Stone und Campbell warfen nur einen Blick auf Blades schwarzen Charger, der rasch näher kam, dann zogen sie ihre TEC-9-Pistolen. Als sie das Feuer auf ihn eröffneten, versuchten die anderen Verkehrsteilnehmer sofort, aus der Schusslinie zu gelangen. Die Kugeln sprühten Funken, als sie den Charger trafen, fraßen sich in die Karosserie und hinterließen lange Striemen im Lack. Doch die kugelsichere Windschutzscheibe trotzte dem Beschuss genauso wie die Kevlarplatten, die Motor und Tank schützten.
Blade atmete erleichtert auf. Whistler hatte wieder mal großartige Arbeit geleistet.
Er gab dem Wagen einen weiteren Schuss Stickstoffoxid, um seinen Job endlich hinter sich zu bringen.
Der Charger jagte wieder los und überholte Stone und Campbell, die sich sofort zurückfallen ließen und jeder an einen anderen Fahrbahnrand fuhren, um nicht länger ein einziges Ziel zu bieten. Die Maschinen reagierten mit Widerwillen auf das abrupte Lenkmanöver, und die beiden Vampire mussten all ihre übermenschliche Kraft und ihre Reflexe aufbieten, um die Motorräder daran zu hindern, sich zu überschlagen und von der Fahrbahn abzukommen.
Blade blieben höchstens zwei Sekunden, um sich seine weitere Vorgehensweise zu überlegen, ehe die beiden Motorräder zu weit voneinander entfernt waren. Timing war alles, insbesondere wenn es darum ging, Vampire zu fassen zu bekommen. Daher checkte er im Rückspiegel ihre momentane Position und trat dann heftig auf die Turbo-Bremse.
Der Charger bäumte sich auf wie ein Wildpferd, als er abrupt von über hundertsechzig auf weniger als achtzig Stundenkilometer gebremst wurde. Blade hielt seine Arme verschränkt vor das gepolsterte Lenkrad, um zu verhindern, dass er sich bei seinem Bremsmanöver den Kopf anschlug. Irgendwie gelang es ihm, auf seiner Fahrspur zu bleiben. Im nächsten Moment wurde der Charger von dem Aufprall der beiden Motorräder auf sein Heck erschüttert. Glassplitter und Blechteile flogen umher, während die beiden Fahrer höchst unfeierlich wie Dummies über die Lenker geschleudert wurden.
Stone flog ein Stück weit durch die Luft und zerschmetterte bei der Landung die Heckscheibe von Blades Wagen, riss den Rahmen mit sich und krachte dann mit dem Kopf voran in den Vordersitz. Campbell erging es nicht viel besser. Er prallte vom Dach des Charger ab, rutschte in einem Regen aus Blut und Glas über die Windschutzscheibe und glitt dann über die Motorhaube hinab. Dabei versuchte er, sich an einem Scheibenwischer festzuhalten. Schließlich gelang es ihm, sich breitbeinig auf der Haube zu halten.
Blade umklammerte das Lenkrad und stieß einen gespielten Seufzer aus. Das war nun wirklich nicht sein Tag. Erst benötigte er nicht mal eine Minute, um seinen aufgerüsteten Wagen zu demolieren, und nun hatte er zwei neue Probleme am Hals. Eines davon steckte kopfüber im Fußraum vor dem Beifahrersitz und heulte rachsüchtig auf, das andere hing auf seiner Haube wie ein Tier, das ihm vor den Wagen gelaufen war, nahm ihm die Sicht und hatte einen Scheibenwischer bis zur Unbrauchbarkeit verbogen.
Als würde das nicht genügen, waren nun auch noch Glassplitter in seinem Schoß gelandet.
Natürlich musste das an dem Tag geschehen, an dem er zum ersten Mal seine neue Lederhose angezogen hatte.
Blade duckte sich instinktiv, als einer von Stones stahlkappenbewehrten Stiefeln über seinen Kopf hinwegtrat. Er knurrte, da sich eine Scherbe innen in seinen Oberschenkel gebohrt hatte, und warf Stone einen wütenden Blick zu. Der Vampir versuchte, sich zu befreien, und schlug und trat dabei wie wild um sich. So konnte das nicht weitergehen. Blade hielt das Lenkrad nur noch mit einer Hand fest, mit der anderen griff er hinter sich zwischen die Sitze. Seine Finger schlossen sich um den kalten Lauf seiner Schrotflinte. Er packte sie, richtete die Mündung auf seinen unfreiwilligen Beifahrer und drückte ab, ohne sich die Mühe zu machen, groß zu zielen.
In dem beengten Raum war der Schuss ohrenbetäubend, erfüllte aber seinen Zweck. Stone begann zu kreischen und zu zucken, als sich das mit Silber umhüllte Schrot in seinen Oberkörper fraß. Sein Körper ging in blaue und weiße Flammen auf, dann verbrannte er auf dem Beifahrersitz, wobei das Glas des Seitenfensters versengt wurde.
Scheiße, dachte Blade und schlug mit der Faust auf das Lenkrad. Verdammt schlau von mir.
Ehe sich Stone in eine Aschewolke verwandeln konnte, die ihm die Inneneinrichtung ramponieren würde, drückte Blade auf eine Taste, und die Beifahrertür öffnete sich automatisch. Der sterbende Vampir stürzte aus dem Wagen und fiel genau vor einen herannahenden Bus. Der machte einen kleinen Satz, dann waren Stones Überreste auch schon zu Staub zermahlen worden.
Blade zog die Tür wieder zu und widmete sich seinem zweiten Gegner.
Campbell hatte es inzwischen geschafft, eine Hand in den Lufteinlassschlitzen der Haube zu verkrallen, mit der anderen schlug er auf das kugelsichere Glas, um ins Wageninnere zu gelangen. So robust die Scheibe auch war, zeichneten sich erste Risse ab, die an ein Spinnennetz erinnerten.
Blade gab Gas und fuhr Schlangenlinien, um die Kreatur abzuschütteln, doch es half nichts. Der Vampir hielt sich auf der Haube, als klebte er dort fest – wie eine hässliche, blutige Kühlerfigur.
Plötzlich zerbarst Glas, Splitter flogen ins Innere. In der Windschutzscheibe klaffte ein Loch. Campbell schob seine Klauenhand hindurch und griff blindlings nach dem Lenkrad, während er das Glas von innen mit dunklem Blut verschmierte. Ohne eine Sekunde zu verlieren, griff Blade nach seiner Schrotflinte, schob sie durch das Loch in der Scheibe und rammte sie in Campbells grinsenden Mund.
Blade murmelte ein Stoßgebet an den Gott der Verkehrssicherheit und betätigte den Abzug.
Es gab einen lauten Knall, dann legten sich die verkohlten Überreste des Vampirs in einer dicken schwarzen Wolke auf die Scheibe und nahmen Blade die Sicht.
Automatisch schaltete er die Scheibenwischer ein, doch das half nichts. Der verdrehte Wischer drehte sich nutzlos hin und her. Blade betätigte die Waschanlage, in der Hoffnung, dass der Fensterreiniger ihm halbwegs freie Sicht bescheren würde. Doch die Überreste des Vampirs verwandelten sich in eine klebrige schwarze Masse, durch die er noch weniger als vorher sehen konnte.
Blade fluchte.
Der Eagle mit Gedge und seinem Kumpel an Bord raste unterdessen weiter vorne über den Highway. Der Fahrer wechselte ständig die Spur und schlug mit einer Hand rhythmisch aufs Lenkrad. Der Adrenalinstoß, den die wilde Flucht in ihm auslöste, beflügelte ihn. Gedge bewegte sich unruhig auf seinem Platz, während er immer wieder über die Schulter nach hinten sah. Er hatte über Blade genug gehört, um zu wissen, dass sie noch längst nicht in Sicherheit waren, selbst wenn es im Augenblick so schien.
Vermutlich brachten sie sich nur noch weiter in Schwierigkeiten.
Gedges Nackenhaare richteten sich auf, als er Blades unverkennbaren Charger entdeckte, der sich durch den Verkehr allmählich nach vorn arbeitete. Der Wagen war erheblich beschädigt worden, und er war mit einer dicken schwarzen Schlammschicht überzogen, doch das hielt Blade nicht davon ab, weiter Gas zu geben und auf sie zuzuhalten.
Gedge stieß vor Schreck einen Schrei aus und machte den Fahrer auf ihre Verfolger aufmerksam, der sich daraufhin aus dem Fenster des Eagle lehnte und seine automatische Pistole auf den Charger richtete. Er zielte auf die beschädigte Windschutzscheibe und feuerte mehrere Salven ab. Die Geschosse trafen ihr Ziel und gaben der geschwächten Scheibe den Rest. Sie zerplatzte in Tausende von Glaswürfeln, die ins Wageninnere flogen.
Blade duckte sich, als das Glas ihm entgegenflog und die Splitter sich in die abgewetzten Ledersitze bohrten. Schnell richtete er sich wieder auf und drückte auf einen blauen Knopf, der mit „UV“ gekennzeichnet war. Ein Surren war zu hören, als eine ganze Batterie extrem starker, ultravioletter Strahler auf dem Dach des Chargers ausgefahren wurde. Sie drehten sich in ihren Fassungen und summten leise, als sie vorgewärmt wurden. Dann flammten sie auf und tauchten den Wagen mitsamt seinen Insassen in tödliches UV-Licht.