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„Mal ernsthaft“, fuhr Danica fort. „Hast du es mal mit Makrelen versucht? Oder mit Forellen?“

King strahlte sie an. „Wie wär’s, wenn du es mit einer Portion Zuckerguss von meiner Schwanzspitze versuchst?“

Einen Moment lang runzelte Danica die Stirn, dann lachte sie. „Oh, wir werden noch Zeit genug haben für Doktorspiele, das kannst du mir glauben.“ Sie ging noch tiefer in die Hocke, ihre Augen wanderten abschätzig über Kings muskulösen Oberkörper. „Aber erst einmal müssen wir uns unterhalten.“ Ihr Blick blieb an der blutigen Wunde haften, die der Pflock in seiner Brust verursacht hatte, dann strich sie mit einem Finger über sein Kinn, während das Lächeln von ihren Lippen verschwand. „Erzähl uns von dieser Biowaffe, an der ihr gearbeitet habt.“

King blinzelte, um seine Augen von einer schleimigen Mischung aus Blut und Hundespeichel zu befreien, während er heimlich testete, wie fest seine Handfesseln waren. „Ich kann dir zwei Sachen erzählen. Nichts und noch mal nichts. Und Nichts hat soeben das Gebäude verlassen.“

Grimwood hatte mit zwei ausholenden Schritten den Raum durchquert und legte eine Pranke um Kings Hals. „Spuck’s aus, du dämlicher Scheißkerl!“

Kings Leib zuckte, als er nach Luft schnappte, dann erst lockerte Grimwood den Griff ein wenig.

„Okay, ich sag, was ich über die Waffe weiß.“ King hustete, während Danica und Asher erwartungsvoll lauschten.

King spuckte auf den Boden, dann grinste er. „Es ist eine neue Geschmacksrichtung. Doppelt so schokoladig, nur die Hälfte Kalorien. Und es beugt Karies vor…“

Grimwood wollte ihn abermals packen, doch Danica stoppte ihn. Sie beugte sich zu King vor und lächelte ihn sanft an. „Du hast Mut, King, das muss ich dir lassen.“ Sie kam noch näher und strich über sein Gesicht. „Aber unter deinem ganzen Gehabe steckt nichts anderes als Angst, das weiß ich. Was wäre das Schlimmste für dich?“

Kings Lächeln erstarrte, der Humor wich langsam aus seinen Augen.

Danica rieb ihre Wange an seinen Bartstoppeln und schnurrte wie eine Katze. Ihre Lippen strichen über sein Ohr, als sie ihm zuflüsterte: „Du willst doch nicht wieder einer von uns werden, nicht wahr?“

Kings Kiefermuskeln begannen zu zucken. Schweiß mischte sich mit Blut auf seiner Stirn, während er versuchte, den Kopf abzuwenden, damit sie die Angst in seinen Augen nicht sah.

Danica legte ihre zarte Hand um sein Kinn und drehte sein Gesicht zu sich. Mit einem grausamen Lächeln auf den Lippen fuhr sie fort: „Ich werde dich wieder beißen, King. Und dann werde ich dich hier zurücklassen, während du dich verwandelst.“ Liebevoll strich sie sein blutverschmiertes Haar aus der Stirn. „Ich werde dich beobachten, Tag für Tag, während der Durst immer schlimmer und schlimmer wird. Und wenn du es dann überhaupt nicht mehr aushalten kannst“, Danica nickte jemandem zu, der im Schatten gestanden hatte. Drake kam in den Raum und hielt Zoe in den Armen. Das kleine Mädchen war geknebelt, es hatte entsetzliche Angst, aber es lebte.

Mit honigsüßer Stimme sprach Danica weiter: „Dann werde ich dir das Mädchen bringen, damit du deinen Durst stillen kannst.“ Mit einem Finger strich sie liebevoll an seinem Kiefer entlang. „Würde dir das gefallen, King? Hättest du Spaß daran, ihr Leben zu nehmen?“

Er wandte den Kopf ab und schloss angewidert die Augen.

Danica lächelte. „Na, dann sind wir doch schon einen Schritt weiter.“

Im Hauptquartier der Nightstalker stand Abigail an der Bank in der Werkbank und spannte wortlos eine neue Sehne in ihren Bogen.

Es war fast Morgen, auf den Tischen um sie herum war alle mögliche Ausrüstung verstreut: eine Bogenpresse, Sehnenspanner, Bogenschuppen und Schraubenschlüssel in verschiedenen Größen. Ihre Augen brannten, weil sie Schlaf dringend nötig hatte. Doch sie machte grimmig weiter, weil sie sicher sein wollte, dass alles bereit war. Sie war ganz auf ihre Arbeit konzentriert und versuchte, die Ereignisse der letzten Stunden aus ihrem Verstand zu verdrängen.

Von allen neuen Techno-Waffen, die Hedges für sie über die Jahre hinweg konstruiert hatte, war ihr der Bogen am liebsten. Allein die Menge der Geräte in der Werkstatt, die nur der Wartung dieses Bogens dienten, sprach für sich. Es war sogar ein ganzer Raum für sie reserviert worden, in dem sie üben konnte. Auf der anderen Seite der weitläufigen Halle gab eine halb geöffnete Tür den Blick frei auf einen improvisierten Schießstand mit einer Reihe von Zielen, die von einfachen Zielscheiben bis hin zu Silhouetten von Scharfschützen reichten.

Abigail hatte einen großen Teil ihrer Zeit bei den Nightstalkern darauf verwendet, den Bogen beherrschen zu lernen. Sie hatte Hedges den Entwurf ursprünglich zum Spaß vorgestellt. Umso überraschter war sie gewesen, als er ihr nach einer Weile die fertige Waffe präsentiert hatte.

Sie sah konzentriert nach unten, während sie die winzigen Schrauben anzog, die das Gerät zusammenhielten. Es unterschied sich deutlich von einem gewöhnlichen Bogen. Er bestand aus Titan und war damit leichter, zugleich aber auch viel kraftvoller und reaktionsfreudiger. Die Sehne war so empfindlich gelagert, dass man nur eine Sekunde lang unaufmerksam sein musste, schon hatte man sich den Bolzen in die Kniescheibe gejagt. Also hatte Abigail gelernt, ihre Reflexe zu kontrollieren. Vom ganzen Team war sie die Einzige, die den Bogen richtig bedienen konnte. Dex war zu stark gewesen und neigte dazu, die Sehne beim Spannen zu zerreißen, und King war zu ungeduldig und verließ sich lieber auf seine Schusswaffen. Er hatte immer gesagt, ihm würden das Zielen und Feuern mehr zusagen…

Abigail verdrängte rasch den Gedanken an King. Sie musste bei der Sache sein, sie durfte sich nicht ablenken lassen.

Mit dem Bogen war sie schon immer gut gewesen. Zu ihrem dreizehnten Geburtstag hatte ihr Vater ihr mit der Post Pfeil und Bogen geschickt. Es war nur ein Plastikmodell mit einem Nylonfaden als Sehne gewesen, doch sie hatte ihre Mutter dadurch verwundert, dass sie das Teil überall hin mitgenommen hatte. Die Katzen in der Gegend hatten bald begriffen, dass sie Abigails Haus besser weiträumig mieden, da sie praktisch endlos übte. Schließlich hatte ihr Stiefvater ihr den Bogen abgenommen, um die wenigen noch unversehrten Pflanzen und Einrichtungsgegenstände im Haus vor ihr zu retten.

Doch egal, wo er ihn versteckte, Abigail fand den Bogen immer wieder, auch wenn sie Schränke ausräumen und auf der Garderobe herumklettern musste. Eines Tages war ihr Stiefvater das Theater leid gewesen und hatte den Bogen in den Müll geworfen. Abigail war ziemlich sauer gewesen, allerdings nicht so sauer wie ihre Eltern, als sie drei Tage später mit einem echten Bogen aufgetaucht war – komplett mit Köcher und Pfeilen. Und einer Zielscheibe in Menschenform, der sie eine Perücke mit der gleichen Haarfarbe wie ihr Stiefvater aufgesetzt hatte.

So wie jeder Vater hatte Whistler gewollt, dass seine Tochter in Sicherheit war, weit entfernt vom Schrecken dieser Welt. Gleichzeitig musste er aber auch erkannt haben, dass er deswegen Abigail nicht in Watte packen konnte. Nachdem die Morde geschehen waren, hatte er jeglichen Kontakt zu ihr und ihrer Mutter abgebrochen, da er um ihre Sicherheit fürchtete. Jahrelang wussten weder sie noch ihre Mutter, wo Whistler lebte. Sie hatten nicht einmal seine Telefonnummer.

Und doch hatte Abigail immer das Gefühl gehabt, dass er in der Nähe war, dass er sie vielleicht sogar beobachtete. Tag und Nacht hatte sie mit ihrem neuen Bogen geübt, da sie ihrem Dad helfen wollte, die Monster zu töten, die seine andere Familie umgebracht hatten.

Als sie nach jahrelanger Suche Whistler endlich aufgespürt hatte, da hatte er ihr verboten, sich einem Vampir auch nur zu nähern. Zumindest so lange er nicht mit eigenen Augen gesehen hatte, was sie mit ihrem Bogen anstellen konnte. Anschließend schien er seine Meinung geändert zu haben.

Sie war fest entschlossen gewesen, ihm zu helfen. Whistler hatte jedoch darauf bestanden, dass sie sich dem neuen Team anschloss, das er zu der Zeit aufbaute: die Nightstalker. Damals bestand das Team noch aus einem bunt zusammengewürfelten Haufen von Ausgestoßenen. Aus Menschen, die vor ihrem eigenen Leben die Flucht ergriffen hatten und die nur von dem einen Gedanken zusammengehalten wurden, den Kreaturen ein Ende zu bereiten, die ihr Glück zerstört hatten. Whistler hatte ihnen dabei geholfen, ein Hauptquartier zu finden, und anschließend hatte er sie in vollem Umfang auf seine Datenbanken zugreifen lassen und sie alles gelehrt, was er über das Töten von Vampiren wusste.