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Sie hielten sich an der Cockpit-Reling fest und warteten schweigend die Strecke ab. Es war wenig zu sagen; und das dröhnende Gebrüll des Howlers machte die Verständigung schwierig. Sax wurden durch das Festhalten Hände und Arme sehr erschöpft, aber man konnte nichts dagegen tun, außer das Cockpit aufzugeben und sich in den Betten anzuschnallen. Das wollte er aber nicht. Trotz der Unbequemlichkeit und der quälenden Sorge wegen der Eintritts in die Bucht war es ein außergewöhnliches Erlebnis zu sehen, wie der Wind die Wasseroberfläche zerstäubte.

Eine kleine Weile später (obwohl der Computer angab, daß es 72 Minuten gewesen waren) bekam Sax Landsicht — ein dunkler Streifen über den Schaumkronen an der Leeseite. Daß man ihn sah, bedeutete, daß sie vielleicht zu nahe dran waren; aber voraus verschwand er und kam weiter westlich wieder zum Vorschein. Der Eingang der Arigato-Bucht. Die Ruderpinne bewegte sich gegen sein Knie, und er bemerkte eine Änderung im Kurs des Bootes. Zum ersten Mal konnte er das Summen der kleinen Motoren im Heck der beiden Rümpfe hören. Das Knarren gegen das Eis wurde gröber, und sie mußten sich gut festhalten. Jetzt wurden die Wellen der Grunddünung höher, die Schaumkronen wurden abgerissen und weggeschleudert; aber der größte Teil jeder Woge blieb erhalten und stieg hoch, wenn er auf Grund traf. Und jetzt konnte er in der über das Wasser gleitenden Gischt Eisschollen erkennen und größere Brocken — klar, blau, jade, aquamarin, genarbt, roh, glasig. Es mußte eine Menge Eis gegen die vor ihnen liegende Leeküste getrieben worden sein. Wenn die Mündung der Bucht mit Eis verstopft war und trotzdem Wellen über diese Schranke brachen, würde es wirklich eine üble Passage werden. Und danach sah es aus. Sax rief dem Computer ein paar Fragen zu, aber dessen Antworten waren unbefriedigend. Er schien zu sagen, daß das Schiff jeden Stoß vertragen würde, den die Situation mit sich bringen könnte, aber daß die Motoren es nicht durch Packeis zu fahren vermochten. Und tatsächlich wurde das Eis rasch dicker. Es schien, als ob sie allmählich von einer lockeren Masse großer Schollen umgeben würden, die über die ganze Bucht vom Wind an die Küste getrieben wurden. Deren Knirschen und Krachen war jetzt eine deutliche Komponente in dem überwältigenden Lärm des Sturms. Es sah tatsächlich so aus, als würde es jetzt schwierig werden, mit Motorkraft der Lage zu entkommen, direkt von der Küste weg in den Wind und die Wellen und hinaus auf See. Jetzt, da er wirklich hier hinaus wollte und von Wellen auf und ab geschüttelt wurde, die immer größer und wilder wurden, war das Kentern eine ernste Gefahr. Aber wegen der unerwarteten Dicke des Eises war ihnen die Chance, sich von der Küste zu entfernen, wohl verschlossen. Sie hatten also einen harten Kampf vor sich.

Ann schien sich in ihren Halterungen nicht wohl zu fühlen. Sie hielt sich mit Leibeskräften an der Cockpitreling fest, was Sax eine gewisse Beruhigung gab. Sie zeigte durchaus keine Neigung loszulassen. Er beugte sich hinüber, so daß er ihr ins Ohr brüllen konnte, und drehte sich dann so, daß er sie zu hören vermochte.

»Hier können wir nicht bleiben!« rief sie. »Wenn wir schlappmachen, wird es uns wie die Puppen zerreißen!«

»Wir können uns in unseren Betten anschnallen«, schrie Sax zurück.

Sie machte mürrisch ein zweifelndes Gesicht. Und es stimmte, daß diese Lösung auch nicht besser sein würde. Er hatte das nie probiert; und man mußte erst herausfinden, ob man auf diese Weise überhaupt sicherer wäre. Der Wind kreischte erstaunlich laut, das Wasser brauste und das Eis donnerte. Die Wellen wurden immer noch größer. Wenn sich das Schiff hob, dauerte es zehn oder zwölf herzzerreißende Sekunden, bis es wieder in die Tiefe schoß. Und wenn sie wieder hoch kamen, sahen sie Eisschollen zwischen den Wogen, die mit der fliegenden Gischt auf ihre Kollegen runterkrachten und manchmal auch auf die Rümpfe und das Deck des Bootes und auf die transparente Cockpithülle und zwar mit einer Wucht, die sie mit dem ganzen Körper fühlen konnten.

Sax beugte sich hinüber, um Ann wieder etwas ins Ohr zu schreien. »Ich glaube, dies ist eine der Situationen, wo wir die Rettungsbootfunktion benutzen sollten.«

»...Rettungsboot?« fragte Ann.

Sax nickte. Er rief: »Dies Schiff ist sein eigenes Rettungsboot! Es kann fliegen!«

»Was meinst du?«

»Es fliegt!«

»Du machst Witze!«

»Nein! Ein Luftschiff!« Er beugte sich vor und hielt den Mund ihr direkt ans Ohr. »Die Rümpfe, Kiele und der Boden des Cockpits werfen ihren Ballast ab. Sie füllen sich aus den Heliumtanks im Bug. Und es entfalten sich Ballons. Man hat mir das dort in Da Vinci gesagt, aber ich habe es nie gesehen! Ich dachte nicht, daß wir es brauchen würden!« Das Schiff konnte aber auch zum U-Boot werden, hatten sie ihm in Da Vinci erklärt, stolz und höchst befriedigt über die Vielseitigkeit des neuen Vehikels. Aber das Packeis vor der Leeküste verwehrte ihnen diese Möglichkeit, was Sax nicht bedauerte. Aus keinem besonderen Grund erschien ihm die Idee, mit dem Boot nach unten zu gehen, nicht besonders verlockend.

Ann zog sich, über diese Mitteilung erstaunt, nach hinten. Sie rief: »Weißt du, wie man es fliegt?«

»Nein!«

Vermutlich würde sich der Computer darum kümmern. Falls sie in die Luft steigen könnten. Es kam nur darauf an, den Notschalter zu finden und die richtigen Schalter umzulegen. Sax deutete auf das Kontrollpaneel, um seinen Gedanken auszudrücken. Dann beugte er sich vor, um ihr etwas ins Ohr zu schreien. Ihr Kopf schwenkte herum und stieß ihn heftig auf Nase und Mund. Er blinzelte wegen des heftigen Schmerzes, und das Blut lief ihm aus der Nase wie Wasser aus einem Hahn. Ein Zusammenstoß, genau wie die zwei Planetesimale. Er grinste und öffnete die Lippen noch etwas weiter. Das war ein schmerzhafter Irrtum. Er leckte und leckte und schmeckte sein Blut. Er brüllte: »Ich liebe dich!« Sie hörte ihn nicht.

»Wie starten wir es?« rief Ann.

Er deutete wieder auf das Kontrollpaneel und dann den Computer daneben. Das Schaltbrett für den Notfall befand sich unter einer Schutzkappe.

Aber wenn sie sich entschlossen, durch die Luft zu fliehen, würde das einen gefährlichen Moment mit sich bringen. Wenn sie sich erst einmal mit der Geschwindigkeit des Windes bewegten, müßte man auf das Boot nur sehr wenig Kraft ausüben. Sie würden einfach dahinschweben. Aber in dem Moment des Abhebens, während sie noch fast stillstanden, würde der Howler scharf an ihnen zerren. Sie würden wahrscheinlich taumeln; und das könnte die Ballons behindern, so daß das Boot wieder in die von Eis erstickten Brecher zurück oder auf die Leeküste geworfen würde. Er sah, daß Ann die gleichen Gedanken erwog. Aber — was auch immer geschah, es dürfte den knochenbrechenden Stößen vorzuziehen sein, die sie ständig schüttelten. Es wäre nur vorübergehend — so oder so.

Ann sah ihn an und bei seinem Anblick verfinsterte sich ihre Miene. Wahrscheinlich wegen seines vermanschten Gesichts. Sie.rief: »Es ist einen Versuch wert!«

Also entfernte Sax die Schutzkappe von der Notkonsole und legte mit einem letzten Blick auf Ann, wobei sich ihre Augen begegneten mit einem Blick, den er nicht genau deuten konnte, der ihn aber erwärmte, die Finger auf die Schalter. Das Schiff fiel irgendwie ins Wellental, traf mit dem gewohnten Ruck auf die brüllenden Wogen, hüpfte dann direkt hoch und davon. Es stieg auf und kippte seitlich über den leeseitigen Rumpf, so daß sie in ihren Gurten hingen. Die Ballons hatten sich zweifellos verhakt, und die nächste Welle würde sie kentern lassen, und das wäre es dann gewesen. Aber dann zog sich das Boot über Eis, Wasser und Gischt davon, fast ohne Kontakt, und rollte sie Hals über Kopf in ihren Halterungen. Ein wildes Intervall des Taumeins, und dann richtete sich das Boot selbst auf und fing an, wie ein großes Pendel hin und her zu schwingen, von einer Seite nach der anderen, von vorn nach hinten, und dann wieder kopfüber zurück. Dann richtete es sich wieder auf und fing wieder an zu schaukeln. Auf, auf, auf, hin und her geworfen. Festhalten! Sein Schultergurt löste sich, und seine Schulter stieß gegen die von Ann, als ob er gegen sie gepreßt wäre. Die Ruderpinne schlug gegen sein Knie. Er hielt sich daran fest. Noch ein Zusammenprall; und er hielt sich, in seinem Sitz verdreht, an Ann fest. Er packte sie, und danach waren sie wie siamesische Zwillinge, die Arme einander um die Schultern gelegt und in Gefahr, sich gegenseitig bei jedem Stoß die Knochen zu brechen. Sie schauten sich eine Sekunde lang an, die Gesichter nur um Zentimeter getrennt und Blut an beiden von dem einen oder anderen Schnitt. Wahrscheinlich war es nur von seiner Nase. Ann sah teilnahmslos aus. Sie schössen in den Himmel empor.