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Der Fahrer des Eagle wurde von der vollen Kraft des Lichts getroffen. Er schrie auf und legte einen Arm schützend vor sein Gesicht, doch dafür war es bereits zu spät. Die Hautstellen, die der Helligkeit ausgesetzt worden waren, verhärteten und rissen auf wie mürb gewordenes Leder. Seine Kleidung wurde in Brand gesteckt, als Flammen aus den bis auf die Knochen reichenden Rissen in seinem Fleisch austraten. Einen Moment lang wütete das Feuer, dann erlosch es gleich wieder, als sich sein ganzer Körper in feste Asche verwandelt hatte.

Der Wagen fuhr durch ein Schlagloch, und die verkohlte Statue kippte nach vorn und zerfiel. Asche verteilte sich auf den Vordersitzen. Führerlos steuerte der Eagle nun in Richtung Straßenrand. Gedge war gezwungen, auf den Fahrersitz zu klettern und das Lenkrad zu übernehmen. Er zuckte zusammen, als die verkohlten, heißen Reste des anderen Vampirs zerfielen, sobald er sich auf sie setzte. Im Wagen roch es nach verbranntem Katzenfell und Schwefel. Angewidert rümpfte Gedge die Nase und klammerte sich in Panik am Lenkrad fest, als der Eagle durch einen seitlichen Aufprall beinahe von der Fahrbahn gedrängt wurde.

Entsetzt sah er aus dem Seitenfenster. Der Daywalker hatte ihn gerammt! War der Kerl verrückt? Bei dem Tempo würde er sie beide umbringen!

Im Charger neben ihm stellte Blade seinen Rückspiegel wieder richtig ein, dann rammte er den Eagle ein zweites Mal. Funken sprühten, als die beiden Fahrzeuge aneinander gerieten. Sie lösten sich voneinander, aber Blade riss das Lenkrad ein drittes Mal herum und rammte den Eagle abermals, um ihn von der Straße zu drängen.

Endlich gelang es ihm. Der Eagle machte einen Satz zur Seite, als Gedge die Kontrolle über das Fahrzeug verlor. Das Lenkrad wurde ihm aus den Händen gerissen, als sich die Räder nach rechts stellten und verkeilten. Der Wagen schrammte an einer Reihe parkender Fahrzeuge vorbei, bis eine Lücke auftauchte und er eine Baustellenrampe hinaufraste, die normalerweise von Betonmischwagen benutzt wurde, die dort ihre Ladung ins Fundament pumpten.

Der Eagle durchbrach die letzte Absperrung und flog durch die Nacht, der Motor heulte auf, da die Räder keinen Widerstand mehr fanden. Dann schlug er mit einem herzhaften Krachen auf dem Dach auf und rutschte auf den belebten Bürgersteig zu.

Das Gewicht und die Fliehkräfte ließen den Wagen meterweit über den Fußweg rutschen, wobei er Telegrafenmasten und Zeitungsautomaten mitriss. Touristen auf ihrem Abendspaziergang brachten sich mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit, während das Auto auf einen kleinen Markt auf dem Bürgersteig zusteuerte. Stände voller billiger Ware wurden weggeschleudert, als der Eagle in sie hineinrutschte und dabei auf die Seite kippte.

Dann endlich rammte er mit der Schnauze eine eiserne Straßenlaterne, die seiner Vorwärtsbewegung ein abruptes und lautstarkes Ende setzte. Die Laterne knarrte bedenklich, und Sekunden später stürzte sie auf das Fahrzeugwrack.

Als sich der aufgewirbelte Staub gelegt hatte, kam allmählich wieder Leben in die Straße. Passanten krochen aus ihren Verstecken hervor und näherten sich dem qualmenden Wrack. An der Bushaltestelle wählte jemand den Notruf. Die Schaulustigen hielten respektvoll Abstand, da sie das Schlimmste befürchteten.

Ein erschrockenes Raunen ging durch die Menge, als sich auf einmal die Tür des Eagle öffnete, die nun zum Himmel gerichtet war. Gedge zuckte zusammen, als er sich langsam aus den zermalmten Überresten des Wagens befreite. Die Umstehenden ignorierte er völlig. Er blutete, er hatte Prellungen davongetragen, aber er lebte noch.

Er stützte sich am Wagen ab, um sich aufzurichten, schwankte einen Moment lang leicht, bekam sich dann aber wieder unter Kontrolle. Nur mit Mühe gelang es ihm, das nun hochkant stehende Handschuhfach zu öffnen und eine silberne Pistole herauszuholen. Er entsicherte die Waffe und warf einen gehetzten Blick über die Schulter, dann humpelte er die Straße entlang. Die Menge teilte sich vor ihm wie das Rote Meer.

Blade stoppte seinen Charger am Fahrbahnrand ein Stück vor Gedge, der Motor gab ein Klingeln von sich, das davon zeugte, wie stark die Maschine während der Verfolgungsjagd beansprucht worden war. Wie ein Mann drehte sich die Menge um, als die große, dunkle Gestalt mit einer Schrotflinte in der Hand aus dem nahezu schrottreifen Wagen ausstieg.

Die Umstehenden begriffen schnell, was hier im Gange war, und wichen zügig zurück. Eine Mutter schrie auf, packte ihr Kleinkind und rannte los, um es in Sicherheit zu bringen. Blade nahm von niemandem Notiz. Was sich hier zutragen sollte, würde für sie ohnehin keinen Sinn ergeben, selbst wenn sie es mit eigenen Augen beobachteten. Er würde den Vampir jagen und töten, der würde zu Staub explodieren und keine Spur hinterlassen, die seine vormalige Existenz beweisen konnte.

Das war äußerst praktisch. Blade hatte es schon tausend Mal miterlebt, und jedes Mal hatte er zu schätzen gewusst, wie zweckmäßig es war.

Wenn er wieder weg war und die Menschen den ersten Schock überwunden hatten, würden sie schließlich glauben, man habe ihnen einen Streich gespielt. Vielleicht handelte sich um irgendeinen ausgefeilten Gag, der für eine TV-Sendung mit versteckten Kameras mitgefilmt wurde. In ein paar Tagen würden sie längst vergessen haben, was sich vor ihren Augen abgespielt hatte.

Blade lächelte finster, als er dem fliehenden Gedge folgte. Die Leute sahen immer nur das, was sie sehen wollten. Weder Logik noch gesunder Menschenverstand konnte sie von ihrer Meinung abbringen, da halfen auch nicht die Beweise, die sie aus erster Hand vorgeführt bekamen. Es war bedauerlich, dass er vor Publikum agieren musste, doch es war seine Pflicht, den Job zu erledigen. Wenn auch nur ein Vampir dem heutigen Blutbad entkam, könnte er andere warnen, die auf Blades Liste standen, und ihm so seinen mühsam erarbeiteten Vorteil zunichte machen.

Blade hob seine Schrotflinte, die ein neues Extra aufwies – eine Schnellfeuervorrichtung für Pflöcke, die unter dem Lauf montiert war. Dies war eines der neuesten Experimente von Whistler, und Blade wollte es unbedingt testen. Ehe jemand in der Menge einen Entsetzensschrei ausstoßen konnte, hatte er auf Gedge gezielt und betätigte den Abzug.

Ein silberner Pflock, der von einer Düse mit CO2-Gas angetrieben wurde, traf die flüchtende Gestalt in den Rücken und brachte sie zu Fall. Gedge verlor seine Waffe, die über den Fußweg rutschte und im Rinnstein verschwand. Die Schaulustigen schrien auf und wichen weiter zurück, um irgendwo Zuflucht zu suchen, während sich Blade der Gestalt näherte, die im Staub auf dem Fußweg lag.

Aus weiter Feme vernahm Blade das Heulen von Polizeisirenen, doch er kümmerte sich nicht darum. Lange bevor sie auch nur nahe genug waren, um ihn sehen zu können, würde er längst verschwunden sein.

Für den Augenblick hatte er erst einmal seinen Job zu erledigen.

Gedge starrte Blade an, der als düstere Gestalt vor ihm stand. Mit einem Mal war er ruhig. Über die Jahre hinweg hatte sich Gedge immer wieder vorgestellt, wie er wohl sterben würde, aber diese Möglichkeit hatte er nie in Erwägung gezogen. Er hatte immer im Kampf sterben wollen, umgeben von Vampirschönheiten in hautengen, schwarzen PVC-Overalls, die dann den Rest ihres Lebens ausschließlich damit verbringen würden, seinen ehrenvollen Tod zu rächen.

Zugleich empfand Gedge aber auch gewisse Befriedigung, dass sein Tod nicht völlig sinnlos sein würde. Immerhin brachte er das größte Opfer: Er starb, damit andere leben konnten. So schloss sich der Kreis seines langen Lebens.

Nur schade, dass der Kerl, der ihn umbringen würde, ausgerechnet Lederhosen trug.

Blade sah Gedge verwirrt an. Der Vampir lebte noch. Und als würde das nicht genügen, lachte er auch noch. Aber wieso?