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Einen Moment lang stützte er sich am Schott ab und sah auf das Deck, während er an die ersten Tage nach der Rettung aus dem künstlichen Tiefschlaf zurückdachte, der ihn ein Jahrhundert lang am Leben erhalten hatte, eine Zeitspanne, in der jeder alt geworden und im Kampf gefallen oder an Altersschwäche gestorben war, den er je gekannt oder geliebt hatte. Der Schock, erfahren zu müssen, dass niemand von diesen Menschen mehr lebte, war so groß gewesen, dass er sich vornahm, keine neuen Beziehungen mehr einzugehen. Das Eis in seinem Inneren schien sich fast ganz aufgelöst zu haben, aber noch immer lag es fest um eine Stelle, die es nicht aufgeben, wo es keine Wärme zulassen wollte.

Schon einmal hatte er jeden verloren, und das konnte wieder geschehen, doch er wollte nicht, dass es bei einem nächsten Mal wieder so sehr schmerzte.

Zwei

Der fünfte Planet sah wie für ein Arbeitslager der Syndiks geschaffen aus. Er war zu weit von der Sonne entfernt, um jemals einen richtigen Sommer zu erleben, und über die Oberfläche erstreckte sich eine unauffällige Tundra, hier und da unterbrochen von einer zerklüfteten Gebirgskette, die wie Inseln aus einem Meer flacher, zäher Vegetation herausragte. Gletscher erstreckten sich weitläufig um die Polkappen und schienen einen Großteil des Wassers dieser Welt zu speichern, da die nicht von Eis bedeckten Flächen nur von kleinen Seen durchsetzt waren. Beim Anblick dieser kümmerlichen Welt war Geary auf Anhieb klar, warum das System nicht für würdig befunden worden war, einen Zugang zum Hypernet zu erhalten. Der vierte Planet konnte nicht absolut paradiesisch sein, da er sich etwas zu nahe an der Sonne befand und dort vermutlich unangenehm hohe Temperaturen herrschten, weshalb die Syndiks das Thema Sutrah als bedeutungslos abgehakt hatten, als sie ihr Hypernet schufen.

Als man noch auf den Sprungantrieb angewiesen war, der ein Schiff von einem Stern zum nächsten brachte, mussten alle die Systeme durchqueren, die sich zwischen Start und Ziel befanden. Jedem System war ein gewisser Anteil am Schiffsaufkommen sicher gewesen, da sie alle auf dem Weg zu irgendeinem Ziel lagen. Doch das Hypernet ermöglichte es den Schiffen, ohne Zwischenstopp den gewünschten Stern anzufliegen, auch wenn er noch so weit entfernt sein mochte. Ohne diesen Schiffsverkehr waren die Systeme, die keine besonderen Vorzüge aufwiesen, plötzlich im Nichts gestrandet und verkümmerten allmählich, da jeder, der dazu in der Lage war, in Systeme umsiedelte, die an das Hypernet angeschlossen waren. Die menschlichen Ansiedlungen auf dem fünften Planeten von Sutrah waren sogar einem noch schnelleren Schwund ausgesetzt als üblich. Die Sensoren wiesen zwei Drittel der Unterkünfte auf dieser Welt als verlassen aus, und es gab keine Hinweise darauf, dass sich dort noch irgendwelche Aktivitäten abspielten.

Geary konzentrierte sich auf die Darstellung des Arbeitslagers auf diesem Planeten. In der Nähe befanden sich Minen, die einen wirtschaftlichen Wert besitzen mochten, die aber ebenso gut nur dem Zweck dienen konnten, die Gefangenen zu beschäftigen. Mauern gab es rings um das Lager nicht, doch das war auch nicht nötig, da es weit und breit nur Tundra gab. Eine Flucht kam einem Selbstmord gleich, es sei denn, man versuchte zum Landeplatz zu gelangen, der jedoch mit einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben war.

Ihm wurde bewusst, dass Captain Desjani geduldig darauf wartete, von ihm bemerkt zu werden. »Entschuldigen Sie, Captain. Was halten Sie von meinem Plan?« Da Geary nur ungern mit der Flotte in einen Orbit um den Planeten einschwenken wollte, hatte er überlegt, sich der Welt zu nähern, die Geschwindigkeit zu verringern, damit die Shuttles abgesetzt werden konnten, um dann in einem weiten Bogen um die kleinen Monde des fünften Planeten zu fliegen und auf dem Rückweg die Shuttles mit den befreiten Gefangenen an Bord zu nehmen.

»Es ginge schneller, wenn wir einige Schiffe im Orbit lassen würden«, schlug Desjani vor.

»Ich weiß.« Er betrachtete nachdenklich das Display. »Hinweise auf Minenfelder gibt es keine, schwere Waffen scheinen sich auch nicht auf dem Planeten zu befinden, und selbst diese Militärbasis der Syndiks scheint nur noch mit halber Besetzung zu arbeiten. Trotzdem stört mich da irgendwas.«

Desjani nickte verstehend. »Nach dem Versuch der Syndiks, diese Handelsschiffe als Selbstmordkommandos gegen uns zu richten, kann ich verstehen, dass Sie skeptisch sind.«

»Die Syndiks hatten Zeit genug, um das Minenfeld einzurichten. Das heißt, sie hätten auch das Arbeitslager tarnen oder zumindest die Gefangenen wegbringen können. Aber auf eine solche Maßnahme deutet nichts hin. Wieso nur? Weil die Einrichtung noch ein viel besserer Köder ist als diese leichten Kriegsschiffe in der Nähe des Sprungpunkts? Weil es etwas gibt, das wir nicht ignorieren können?«

»Allerdings haben wir keinen Hinweis auf irgendeinen erdenklichen Hinterhalt.«

»Stimmt«, pflichtete Geary ihr bei und fragte sich, ob er vielleicht nur übervorsichtig war. »Co-Präsidentin Rione sagte, die zivilen Führer dieser Welt seien nahezu in Panik gewesen, als sie mit ihnen sprach. Aber kein Offizier des Militärs habe für ein Gespräch zur Verfügung gestanden.«

Das ließ Desjani aufhorchen. »Interessant. Aber was könnten sie planen? Wenn sie irgendetwas vor uns verstecken, hätten wir es längst entdecken sollen.«

Gereizt tippte Geary auf einige Tasten. »Angenommen, wir schwenken in einen Orbit ein. Diese Flotte ist so groß, dass wir einen entsprechenden Abstand zum Planeten halten müssen.«

»Diese Monde werden uns dabei im Weg sein, allerdings sind sie nicht viel größer als Asteroide. Jede unserer Formationen kann ihnen mühelos ausweichen, da sie sich dicht beieinander befinden und einer festen Flugbahn folgen.«

»Ja, und sogar mit meinem Plan müssten wir an den Monden vorbeifliegen.« Er betrachtete mürrisch das Display. Nichts, was er seit seiner Rettung über diesen Krieg in Erfahrung gebracht hatte, half ihm jetzt weiter, also versuchte er, sich stattdessen daran zu erinnern, welche Lektionen er seinerzeit von erfahrenen, mittlerweile längst verstorbenen Offizieren gelernt hatte. Von jenen Männern, die in den ersten Jahrzehnten dieses Krieges ebenso gestorben waren wie diejenigen, an die sie ihr Wissen und ihre Tricks und Kniffe weitergegeben hatten. Aus irgendeinem Grund weckte der Anblick der kleinen Monde bei ihm die Erinnerung an einen dieser Tricks: ein einzelnes Schiff, das hinter einer viel größeren Welt lauert, um plötzlich hervorzuschießen und ein vorbeifliegendes Ziel anzugreifen. Aber das funktionierte hier nicht, denn die Monde des fünften Planeten waren viel zu klein, sodass sich dahinter allenfalls ein paar leichte Einheiten hätten verstecken können. Selbst wenn die einen Selbstmordversuch wagen sollten, würden sie gegen die geballte Macht der Allianz-Flotte nichts ausrichten können, die in einer dichten Formation unterwegs war, damit die Shuttles nur eine möglichst kurze Strecke zurücklegen mussten.

Aber was hätte der Commander dieses anderen Schiffs gesagt? »Wäre ich eine Schlange, hätte ich Sie beißen können. Ich war genau über Ihnen, und Sie haben es nicht mal geahnt.«

Geary grinste finster. »Ich glaube, ich weiß, was die Syndik-Militärs beabsichtigen und warum die Zivilisten auf der fünften Welt solche Angst haben. Wir werden an meinem Plan ein paar Änderungen vornehmen.«

Die fünfte Welt, die im typischen Bürokratenstil der Syndikatwelten den poetischen Namen Sutrah V trug, war bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit der Flotte nur noch dreißig Minuten entfernt. Nach seinem ursprünglichen Plan hätten die Schiffe an diesem Punkt einen Schwenk nach Backbord gemacht, um über den Planeten hinwegzufliegen und schließlich den Orbit der Monde von Sutrah zu kreuzen.

Wieder betrachtete er die fünf Monde, die im Abstand von nur ein paar zehntausend Kilometern untereinander als Gruppe die Welt umkreisten. Vor langer Zeit hatte womöglich ein einziger Trabant bestanden, der irgendwann den Anziehungskräften des fünften Planeten nicht mehr hatte standhalten können oder aber durch eine Kollision mit einem anderen Objekt in fünf Fragmente zerschlagen worden war.