Am anderen Ende des Parkplatzes warf Blade den Kopf herum, als er den Lärm hörte. Schneller und schneller lief er in ihre Richtung. Ein rascher Griff, so dass nur eine verwischte Bewegung zu sehen war, dann waren seine Finger bereits um eine automatische Mach-Pistole mit Schalldämpfer gelegt. Ohne sein Tempo zu verringern, feuerte Blade die Waffe ab und jagte den fliehenden Vampiren eine Salve aus silbernem Tod hinterher. In der Straße hallten die Schüsse nach. Die einzelnen Echos verschmolzen so miteinander, dass sie sich wie eine lang anhaltende Explosion anhörten.
Der Fahrer des Mustang trat auf die Bremse, als die Kugeln sich durch die Karosserie des Wagens bohrten. Fluchend legte er den Rückwärtsgang ein und trat das Gaspedal bis zum Bodenblech durch, um Blade zu überfahren. Seine Freunde in die Luft zu jagen, war eine Sache, aber auf seinen Wagen zu schießen, das war zu viel des Guten. Dafür würde der Daywalker teuer bezahlen.
Der Wagen jagte kreischend auf Blade zu. Dichte, weiße Rauchwolken stiegen rings um die breiten Reifen auf und es stank nach verbranntem Gummi, als der Fahrer das Lenkrad herumriss, um den Mustang auf der Stelle drehen zu lassen, und gleichzeitig wieder Gas gab, um auf Blade zuzurasen.
Der hatte die Situation noch gar nicht bewusst erfasst, da befand sich sein Körper längst in der Luft. Aus dem Stand machte er einen Satz und drehte sich um seine Achse, um dem Wagen auszuweichen, der unter ihm vorbeijagte. Kopfüber in der Luft zog er seine zweite Pistole und feuerte zwei Salven gleichzeitig ab. Eine durchlöcherte das Dach des Mustang, die andere traf den Motorblock.
Im Wageninneren schrieen die beiden Vampire, als sie von Blades Kugeln durchsiebt wurden. Gewöhnliche Kugeln konnten ihnen nichts anhaben, doch diese Projektile waren etwas ganz Besonderes: handgefertigte Geschosse aus Silber, gefüllt mit einer Mischung aus Knoblauch und Öl. Für einen Vampir war das eine tödliche Kombination. Alle Vampire reagierten extrem allergisch auf Allicin, den chemischen Stoff, der Knoblauch den stechenden Geschmack und Geruch verleiht. Noch allergischer allerdings reagierten sie auf Silber. Wenn beides zugleich in den Körper eines Vampirs eindrang, kam es zu einer Kettenreaktion, für die ein Mensch mehrere Liter Benzin hätte schlucken und sich dann mit einem Flammenwerfer anzünden müssen.
Glühend weiße Stichflammen jagten aus den Einschusslöchern und breiteten sich auf ihren Oberkörpern aus, wobei sie gleichzeitig die Kleidung in Brand setzten. Ihre Schreie wurden von einem gewaltigen Feuerball geschluckt, da der Mustang explodierte, sich überschlug und dabei den Tank entzündete. Die Explosion zerriss das Chassis des Wagens. Überall fielen große, brennende Trümmerteile zu Boden.
Blade landete ein paar Meter vor dem brennenden Wrack elegant auf dem Asphalt.
Die zweite Jagdregel? Schnapp sie, bevor sie dich schnappen.
Das war eine gute und nützliche Regel.
Blade wirbelte herum, zielte und eröffnete in einer einzigen fließenden Bewegung das Feuer auf den Eagle Talon und die beiden Motorräder, die hinter ihm vom Parkplatz fuhren. Mit qualmenden Reifen jagten sie auf die Straße hinaus. Im nächsten Augenblick hatte die Nacht sie verschluckt.
Blade feuerte weiter, bis seine Magazine leer waren. Das Adrenalin pulsierte in seinem Körper und er konnte den Finger nicht vom Abzug nehmen. Ein Mensch wäre schon etliche Male gestorben. Blade nicht. Allerdings war Blade auch kein menschliches Wesen.
Jedenfalls nicht völlig menschlich.
Als die letzte Hülse auf den Boden fiel, spürte Blade, dass jemand hinter ihm war. Er erstarrte. Seine Ohren dröhnten noch immer von den Schüssen.
„Keine Kugeln mehr, Blade?“
Langsam drehte sich Blade um und sah vier große, schattenhafte Gestalten, die sich im Halbkreis vor ihm aufgebaut hatten. Es waren Vampire, und sie waren ganz offensichtlich sehr verärgert.
„Ich schätze, dann wird es Zeit, dass du hochgehst.“ Ellingson hieß der Vampir, der ihn angesprochen hatte. Er hatte das Ganze hier unter Kontrolle, ihm war über Blade eine Menge zu Ohren gekommen – zumindest genug, um ihn töten zu wollen. Vor allem jetzt, nachdem dieser Hurensohn ihm sein Geschäft in Brand gesteckt und ganz allein gut zwei Drittel seines Personals abgeschlachtet hatte.
Ellingsons Augen blitzten auf wie Quecksilber. Eine Hand zitterte vor Schmerz, als das versengte Fleisch in der kalten Nacht langsam aufriss. Er sah sich um und lächelte finster, während seine Schläger sich Blade näherten. Es war an der Zeit, dass dieser Freak sein Leben beendete.
Blade betrachtete die rauchende Kleidung des Mannes, der gesprochen hatte. Er spürte dessen Unerfahrenheit und entspannte sich unmerklich. Blade steckte seine Pistolen weg und drehte beiläufig den Kopf hin und her, um seine verspannten Nackenmuskeln zu lockern. Mit einer Hand strich er über das gefährlich aussehende Kettenmesser, das an seinem in Leder gekleideten Oberschenkel befestigt war, und gestattete sich den Anflug eines Lächelns.
Ellingson deutete das als Beleidigung, knurrte und stürmte mit gebleckten Zähnen auf Blade los.
Der riss das Messer aus der Scheide, drückte auf einen der Knöpfe am Heft, und fast gleichzeitig schoss die Klinge mit hoher Geschwindigkeit dem angreifenden Vampir entgegen, gefolgt von nahezu zwei Metern Kette, deren Glieder rasiermesserscharf waren. Die massive Silberklinge schnitt sich so mühelos in Ellingons Brust wie ein Vorschlaghammer durch ein Stück frische Butter. Der Vampir schnappte nach Luft, als ein kleiner feuriger Geysir aus der Einstichstelle austrat. Eine Fontäne extrem heißer Flammen breitete sich rasend schnell in alle Richtungen aus und hatte Sekunden später den gesamten Körper eingehüllt.
Ein gellender Schrei und Ellingsons Leib explodierte. Das verbrannte Fleisch platzte von seinen Knochen und ließ ein verkohltes Skelett zurück, das noch einen Moment lang wütend um sich schlug, ehe es am Boden zerfiel.
Noch bevor die verkohlten Überreste völlig zerfallen waren, hatte Blade bereits auf den zweiten Knopf gedrückt, mit dem die Kette mitsamt Klinge in das Heft zurückgeholt wurde. Dann wirbelte Blade herum und betätigte erneut den ersten Knopf.
Hinter ihm versuchte einer von Ellingsons tölpelhaften Vampiren, sich zu ducken, als die Klinge ihm entgegenschoss, doch er war eine Spur zu langsam. Die Kette wickelte sich wie eine Peitsche um seinen Hals und zog sich zu. Blade zog einmal lässig an der Kette, und schon wurde der Kopf des Vampirs so sauber abgetrennt, als wäre ein Chirurg am Werk gewesen. Der Stumpf glühte weiß auf, Flammen züngelten über den Torso nach unten und erfassten den restlichen Körper.
Ohne eine Spur langsamer zu werden, trat Blade den zuckenden Leib zur Seite, der orangefarbene Funken auf dem Asphalt verstreute. Dann zerfiel der Vampir zu einer Wolke aus feiner weißer Asche, die sofort vom Wind weggetragen wurde.
Blade zog die Klinge wieder ein und widmete sich den beiden verbliebenen Vampiren, die sich ihm von vorn und von hinten näherten.
Erneut sprang die Klinge aus dem Heft, bis das Ende der Kette erreicht war. Blade nahm das Messer hoch und ließ es über seinem Kopf kreisen. Er hielt beide Gegner im Auge, während die sirrende Klinge immer schneller und schneller wurde. Auf einmal ging er in die Hocke und zielte mit der singenden Kette, die nur noch als verwischte silberne Scheibe wahrnehmbar war, auf den ersten Vampir.
Die Kette fraß sich durch die Beine des ersten Widersachers und durchtrennte Sehnen und Knochen so mühelos, dass sie nicht einmal langsamer wurde. Die glücklose Kreatur schrie auf, als sie auf den Asphalt stürzte und hinter ihr die abgetrennten Beine in einer Flamme zu glühender Asche vergingen. Hilfesuchend streckte der Vampir die Arme nach seinem Kameraden aus. Dabei verriet er Blade jedoch unabsichtlich dessen Position.
Ehe der zweite Vampir angreifen konnte, hatte sich Blade bereits umgedreht und stieß in einer fließenden, lässigen Bewegung die silberne Klinge in den Bauch seines Gegners. Das Geschöpf hatte nicht einmal genug Zeit, um den Mund aufzureißen und einen Schrei auszustoßen, da jagte bereits das weiße Feuer durch seinen Leib und verkohlte es von innen heraus.