Geary tippte auf seine Kommunikationskontrollen. »Captain Tulev, sind Ihre Schiffe bereit?«
»Bereit, Sir«, meldete Tulev ohne erkennbare Begeisterung.
»Sie dürfen das Feuer eröffnen«, befahl Geary ihm.
»Verstanden. Geschosse werden jetzt abgefeuert.«
Auf Gearys Display lösten sich große Objekte aus dem Pulk, den Tulevs Schiffe bildeten, Raketenantriebe beschleunigten sie auf etwas mehr als jene 0,1 Licht, mit denen die Flotte unterwegs war.
Co-Präsidentin Rione auf ihrem Beobachterplatz auf der Brücke der Dauntless sah zu Geary hinüber. »Wir feuern? Auf wen?«
»Auf diese Monde«, erklärte er und bemerkte, dass Captain Desjani ihre Belustigung über Riones Erstaunen zu überspielen versuchte.
»Die Monde der fünften Welt?« Ihr Tonfall verriet eine Mischung aus Skepsis und Neugier. »Haben Sie eine besondere Abneigung gegen Monde, Captain Geary?«
»Normalerweise nicht.« Geary amüsierte sich köstlich über die Tatsache, dass Riones Spione in der Flotte von dieser Operation nichts mitbekommen hatten.
Sie wartete und war schließlich so ungeduldig, dass sie sich zur nächsten Frage durchrang. »Und warum greifen Sie diese Monde an?«
»Weil ich glaube, dass sie Waffen darstellen.« Er tippte auf seine Kontrollen und ließ ein vergrößertes Bild der Monde entstehen, deren Oberfläche an die von Asteroiden erinnerte. »Sehen Sie das da? Hinweise darauf, dass dort Bereiche ausgeholt wurden. Gut versteckt, sodass wir erst einmal eine Weile danach suchen mussten. Aber wir sind fündig geworden.«
»Auf kleinen Monden ohne Atmosphäre?«, fragte sie. »Wie können Sie erkennen, dass es jüngeren Datums ist?«
»Von hier aus gar nicht. Aber auf allen fünf Monden sind identische Spuren zu finden.«
»Ich verstehe. Und was glauben Sie, was in diesen Monden vergraben wurde, Captain Geary?«
»Feuerwerkskörper, Madam Co-Präsidentin. Richtig große Feuerwerkskörper.« Die Anzeigen für die abgefeuerten Projektile näherten sich auf einer geschwungenen Flugbahn den Monden. Obwohl sie verheerende Schäden anrichten konnten, kamen solche Waffen für gewöhnlich nicht zum Einsatz, da sie recht schwerfällig waren und ein Schiff ihnen mühelos ausweichen konnte. Aber die Monde folgten einer festen Flugbahn, und das schon seit unzähligen Jahren, sodass der Gedanke etwas seltsam anmutete, dass sie das nach dem heutigen Tag nicht mehr machen würden.
Geary öffnete die Komm-Verbindung zur gesamten Flotte. »Alle Einheiten, führen Sie das vorbereitete Manöver Sigma bei Zeit vier fünf durch.«
Die Zeit lief zurück, und jedes Schiff in der Flotte drehte sich um seine Achse, um mit der Antriebseinheit die Geschwindigkeit zu verringern und um den Kurs nach Steuerbord zu ändern, damit sie Sutrah V auf der Seite passieren konnten, die von der Kollision der Monde mit den Geschossen abgewandt war. Geary beobachtete das Manöver und genoss das komplexe Ballett, als sich alle Schiffe vor der Schwärze des Alls gleichzeitig bewegten. Sogar die schwerfälligen und recht irreführend bezeichneten Schnellen Hilfsschiffe wie die Titan und die Witch bewegten sich mit einer ungewöhnlich anmutenden Schnelligkeit.
Zwanzig Minuten später bewegte sich die beständig langsamer werdende Flotte immer noch auf Sutrah V zu, als die großen Projektile von Tulevs Schiffen mit einer Geschwindigkeit von mehr als dreißigtausend Stundenkilometern fast gleichzeitig auf allen fünf Monden einschlugen.
Selbst der kleinste dieser Monde war nach menschlichen Maßstäben noch gewaltig, aber die mit jeder Kollision einhergehende kinetische Energie genügte, um einen ganzen Planeten zu erschüttern. Gearys Sicht auf die Monde war verdeckt, da die Sensoren der Dauntless automatisch die grellen Lichtblitze des Zusammenpralls filterten. Dann war nur noch eine schnell größer werdende Wolke aus Staub und Trümmern zu sehen, die sich von der Detonation wegbewegte.
Geary wartete in Ruhe ab, da er wusste, dass Desjani den Wachhabenden auf der Brücke bereits entsprechende Befehle erteilt hatte, die damit wussten, wonach sie Ausschau halten mussten. Bis zur ersten Meldung dauerte es nicht lange. »Spektroskopische Analyse ergibt ungewöhnlich große Mengen an radioaktivem Material und Spuren von Gasen, die zu sehr großen Nuklearsprengköpfen passen.«
»Sie hatten richtig vermutet«, stellte Desjani fest und ließ in ihrem Blick das grenzenlose Vertrauen erkennen, das Geary so zu schaffen machte. Er mochte es bei ihr genauso wenig wie bei jedem anderen in der Flotte, weil er davon überzeugt war, dieses Vertrauen früher oder später zu enttäuschen. Sie hielten ihn für vollkommen, und er wusste, dass das Gegenteil der Fall war.
»Würden Sie mir das bitte erklären?«, fragte Rione mit schneidender Stimme. »Warum sollten die Syndiks große Nuklearwaffen in diesen Monden verstecken? Einige der größeren Trümmerstücke werden Sutrah V treffen.«
»Sie waren bereit, dieses Risiko einzugehen«, antwortete Geary. »Angesichts der spärlichen Bevölkerung sind die Chancen gering, dass dort unten irgendetwas Wichtiges getroffen wird. Sehen Sie, Madam Co-Präsidentin, die Syndiks wussten, dass wir auf jeden Fall zu zwei Manövern gezwungen waren: Wir mussten uns dem Planeten nähern, und wir mussten in einer sehr kompakten Formation fliegen, damit unsere Shuttles nicht länger als unbedingt nötig unterwegs sein würden, um die Gefangenen aus dem Arbeitslager zu holen, zurückzukehren und sie auf den Schiffen zu verteilen.« Er deutete auf die Trümmerwolke. »Sobald wir in die Nähe dieser Monde gelangt wären, hätten sie die Explosionen ausgelöst und uns mit den Trümmerstücken bombardiert. Das hätte uns viele Schiffe gekostet, und vermutlich sogar einige große Kriegsschiffe.«
Riones Augen funkelten wütend. »Kein Wunder, dass diese Zivilisten solche Angst hatten, als ich mit ihnen sprach.«
»Ich bezweifele, dass die Führer des Planeten wussten, was genau ihnen bevorstand«, wandte Geary ein. »Aber ihnen war zumindest klar, dass die Syndik-Führer in diesem System etwas unternehmen würden.«
»Etwas, das sie der Gefahr eines Bombardements mit den Trümmerstücken der Monde und einem Vergeltungsschlag der Flotte ausgesetzt hätte.« Rione machte eine finstere Miene. »Captain Geary, ich weiß, das Kriegsrecht erlaubt Ihnen, auf diesen geplanten Anschlag mit einem flächendeckenden Bombardement der Einrichtungen und Städte auf Sutrah V zu antworten. Dennoch möchte ich Sie bitten, gegenüber den unbeteiligten Zivilisten auf dieser Welt Gnade walten zu lassen.«
Geary konnte fast Desjanis ablehnenden Gesichtsausdruck sehen, als er nickte. »Wir werden Vergeltung üben, Madam Co-Präsidentin, aber ich werde keine unschuldigen Zivilisten abschlachten. Nehmen Sie bitte mit den Zivilbehörden auf Sutrah V Kontakt auf und fordern Sie sie auf, sofort alle Industrieanlagen, Bergwerke und Transportcenter zu evakuieren. Alle Weltraumeinrichtungen sind ebenfalls zu räumen. Richten Sie ihnen aus, dass ich erst entscheide, wie viel ich davon zerstöre, und dass ich mir vorbehalte, weitere Ziele auf die Liste zu setzen, wenn ich weiß, wie unsere Marines im Arbeitslager empfangen worden sind.« Er ließ seine Wut über das durchschimmern, was unter anderen Umständen hätte geschehen können. »Machen Sie ihnen klar, wenn sich noch weitere Probleme ergeben, dann werden sie dafür bezahlen müssen.«
Rione nickte und lächelte flüchtig. »Gut, Captain Geary. Ich werde dafür sorgen, dass Ihre Befehle verstanden werden und dass ihr Überleben davon abhängt, wie sie mit uns kooperieren.«
Desjani rutschte hin und her, als sei ihr unbehaglich. »Das gilt auch für die Militärbasis, richtig, Captain Geary?«