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Blade sah aus dem vergitterten Werkstattfenster und hörte zu, wie das Meer an die Kaimauern schlug. Er hatte wirklich großes Glück gehabt. Frosts Blut hätte ihn eigentlich töten oder in einen richtigen Vampir verwandeln müssen. Aber vielleicht war es nicht dazu gekommen, weil Frost das Blut der Alten bevorzugt hatte.

Dennoch meldete sich das Virus in Blade regelmäßig zu Wort, pumpte Adrenalin in seinen Körper und schickte chemische Botschaften an Hirn und Magen, die nur schwer zu ignorieren waren. Blade wurde von dem Hungergefühl so sehr erfasst, dass er nicht in der Lage gewesen war, sich dagegen zu wehren.

Bis Whistler den Impfstoff entwickelt hatte.

Anfangs war die Verabreichung des Prototyps dieses Impfstoffs eine Tortur gewesen. Das Virus in ihm ließ das hyperbeschleunigte Immunsystem die synthetischen Antikörper des Impfstoffs angreifen, und sobald die beiden ihren lautlosen Kampf in seinem Inneren austrugen, wurde er von unerträglichen Schmerzen heimgesucht. Im Lauf der Jahre hatte sich sein Körper angepasst, doch die Nebenwirkungen waren unverändert geblieben. Selbst in jüngerer Zeit hatte Whistler ihn an einem Stuhl anketten müssen, um zu verhindern, dass er sich selbst Schaden zufügte, sobald die Wirkung des Serums einsetzte.

Jetzt sah es so aus, als sei es den Nightstalkern gelungen, eine verbesserte Version des Serums herzustellen. Sommerfield hatte ihm erklärt, wie sie Whistlers Grundformel um einige zentrale Proteine reduziert hatte, die mit Blades Nerven und zugleich mit dem Virus verbunden gewesen waren. Jetzt ließ sich das Serum so mühelos schlucken, als hätte er einen gekühlten Likör vor sich.

„Warum machst du das?“

Blade zuckte zusammen und war sofort wieder voll bei der Sache. Er entdeckte die kleine Zoe, die im Schatten verborgen auf einer alten Schiffstruhe kauerte und ihn anblickte.

Das Mädchen beobachtete immer alles, nichts entging den wachsamen Blicken.

Angesichts der Tatsache, dass ihre Mutter blind war, konnte das nur gut sein. Blade gab einen unbestimmbaren Laut von sich und versuchte, mit gleichmäßiger Stimme zu sprechen, während der Impfstoff brennend durch seine Adern jagte. „In mir befindet sich etwas Bösartiges. Das hier sorgt dafür, dass es nicht herauskommt.“

Zoe starrte den Inhalator auf dem Tisch neben Blade mit großen Augen an. „Kannst du nicht einfach nur nett sein?“

Er folgte ihrem Blick und rieb sich das Genick. „Gute Frage – “

Zoe starrte ihn nur weiter an.

Er fand es unangenehm, von ihr beobachtet zu werden, und stand auf, um das Zimmer zu verlassen und zu den anderen Nightstalkern zu gehen, die sich im Labor nebenan versammelt hatten.

Sommerfield stand an ihren Rechnern und las etwas auf dem Blindenschriftdisplay ab. Die Atmosphäre war angespannt. King fehlte, Abigail dagegen sah deutlich besser aus. Die Platzwunde in ihrem Gesicht verheilte gut.

Mit einem Pfeifton erschienen die Ergebnisse von Sommerfields Recherche auf dem Display, und sie rief triumphierend: „Ich glaube, ich habe etwas gefunden. Biomedica Enterprises. Sie haben in großem Stil eingekauft: Taq Polymerase, Wachstumsergänzungsmittel für Knochenmark, Enzyme für genetische Strukturierungen…“

Blade nahm die Schrotflinte in den Anschlag, die mittlerweile umgerüstet worden war, um auch UV-Kugeln abzuschießen. „Dort sollten wir uns mal umsehen.“

15

Die magere Vampirin mit Namen Virago saß an einem Computer im Herzen des Biomedica-Komplexes und beriet sich mit Polizeichef Vreede. Im Gebäude war alles ruhig. Die einzigen Geräusche waren das leise Summen des Lüfters in ihrem Computer und das Kratzen von Vreedes Stift, als er sich verschiedene Dinge vom Bildschirm abschrieb.

Virago schob eine rote Tablette in den Mund und kaute gedankenverloren darauf herum. Die Pille war eine Mischung aus Ecstasy und dehydrierten roten Blutkörperchen. Sie bewirkte, dass man sofort high wurde, was Virago in verstärktem Maß nötig hatte, um die todlangweilige Nachtschicht zu überstehen. Es war ein öder Job, und hinzukam, dass das, was sie beobachteten, nicht einfach aufstehen und nach draußen spazieren konnte.

Sie rümpfte die Nase und rief weitere Statistiken auf, dann wandte sie sich zu Vreede um, der die Werte auf einen Plan übertrug, der vor ihm lag. Im beißend gelben Licht der Neonröhren sah das Gesicht des Chiefs ausgezehrt aus, ein Flickenteppich aus Licht und Schatten. Über ihnen bewegten sich die Zeiger der Stechuhr auf vier Uhr morgens zu.

Ein lautes Klopfen an der verstärkten Metalltür hallte im Raum nach und ließ sie beide aufschrecken. Vreede sah Virago an, die sich am Kopf kratzte und mit den Schultern zuckte.

Sie erwarteten um diese Zeit niemanden. Wer konnte das sein?

Virago stand auf und bewegte sich lautlos zur Tür, um auf dem kleinen Überwachungsmonitor nachzusehen, wer zu ihnen wollte.

Der Korridor vor der Tür war leer.

Seltsam.

Wieder zuckte sie mit den Schultern und wandte sich zu Vreede um.

Im nächsten Moment flog sie quer durch den Raum, als die Tür hinter ihr aus dem Rahmen gerissen wurde, als hätte eine gewaltige Hand sie eingeschlagen. Die Tür flog in hohem Bogen durch die Luft und landete auf Virago. Als sich der Staub gelegt hatte, kamen blutverschmierte Finger unter der Tür hervor und bewegten sich über den geriffelten Metallboden in Richtung von Vreedes Stiefeln.

Der machte einen erschrockenen Satz nach hinten, als Blade durch das Loch in der Mauer eintrat und seine Waffe zog. Während er sich das Aussehen des Raums einprägte, bückte er sich kurz und zog die arg mitgenommene Virago unter der Tür hervor. Die Vampirin hatte schwere Prellungen davongetragen, aber sie lebte noch.

Chief Vreede fluchte und wich zurück, gleichzeitig griff er in seine Jacke, um eine Waffe zu ziehen. Noch während er das machte, war ein deutliches Klicken von einer anderen entsicherten Waffe zu hören. Vreede schluckte, als er im nächsten Moment in den Lauf von Abigails Gewehr sah. Er erstarrte, dann zog er langsam seine Hand zurück.

Blades Gesicht wirkte im Schein der Neonröhre wie aus Stein gemeißelt. „Haben Sie noch einen Nebenjob, Chief?“

Blade nickte Abigail zu, die in Vreedes Jacke griff, um den Mann zu entwaffnen. Dann wurde sein Griff um die stöhnende Virago fester, und er flüsterte. „Komm her, wir müssen uns unterhalten.“

Virago beugte sich erwartungsvoll vor. Der Daywalker bedeutete ihr ermutigend, noch näher zu kommen, dann schlug er ihr mitten ins Gesicht. Sie sackte in sich zusammen und war einen Moment lang benommen.

„Und jetzt spuck’s aus, Beißerin“, knurrte Blade.

Virago taumelte leicht, als sie sich aus seinem Griff löste. Vorwurfsvoll wischte sie sich ihre blutende Nase. „Du weißt, was wir hier machen. Drake ist zurückgekommen.“ Sie warf Blade einen finsteren Blick zu. „Bald ist jeder von uns ein Daywalker, so wie du. Und dann wird uns die ganze Welt gehören.“

Die Stimme der Vampirin klang sehr danach, dass sie ein wenig schwachsinnig war, vermutlich wegen der Drogen, die sie die ganze Nacht über schluckte. Was ihrer kleine Rede noch fehlte, war ein hysterisches Lachen, das zu einem schurkischen Genie gepasst hätte.

Blade und Abigail sahen sich kurz an. Die Kleine hatte eindeutig abgehoben.

Blade deutete mit einer Kopfbewegung auf den hinteren Teil des Labors, wo sich eine weitere, dem Anschein nach schwer gesicherte Tür befand. „Was gibt’s denn da hinten?“, fragte er beiläufig.

Sie bemerkten, wie Virago und Vreede sich einen panischen Blick zuwarfen.

Volltreffer!

Nach einem Moment Ruhe stürzte sich Virago laut knurrend auf Blade und attackierte ihn mit Reißzähnen und Fäusten…