie noch so viele Rohstoffe aus Sancere mitgenommen hatten. Es würde einige Zeit in Anspruch nehmen, das alles herzustellen und zu verteilen. Wenigstens konnten die Hilfsschiffe während des Sprungtransits die Produktion fortführen, und wenn sie Baidur erreichten, sollte ein Großteil der Waffen fertiggestellt sein.
Sofern sie Baidur erreichten, hielt sich Geary vor Augen. Sie waren noch weit von diesem Stern entfernt, und vor ihnen lag wahrscheinlich noch eine große Schlacht.
»Die Invincible hängt wirklich hinterher«, stellte Desjani fest.
»Mich wundert, dass sie überhaupt noch von der Stelle kommt«, erwiderte Geary und sah sich wieder die Auflistung der Schäden an, die dem Schlachtkreuzer zugefügt worden waren. Beim Blick auf das Display betrachtete er das Vorankommen der fliehenden Allianz-Schiffe und versuchte einzuschätzen, wann die sie verfolgenden Syndiks auftauchen würden. Wir dürfen uns nicht zu nah am Sprungpunkt aufhalten, wenn die Syndiks eintreffen, aber wenn wir uns jetzt nicht bewegen, dann werden wir womöglich nicht in der Lage sein, die Invincible zu beschützen. Ich muss die Repulse ihrem Schicksal überlassen, aber die Invincible lasse ich nicht im Stich.