So schmerzhaft es auch gewesen war, Falcos Auftritt mitanzusehen, machte er aber zumindest allen Anwesenden deutlich, dass dieser Mann nicht in der Verfassung war, eine Flotte zu befehligen.
Geary schlug die Augen wieder auf und sah Kerestes, Numos und Faresa an. »Haben Sie drei irgendetwas dazu zu sagen?«
Numos antwortete in seinem gewohnt arroganten Tonfalclass="underline" »Wir haben die Befehle eines vorgesetzten Offiziers befolgt. Wir haben nichts Verkehrtes getan und müssen uns auch nicht rechtfertigen.«
»Tatsächlich?« Geary spürte, wie sich die Wut in ihm regte, die er dicht unter der Oberfläche zurückhielt. »Sie wussten ganz genau, dass Captain Falco nicht zur Befehlshierarchie dieser Flotte gehörte. Sie wussten, diese Flotte war auf dem Weg nach Sancere. Sie haben meine Befehle gehört, zur Flotte zurückzukehren.«
»Captain Falco erklärte uns, wir würden an einem Ablenkungsmanöver teilnehmen, über das Sie informiert gewesen seien, und alle Befehle von Ihrer Seite seien Teil dieses Manövers«, entgegnete Numos. »Er bestand darauf, dass wir darüber schwiegen und nur die Captains der großen Schiffe einweihen durften.«
Captain Tulevs Stimme war so kalt wie die Leere zwischen den Sternen, als er konterte: »Von denen bis auf Sie drei alle tot sind. Und der Mann, der Ihnen das angeblich gesagt hat, ist verrückt. Wie praktisch für Sie.«
Numos machte einen ehrlich entrüsteten Eindruck. »Wir konnten nicht wissen, dass dieser vorgesetzte Offizier den Verstand verloren hatte, daher haben wir nach besten Fähigkeiten seine Befehle befolgt. Wie können Sie es wagen, meine Ehre infrage zu stellen?«
»Ihre Ehre?«, warf Geary ein und wusste genau, wie schroff er sich anhörte. »Sie haben keine Ehre. Sie haben nicht nur gegen Ihren Eid gegenüber der Allianz verstoßen, Sie haben im Angesicht des Feindes wissentlich Befehle missachtet, und jetzt tischen Sie uns Lügen auf und schieben tote Offiziere und einen verrückt gewordenen Captain vor, um Ihre Lügen zu decken.«
»Wir bestehen auf einem Verfahren vor einem Kriegsgericht«, forderte Captain Faresa, die sich zum ersten Mal äußerte und noch giftiger dreinblickte, als Geary es in Erinnerung hatte. »Darauf haben wir ein Recht.«
»Ein Kriegsgericht?«, wiederholte Captain Duellos verwundert. »Damit Sie sich für unschuldig erklären, weil Sie angeblich geheime Befehle von Captain Falco befolgt haben? Damit Sie die Verantwortung für den Verlust von sechsundzwanzig Kriegsschiffen der Allianz leugnen können? Damit Sie jegliche Beteiligung am Tod dieser Besatzungen von sich weisen können? Haben Sie eigentlich gar kein Schamgefühl?«
»Es gibt nichts, wofür wir uns schämen müssten«, erklärte Numos voll überheblichem Stolz.
»Ich sollte Sie dafür standrechtlich erschießen lassen.« Geary brauchte ein paar Sekunden, ehe ihm bewusst wurde, dass er diese Worte gesagt hatte. Und noch während ihm das klar wurde, wusste er, dass er es sogar tun konnte. Offiziere, denen Meuterei im Angesicht des Feindes vorgeworfen wurde, fanden im Gebiet der Allianz nur wenige Verteidiger und noch weniger Freunde. Hier zumindest schienen Numos und Faresa schon keine Freunde mehr zu haben, auch wenn Geary aus bitterer Erfahrung wusste, dass die Freunde solcher Leute sich seinem Blickfeld entziehen konnten. Aber keiner von ihnen war wie Falco, dem Heldenverehrung aus vergangenen Zeiten zuteilwurde und der auf die Schrecken im Arbeitslager verweisen konnte, um Mitgefühl zu wecken.
Ja, er konnte sie erschießen lassen. Er konnte den Befehl dazu erteilen, auch ohne Kriegsgericht oder Tribunal. Das hier war ein Schlachtfeld, und als Befehlshaber der Flotte konnte er auch Urteile verhängen. Wer würde jetzt und hier versuchen, ihn davon abzuhalten? Und wenn er die Flotte erst einmal nach Hause gebracht hatte, wer würde dann noch sein Handeln infrage stellen? Wer würde seine Entscheidungen diskutieren, wenn er allein diese Flotte zurück nach Hause führte? Niemand in der ganzen Allianz würde das wagen.
Er konnte Numos erschießen lassen. Faresa ebenso. Vielleicht auch Kerestes, obwohl der Mann die Kugel nicht wert zu sein schien. Niemand konnte ihn aufhalten, und Numos würde bekommen, was er verdient hatte. Der Gerechtigkeit wäre damit Genüge getan.
Es war so verlockend, weil es sich so richtig anfühlte und weil es der Zorn war, der ihn zum Handeln anzutreiben versuchte.
Geary atmete tief durch. So fühlt es sich also an, Black Jack Geary zu sein. Ich kann tun, was ich will. Ich kann meine eigenen Regeln aufstellen, ich bin ein Held. Der Held der Allianz. Der Held dieser Flotte. Und ich möchte Numos und Faresa so sehr für das bezahlen lassen, was sie angerichtet haben.
So sehr, dass ich von der Macht Gebrauch mache, von der ich immer behauptet habe, ich sei an ihr nicht interessiert? So sehr, dass ich mich wie ein Syndik-CEO aufführe? So sehr, dass ich zu dem Mann werde, für den mich Victoria Rione gehalten hat? Laufen darauf all meine Predigten an diese Menschen hinaus, wenn ich ihnen sage, sie sollen das tun, was ehrbar ist? Dass ich mich über meine eigenen Regeln hinwegsetze, weil ich das kann, wenn der Anlass für mich Grund genug ist? Wenigstens hat Falco ernsthaft geglaubt, er könne die Regeln brechen, weil er etwas Besonderes ist und weil nur er die Allianz retten kann. Ich könnte nicht mal diese Entschuldigung vorbringen. Ich würde es machen, weil andere mich für etwas Besonderes halten, während ich selbst gar nicht daran glaube.
Er sah zu Rione, die ihn mit ausdrucksloser Miene betrachtete. Doch ihre Augen durchbohrten ihn wie eine ganze Batterie aus Höllenspeeren. Sie wusste, was er dachte und fühlte.
Geary schaute nicht zu Numos, da er sich nicht sicher war, ob er beim Anblick dieses arroganten Mannes nicht doch den Befehl zur Hinrichtung geben würde. »Ich sollte es, aber ich werde es nicht machen. Dieser Zwischenfall wird gemäß den Buchstaben und dem Geist der Flottenvorschriften gehandhabt werden. Es wird Anklage gegen Sie erhoben, und falls sich die Gelegenheit dazu ergibt, wird noch vor der Rückkehr ins Allianz-Gebiet ein Kriegsgericht einberufen. Falls nicht, werden Sie den Allianz-Behörden übergeben, die die Anklage weiterverfolgen werden.«
»Wir verlangen, freigelassen zu werden«, beharrte Faresa. »Es gibt keinen Grund für diesen Arrest.«
»Treiben Sie es nicht auf die Spitze«, warnte Geary sie, erkannte im gleichen Moment aber, dass er Numos und Faresa vermutlich noch eine Freude bereiten würde, wenn sie ihn dazu brachten, seinen Prinzipien untreu zu werden und sie beide hinzurichten. Den Gefallen tue ich euch nicht. Nicht jetzt und nicht hier. Jedes Mal, wenn ich aufwache und wenn ich mich wieder schlafen lege, wird mir der Gedanke durch den Kopf gehen, dass ich sie für ihr Verhalten bezahlen lassen könnte. Mögen die Vorfahren mir helfen, nicht dieser Versuchung zu erliegen. »An Ihren Händen klebt das Blut von Matrosen der Allianz«, erklärte er. »Besäßen Sie einen Funken Ehre, würden Sie Ihr Offizierspatent zurückgeben. Besäßen Sie Mut, dann wären Sie geblieben und hätten die Triumph entkommen lassen.« Er nutzte seine Macht jetzt aus, indem er sie einschüchterte, während die Marines neben ihnen standen und sie es so hinnehmen mussten. Es war einfach viel zu leicht, seine Macht zu missbrauchen. Schließlich wandte er sich an die Marines, damit sie die drei wegbrachten, und sie verschwanden aus dem Konferenzraum.