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Einen Moment später hörten sie beide das Geräusch. Ein gedämpftes, metallisches Kratzen, so als würde jemand ein Messer an einem Feuerstein schärfen.

Es kam aus der Kiste.

Gleichzeitig drehten die beiden Vampire sich um und sahen zu der riesigen Metallkiste, die sich langsam dem Rand des Frachtraums näherte. War es pure Einbildung, oder war die Kiste tatsächlich ein wenig zu einer Seite geneigt?

Ein lautes Scheppern ertönte, und auf einmal bewegte sich die Kiste abrupt vorwärts, als wäre sie von einem unsichtbaren Panzer gerammt worden. Während die Vampircrew aufsprang und aufgeregte Rufe ausstieß, ruckte die Kiste erneut heftig. Diesmal schwang sie um neunzig Grad in die Höhe. Die Ketten folgten der Bewegung und ächzten, als die Kiste in ihre Ausgangsposition zurückschaukelte und ihr volles Gewicht an den Gliedern zerrte. Eine der Ketten hielt dieser Belastung nicht stand und riss, worauf die Kiste in eine bedenkliche Schieflage geriet und wie eine Wippe hin und her schaukelte.

„Was zum Teufel ist denn jetzt los?“ Asher lief los, gefolgt von Grimwood. Von unten hörte man die Rufe des Kranwagenfahrers, dessen Fahrzeug durch die plötzliche Verlagerung des Gewichts mit den Hinterrädern den Halt verlor.

„Hilf ihm!“ Asher gab Grimwood einen Stoß, damit der zum Kranführer lief.

Der ließ sich nicht zweimal auffordern und rannte zum Kranwagen, machte einen Satz und bekam das Heck des Fahrzeugs zu fassen. Er stöhnte vor Anstrengung, als er seine gewaltigen Muskeln anspannte und den Kranwagen nach unten zog, bis die Hinterräder wieder Bodenkontakt hatten. Der Kran reagierte auf diese Belastung mit lautem Knarren und Ächzen.

Während Grimwood mit einer Hand weiter den Kranwagen festhielt, zog er ein Stück Tau vom Heck des Fahrzeugs und machte es am nächsten Ankerpfosten aus massivem Eisen fest.

Verschwitzt wischte er sich das Schmierfett von den Händen und wandte sich zu Asher um, der Befehle in sein Walkie-Talkie bellte. Beide sahen sie zu, wie die Vampircrew über die Gangway rannte und vom Ufer aus Seile über die Kiste warf, damit sie über den gut drei Meter breiten Zwischenraum zwischen Schiff und Dock gezogen werden konnte. Unter ihnen gischtete das Wasser hoch auf.

Was hatte Danica noch gleich gesagt, worauf sie achten sollten, wenn ein fließendes Gewässer überquert werden musste? Grimwood dachte mit Schuldgefühlen an die Wochen zurück, die ihrer Expedition vorausgegangen waren. Es war viel recherchiert und trainiert worden, um diese Mission vorzubereiten, die größtenteils von Danica organisiert worden war. Er hatte nicht mal die Hälfte von ihren Ausführungen behalten, was vor allem daran lag, dass er gedacht hatte, das Ganze wäre nur ein schlechter Witz.

Als die Kiste das letzte Stück über das Wasser zurücklegte, war daraus ein aufgebrachtes Kreischen zu hören. Die Ketten rasselten, als die Kiste von innen heraus wieder hin und her geschleudert wurde. Die heftigen Bewegungen sorgten dafür, dass den Vampiren die meisten der zusätzlich über die Kiste geworfenen Seile aus der Hand gerissen wurden. Einige der Männer verloren dabei den Halt und fielen ins Wasser. Grimwood stieß einen Warnschrei aus, als auch die zweite Kette riss. Eine Seite der Kiste kippte weg und sprühte Funken, als die Kante auf die metallene Plattform des Docks traf.

Hoch oben ächzte das Kabel der Winde unter der extremen Belastung der ungleichmäßig verteilten Fracht. Die Kiste hing nun im Winkel von fünfundvierzig Grad an den zwei letzten Ketten, die Unterkante hatte sich in das weiche Metall der Plattform gebohrt. Rauch stieg aus dem Motor des Kranwagens, der wie wild arbeitete und versuchte, die Kiste wieder anzuheben. Doch die Kante steckte fest und löste sich nicht aus der Plattform.

Wieder und wieder bewegte sich das Behältnis heftig hin und her, als der erzürnte Gefangene versuchte, sich einen Weg durch die stählerne Klapptür zu bahnen. Mit jedem Rucken bohrte sich die Kiste noch tiefer in den Untergrund, und die Luft war von lauten Schlägen auf Metall erfüllt, während sich in einer Seitenwand der Kiste erste Beulen und Risse zeigten. Im nächsten Moment machte die Crew einen Satz nach hinten, als plötzlich entlang des Docks Bolzen und Nieten explosionsartig umherflogen. Das minderwertige Metall, aus dem die Umrandung der Plattform bestand, hielt das Gewicht der Kiste nicht länger aus. Hilflos sahen die Vampire mit an, wie sich die komplette Plattform vom Dock löste und sich mitsamt der Kiste zum Wasser hin neigte.

Ohne zu zögern lief Grimwood zum Kranwagen, zerrte den Führer von seinem Platz und kletterte in die kleine Kabine. Er schaltete den Kran ab und legte den Rückwärtsgang ein, dann gab er Gas. Die Reifen des Kranwagens drehten auf dem nassen Asphalt durch, während sie versuchten, Halt zu finden, gleichzeitig knarrte der Kran höchst bedenklich, da er die Belastung nicht mehr lange durchhalten würde.

Zentimeter um Zentimeter bewegte sich der Kranwagen fort vom Dock und zog die Kiste zurück auf die Plattform.

Als er sicher war, dass nichts mehr passieren konnte, schaltete Grimwood den Motor des Kranwagens aus und sprang aus der Kabine. Er sah, wie sich die Vampircrew der Kiste näherte und hinaufkletterte, um die Ketten zu lösen.

Asher kam zu ihm geeilt und sah noch bleicher aus als sonst. „Na“, meinte er, „das war ja ein tolles Schauspiel.“

Grimwood warf ihm einen finsteren Blick zu, dann betrachtete er argwöhnisch die umgestürzte Kiste. Ein zorniges Knurren drang nach draußen, das wie eine Mischung zwischen einer aufjaulenden Raubkatze und dem tiefen Bass eines Bären klang.

„Ich glaube, er ist ziemlich sauer auf uns.“ Asher sprach noch leiser als üblich.

„Ach ja? Glaubst du das?“, tat Grimwood Ashers Bemerkung ab und ging zu der Crew, um dabei zu helfen, die Kiste zu sichern und auf Schäden zu untersuchen. Zum Glück waren die Stahlwände intakt geblieben.

Grimwood strich mit einer Hand über das feuchte Metall. Möchte ja nicht in der Nähe sein, wenn das Ding da rauskommt, dachte er und kratzte beiläufig seine Wunden, wobei er unter seine Bomberjacke griff, um die juckenden Klebestreifen von seiner Haut zu ziehen. Sein körperlicher Einsatz hatte dazu geführt, dass alle Nähe aufgerissen waren und das Blut über seinen Bauch bis an den Saum seiner Jeans lief, wo es aufgesogen wurde.

Er versuchte gerade, das Blut abzuwischen, als hinter ihm plötzlich ein Schrei durch die Nacht gellte. Grimwood wirbelte herum. Ein Mann von der Vampircrew warf sich auf der Kiste hin und her und hielt sein Bein umklammert. Ein muskelbepackter Arm hatte sich zwischen den Stäben vor dem Sehschlitz hindurchgezwängt, die klauenbewehrte Hand hielt den Knöchel des Vampirs fest und wollte nicht wieder loslassen.

„Das ist doch wohl ein schlechter Witz!“ Grimwood betrachtete den Arm, der wie bei einer Echse mit einer Art Schuppen und Stacheln überzogen war.

Noch während er zusah, drückte die Hand so fest zu, dass trotz der Schreie des Crewmitglieds deutlich zu hören war, wie der Knochen zerquetscht wurde. Der Mann wurde bleich und begann wie wild an der Hand des Wesens zu zerren. Doch trotz seiner übernatürlichen Kraft war der Vampir nicht in der Lage, sich zu befreien.

Grimwood wich zurück, als das Ding auf einmal auch die zweite Hand zwischen den Gitterstäben hindurchschob und mit einer unglaublichen Brutalität an der Klapptür zu rütteln begann. Im nächsten Moment gaben die Scharniere mit einem durchdringenden Kreischen ihren Widerstand auf, dann verschwand die ganze Tür in der Finsternis der Kiste, lediglich die von außen angeschweißten Metallstäbe waren noch an ihrem Platz. Das Crewmitglied wurde noch blasser, als es sah, was sich unter ihm befand. Seine Befreiungsversuche wurden noch energischer, als sie es schon vorher gewesen waren.

Die anderen ließen die Seile fallen und zogen sich langsam zurück. Keiner von ihnen wurde gut genug bezahlt, um sich mit einer solchen Gefahr abzugeben. Grimwood schrie sie zwar an, doch einer nach dem anderen wandte sich ab und trat die Flucht an.

Grimwood sah zu Asher, der hinter einem der Ankerpfosten kauerte. Er verbeugte sich spöttisch vor ihm und machte eine ausholende Handbewegung hin zu dem Crewmitglied, das sich nach vor in seiner misslichen Lage befand. „Dein Auftritt, Schwuchtel.“