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Sommerfields Herz raste. Sie wich zurück, wobei sie den Stock so vor sich ausstreckte, als wollte sie Dämonen vertreiben. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie konnte doch nicht sehen, verdammt noch mal! Welche Chancen hätte sie wohl, etwas auszurichten, wenn sie gar nicht wusste, womit sie es zu tun hatte? Sie musste von hier verschwinden, die Türen zum Schlepper abschließen und sich ruhig verhalten, bis Blade und Abigail zurückgekehrt waren.

Es sei denn, das, was Dex und Hedges getötet hatte, hielt sich bereits dort auf…

Während ihr dieser entsetzliche Gedanke kam, vernahm Sommerfield ein leises Knacken, das aus der Richtung der offenen Tür kam. Es hörte sich fast so an, als hätte jemand einen Hühnerknochen zertreten.

Sommerfield versuchte, die wachsende Furcht zu bekämpfen, als sie sich langsam zu dem Geräusch umdrehte und mit zitternder Hand die Pistole hob…

Zoe rannte durch den Korridor in Richtung Badezimmer. Sie schluchzte ängstlich, als die Schreie ihrer Mutter durch den Schlepper hallten. Im Badezimmer lief sie in Panik umher, riss Spinde auf und warf Wäsche heraus, um nach einem Versteck zu suchen, das für sie groß genug war.

Sie entdeckte ein Lüftungsgitter hinter der Dusche und rannte weinend hinüber. Als sie daran zog, merkte sie, dass es zu fest saß. Sie kniete sich auf den nassen Boden und zerrte mit solcher Gewalt daran, dass die Anstrengung sie am ganzen Leib zittern ließ.

Die Angst verlieh ihr Kräfte, und tatsächlich löste sich das Gitter beim nächsten Versuch. Mit bloßen Fingern zog sie es aus der Halterung und steckte den Kopf durch die Öffnung, um sich zu vergewissern, dass der Platz für sie genügte. Dann kletterte sie mit den Füßen voran in den Warmluftschacht, so schnell sie konnte.

Der Schacht erstreckte sich ein Stück weit vor Zoe, dann beschrieb er eine Biegung um neunzig Grad nach oben. Sie schob sich hinein, wobei sie Mühe hatte, auf dem glatten Metall Halt zu finden. Dann griff sie nach dem Gitter und zog es hinter sich zu.

Sie kauerte in dem dunklen Metallschacht, der heiß und sehr beengt war und bei ihr sofort ein Gefühl der Klaustrophobie auslöste. Ihre Ohren dröhnten in der Stille, und sie war sicher, dass derjenige, der sich da draußen herumtrieb, durch die glatte Metallröhre hindurch ihr Herz schlagen hören konnte, das Zoes Position verriet.

Ihr Puls raste bei diesem Gedanken noch schneller. Zoe griff über sich und zog sich tief in den Schacht hinein. Nachdem sie sich angestrengt gewunden hatte, gelang es ihr, sich bis an die Stelle zu zwängen, an der der Schacht den Knick beschrieb, und rollte sich dort zusammen. Sie wartete voller Angst, das gesamte Bewusstsein auf das winzige Rechteck aus Licht gerichtet, das durch das Gitter in den Schacht fiel. Von ihrer Position aus konnte sie durch das Gitter ein paar Bodenfliesen und einen Teil der Tür sehen, durch die man in den Korridor gelangte.

Schließ nie die Tür hinter dir ab! Ihre Mutter hatte ihr das beigebracht und immer wiederholt, wenn sie mit ihr Verstecken gespielt hatte. Sommerfield wollte sicherstellen, dass Zoe wusste, was zu tun war, wenn sie sich jemals bedroht fühlen sollte. Wenn jemand sie verfolgte, dann würde eine verschlossene Tür diesen Verfolger nur dazu bringen, die Tür einzutreten, um zu sehen, was sich dahinter befand – so wie ein Mann kurz vor dem Hungertod, dem man eine geschlossene Dose Bohnen vorsetzte.

Dann würden sie einen erst recht erwischen.

Anders als die meisten Fünfjährigen wusste Zoe, wer „sie“ waren. Sie war erst drei gewesen, als die Vampirgang mitten in einer kalten Dezembernacht in ihr Haus eingebrochen war und ihren Daddy zerfleischte, doch sie konnte sich daran nur zu gut erinnern.

Am schlimmsten von allem waren die Schreie gewesen. Sie hatte nicht gedacht, dass ein Mensch so entsetzliche Schreie von sich geben konnte, wie es damals ihr Daddy getan hatte. Bis dahin hatte Zoe auch nicht gewusst, was Tod bedeutete. Aber als sie zwischen ihren Puppen und Teddybären in ihrem rosafarbenen Bett gelegen hatte, da hatte sie die Decke über den Kopf gezogen und vor Angst geweint. Sie erinnerte sich an den intensiven Blutgeruch, als ihre Mutter sie aus dem Bett holte und mit ihr durch das Haus rannte, über Spielzeug stolperte und gegen Möbel lief, bis sie es in die Garage geschafft hatten, die von innen abgeschlossen werden konnte.

Die Vampire waren ihnen lachend gefolgt und hatten versucht, die Tür einzutreten. Zoe wusste noch, dass es ohrenbetäubend gekracht hatte, während ihre Mutter sie gegen die hintere Wand gedrückt hatte, um sie mit ihrem Körper abzuschirmen. Doch es war den Kreaturen nicht gelungen, die schwere Metalltür zu zerstören.

Schließlich hatten die Vampire aufgegeben und sich zurückgezogen, allerdings nicht, ohne ihnen noch ein Abschiedsgeschenk zurückzulassen: die zerfetzten Überreste ihres Vaters, die sie im Garten um den geschmückten Weihnachtsbaum herum angeordnet hatten. Zoe erinnerte sich noch lebhaft daran, wie sie seine blutigen Eingeweide um den Baum gewickelt hatten, als handele es sich um Weihnachtsschmuck.

Das war das einzige Mal in Zoes Leben gewesen, dass sie froh darüber war, dass ihre Mutter nichts sehen konnte.

Seit jenem Tag hatte sich viel verändert. Dafür hatte Sommerfield gesorgt. Deshalb steckte Zoe jetzt in einem Lüftungsschacht, anstatt sich unter einer Bettdecke oder in einem Schrank zu verstecken.

Das Mondlicht wurde von den Fliesen vor dem Gitter reflektiert. Wie gebannt starrte Zoe darauf. Die schrecklichen Geräusche hatten aufgehört, doch Zoes Phantasie ging fast mit ihr durch, als sie ängstlich lauschte. Sie versuchte, nicht zu atmen, doch ihre Lungen barsten fast bei der Anstrengung.

Stille.

Dann… Schritte.

Zoe verkniff es sich, laut zu schreien, stattdessen drückte sie sich im Schacht noch ein Stück weiter nach hinten und presste sich mit aller Macht gegen die Wand hinter ihr.

Durch das Gitter sah sie ein Paar Stiefel, als jemand vor der offenen Tür stehen blieb.

Wer immer da stand, er lauschte so aufmerksam wie sie selbst.

Sie presste eine Hand auf den Mund, als die Stiefel nach links abzweigten und ins Badezimmer traten. Im letzten Moment schwenkten sie zu den Duschkabinen hinüber. Zoes Ohren dröhnten, als der Unbekannte einen Spind nach dem anderen aufriss und die Türen der Duschkabinen eintrat, als würde er nach etwas Bestimmten suchen.

Er suchte nach ihr.

Zoe sah entsetzt, wie die Stiefel wieder am Gitter vorbeigingen, diesmal näher als beim ersten Mal. Sie stoppten einen Moment lang, der ihr wie eine Ewigkeit vorkam, und Zoe kniff die Augen zu, da sie es nicht länger aushielt.

Diesmal würde sie ihm nicht entkommen.

Nach einer Weile hörte sie, wie sich die Schritte in Richtung Tür entfernten. Erleichtert atmete Zoe aus und öffnete die Augen wieder.

Und dann sah sie das Gesicht, das gegen das Gitter gedrückt war und sie anstarrte.

Zoe begann zu schreien.

Mit einem Wutschrei riss der Mann das Gitter aus der Wand, schob seinen Kopf durch die Öffnung und versuchte, sich in den Schacht zu zwängen, indem er sich wie eine Schlange wand, um hinein zu kommen. Doch sein Oberkörper war zu groß und er blieb in der Öffnung stecken.

Frustriert knurrend zog er sich zurück, kniete sich hin und steckte seinen rechten Arm so weit in den Schacht, wie es nur ging. Mit seiner Klauenhand schlug er nach Zoe, die wimmerte und versuchte, sich noch ein paar Zentimeter weiter zurückzuziehen, während ihr Tränen über die Wangen liefen.

Hilflos sah sie mit an, wie der Mann seinen Arm weiter streckte und mit seinen Fingern immer näher an sie herankam.

Dann kam er nicht weiter. Seine Finger griffen nach Zoes Gesicht, doch es fehlten ein paar Zentimeter.

Er konnte sie nicht zu fassen bekommen!

Zoe atmete aus. Sie hatte einen kleinen Aufschub gewonnen.

Auf einmal war ein Geräusch zu hören, als würde Knorpel knacken. Die Hand des Mannes begann ihre Form zu verändern, als sich winzige Knochen wie Würmer unter der Haut bewegten. Ungläubig und entsetzt sah Zoe mit an, wie die Finger des Mannes allmählich länger wurden und der Abstand zwischen ihnen und ihrem Gesicht dahinschmolz.