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Mit einer schwungvollen Bewegung holte Blade die Klinge zurück, zog seinen Ledermantel zurecht und wischte ein wenig Vampirasche vom Ärmel. Die dritte Jagdregel? Mach dir nicht vor, jemand werde dich schon retten. Normalerweise war nämlich nie ein Retter zur Stelle, und dann stand man sehr dumm da.

Mehr als das – man war einfach tot.

Blade blieb nur lange genug, um den beinamputierten Vampir mit einem beiläufigen Messerhieb zu köpfen, dann machte er sich daran, die anderen Flüchtigen zu verfolgen.

Auf der Hauptstraße waren unterdessen die überlebenden Mitglieder der Vampirgang bereits einige hundert Meter weit gekommen und entfernten sich zusehends schneller. Laut hupend jagten sie durch den Verkehr und drehten hastig an den Handgriffen ihrer PS-starken Motorräder, während sie auf einer Zufahrtsrampe auf die unterhalb gelegene, stark befahrene Straße zurasten. Die Vampire sahen nicht ein einziges Mal nach hinten, um festzustellen, ob ihre Kollegen noch lebten. Wenn es hart auf hart kam, dann war ein Vampir immer nur auf sich allein gestellt. Lediglich Menschen waren so dumm, dass sie kehrtmachten, um Verletzte in Sicherheit zu bringen. Und nur sie hielten zusammen und wagten es, sich auf einen Kampf einzulassen.

Blade tauchte hinter ihnen aus der Einfahrt zum Parkplatz auf und jagte ihnen auf dem Fußweg hinterher. Selbst zu Fuß war er unglaublich schnell, schneller als jeder Mensch. Er nahm eine Abkürzung durch eine stillgelegte Tankstelle und stürmte auf die Betonüberführung, wobei er ein Tempo an den Tag legte wie ein Stier, dem man Steroide verabreicht hatte.

Durch das getönte Glas seiner Sonnenbrille sah Blade, wie die Vampire auf ihren Maschinen außer Sichtweite gerieten, als sie vom Freeway abbogen. Er gab einen leisen Laut der Verärgerung von sich, dann berührte er mit einer Hand die Seite seines Kopfs, wo ein winziger transparenter Empfänger hinter seinem Ohr festgeklemmt war. Er drückte darauf, um den Sendemodus zu aktivieren. „Whistler, ich bin auf dem Stonebridge Overpass bei Clemons.“

Der Empfänger knackte leise, als Whistlers blecherne Stimme aus dem Gerät drang. „Verstanden. Bin in östlicher Richtung unterwegs. Ich bin jetzt fast unter dir…“

Blade verließ den Fußweg und rannte quer über die Straße. Ein vorbeifahrendes Fahrzeug begann zu hupen und geriet ins Schlingern, als Blade die Kofferraumhaube des Wagens als Sprungbrett benutzte, um auf das Geländer der Überführung zu springen.

Auf dem schmalen Geländer kauernd, beobachtete Blade den dichten Verkehr auf der dreispurigen Straße unter ihm, ohne sich von der Schwindel erregenden Höhe beeindrucken zu lassen. Seine Augen leuchteten auf, als er eine Zugmaschine herankommen sah, die einen Auflieger im Schlepp hatte.

Als sich der Lastwagen der Brücke näherte, hupte der Fahrer dreimal kurz, und aus Blades Empfänger war ein schepperndes „Jetzt!“ zu hören.

Im selben Moment sprang Blade von der Brücke. Völlig entspannt glitt er durch die Luft, während sein langer Ledermantel um ihn herum flatterte, als verfüge er über ein Paar schwarzer Flügel. Die Zeit schien förmlich stillzustehen, als er die Arme ein wenig ausbreitete, um den heftigen Wind auszugleichen.

Dann war das Dach des vorüberfahrenden Sattelschleppers direkt unter ihm und empfing ihn in einem Wirbel aus Geräuschen und Farben. Geschickt drehte sich Blade in der Luft und zwang sich, seine Beinmuskeln zu entspannen, damit er sich bei der Landung nicht die Knie verdrehte. Er landete hart auf dem Auflieger und breitete seine Arme ganz aus, um das Gleichgewicht zu wahren.

Trotz seines jahrelangen Trainings hatte sich Blade bei seinem Sprung um den Bruchteil einer Sekunde verkalkuliert. Sobald die Vorwärtsbewegung des Lastwagens ihn erfasste, wurde er nach vorn geschleudert, als hätte ihn eine riesige Hand von den Beinen gerissen und ihn über die vordere Kante des Aufliegers gestoßen.

Purer Instinkt brachte Blade dazu, die Hände hochzureißen und nach einem der Stahlseile zu greifen, die von außen um das Dach des Aufliegers gewickelt waren. Ruckartig wurde seine Bewegung gestoppt, und er hing mit einer Hand an der Dachkante. An dem Seil baumelnd sah er zweifelnd nach unten, wo die Straße an ihm vorbeiraste. Das hätte hässlich enden können, dachte er. Es war nicht das erste Mal an diesem Tag, dass Blade froh war, seine dicken Lederhandschuhe zu tragen. Das Seil war zwar stabil, aber auch sehr dünn, und im Augenblick musste es nicht nur ihn, sondern auch noch fast zwanzig Kilo Waffen tragen.

Einen Herzschlag lang fühlte Blade, wie er zu rutschen begann, da er einen Krampf in der Hand bekam. Gerade rechtzeitig konnte er noch einen Satz nach oben machen und sich auch mit der anderen Hand festklammern, um so das Gewicht ein wenig zu verteilen. Nachdem er Halt gefunden hatte, begann er, hin und her zu pendeln. Dass andere Autofahrer ihn beim Überholen beunruhigt ansahen, wie er immer weiter ausholte, scherte ihn nicht. Nach dem dritten Mal spannte er seinen muskulösen Arm an und schaffte es, sich über die Dachkante zu schwingen. Dann ließ er sich in den offenen Teil des Aufliegers fallen und war verschwunden.

Ein paar Sekunden später war in der Dunkelheit für einen Moment eine Flamme zu sehen, dann ertönte das Röhren eines Auspuffs, gefolgt vom Aufheulen eines PS-starken Motors.

Aus dem Heck des Aufliegers schoss ein nachtschwarzer Dodge Charger Baujahr 1969 und flog über das Dach eines anderen Wagens hinweg, dessen Insassen – eine Gruppe nicht mehr ganz so jugendlicher Raser – den Sattelschlepper über einige Kilometer hinweg verfolgt hatten. Der Charger landete in einem Funkenregen auf der Fahrbahn, prallte einmal vom Asphalt ab und beschleunigte dann auf der dreispurigen Straße – jedoch entgegen der Fahrtrichtung. Eine Kakophonie aus Hupen und Reifenquietschen erfüllte die Nacht, als die anderen Fahrer mit Mühe und Not dem Wagen auswichen, während sie ihm Beschimpfungen und obszöne Gesten hinterherschickten.

In dem angenehm klimatisierten Charger schaltete Blade in aller Ruhe in einen niedrigeren Gang und bremste so heftig, dass der ramponierte Wagen schleuderte. Ruhig hielt er das Lenkrad fest, während das Auto durchgerüttelt wurde, als er mit den Fahrzeugen kollidierte, die auf den Fahrspuren neben ihm versuchten, ihn zu passieren.

Als der Wagen endlich in der richtigen Richtung fuhr, trat Blade abermals auf die Bremse. Er ignorierte das wilde Hupen ringsum und warf einen Blick in den Innenspiegel, um den Sitz seiner Frisur zu überprüfen. Dann trat er das Gaspedal voll durch.

Da waren ein paar Vampire unterwegs, die er sich vornehmen wollte.

Der Charger beschleunigte auf ein halsbrecherisches Tempo. Der Tacho war bereits im roten Bereich, als Blade den Sattelschlepper einholte. Im Führerhaus saß ein Mann mit wettergegerbtem Gesicht und einem grauen Bart. Er schaute herüber und hupte laut, um den vorbeifahrenden Blade gutgelaunt zu grüßen.

Hinter seiner Sonnenbrille kniff Blade die Augen amüsiert zusammen. Noch lächelte Whistler, aber er würde ihn umbringen, wenn er erst einmal gesehen hatte, was Blade soeben mit seinem Wagen angestellt hatte.

Achselzuckend griff Blade zwischen die Sitze, um die neu eingebaute Stickstoffoxid-Einspritzanlage zu aktivieren.

Blades zuverlässiger Charger hatte über die Jahre hinweg einiges über sich ergehen lassen müssen, doch jetzt musste selbst Blade zugeben, dass er es mit seiner neuesten technischen Spielerei womöglich übertrieben hatte. Um diese Anlage einzubauen, mussten die Eingeweide des Wagens herausgerissen werden. Dann wurde ein Antriebssystem installiert, das jeden NASA-Mitarbeiter vor Neid erblassen lassen würde und das ihm vermutlich auf jedem Kontinent ein dauerhaftes Fahrverbot einbringen würde.

Vorausgesetzt, jemand würde ihn stoppen können.

Der Charger schoss mit einem ohrenbetäubenden Jaulen los, als die Stickstoffoxid-Einspritzanlage zu arbeiten begann und dem Motor zusätzliche dreihundert PS verlieh. Flammen schossen aus dem Auspuff hervor, während Whistler und die aufgebrachten anderen Fahrer weit hinter ihm zurückfielen. Keine dreißig Sekunden später hatte Blade die flüchtigen Vampire auf ihren frisierten Motorrädern eingeholt.