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Bernard schüttelte ihm die Hand, schien aber verwirrt.

Gerald T. Harrison stand in der breiten Doppeltür des eleganten Vorzeigebüros der Genetron, einen Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt. Bernard blickte hilfesuchend zu Harrison.

»Ich bin sehr froh, daß Sie meine Nachricht erhalten haben«, fuhr Vergil fort, bevor er auf Harrisons Anwesenheit aufmerksam wurde.

Harrison beendete sofort sein Gespräch und warf den Hörer auf die Gabel. »Rang hat seine Vorrechte, Vergil«, sagte er mit einem heuchlerischen Lächeln und nahm neben Bernard Aufstellung.

»Entschuldigen Sie, was für eine Nachricht?« fragte Bernard.

»Dies ist Vergil Ulam, einer unserer besten Forscher«, sagte Harrison. »Wir alle sind sehr erfreut über Ihren Besuch, Mr. Bernard. Vergil, ich werde später auf diese Angelegenheit zurückkommen, die Sie besprechen wollten.«

Er hatte Harrison nicht um eine Besprechung gebeten. »Gewiß«, sagte Vergil. In ihm nagte das alte und nur zu vertraute Gefühl, übergangen und beiseite gestoßen zu werden.

Bernard hatte keine Ahnung, wer er war.

»Später, Vergil«, sagte Harrison mit Betonung.

»Gewiß, selbstverständlich.« Er wich zurück, blickte bittend zu Bernard, dann machte er kehrt und ging schwerfällig durch die rückwärtige Tür hinaus.

»Wer war das?« fragte Bernard.

»Ein sehr ehrgeiziger Bursche«, antwortete Harrison, dessen Miene sich verdüstert hatte. »Aber wir haben ihn unter Kontrolle.«

Harrison hatte sein Arbeitsbüro am Westende des Laboratoriumsgebäudes im Erdgeschoß. Der Raum war umgeben von Bücherregalen. Das in Augenhöhe befindliche Regal hinter dem Schreibtisch enthielt Loseblattsammlungen in schwarzen Plastikmappen. Darunter war eine Reihe von Telefonbüchern — Harrison sammelte alte Telefonbücher —, und mehrere Regale waren vollgestopft mit Bänden über elektronische Datenverarbeitung. Auf der schwarzen Schreibtischplatte lag eine Schreibunterlage mit Lederrand mit einer Schreibgarnitur. Daneben stand ein Datenanschluß.

Von den Gründern der Genetron waren nur Harrison und William Yng lange genug geblieben, daß sie die Aufnahme des Laborbetriebs miterlebt hatten. Beide waren mehr zum Kaufmännischen als zur Forschung orientiert, obwohl ihre Promotionsurkunden eingerahmt an der holzgetäfelten Wand hingen.

Harrison lehnte sich im Sessel zurück, die Arme oben und die Hände im Nacken verschränkt. Vergil bemerkte eine Andeutung von Schweißflecken in den Achselhöhlen.

»Vergil, das war sehr peinlich«, sagte er. Sein weißblondes Haar war kunstvoll angeordnet, um den vorzeitig gelichteten Scheitel zu bedecken.

»Er tut mir leid«, sagte Vergil.

»Mir auch. Sie baten also Dr. Bernard, unsere Labors zu besuchen.«

»Ja.«

»Warum?«

»Ich dachte, er würde sich für die Arbeit interessieren.«

»Das dachten wir auch. Deshalb luden wir ihn ein. Ich glaube nicht, daß er von Ihrer Einladung überhaupt wußte, Vergil.«

»Anscheinend nicht.«

»Sie handelten hinter unserem Rücken.«

Vergil stand vor dem Schreibtisch und schaute trübe auf die Rückseite des Bildschirmgerätes.

»Sie haben viel nützliche Arbeit für uns getan. Rothwild sagt, Sie seien brillant, vielleicht sogar unersetzlich.« Rothwild war der Biochips-Projektleiter. »Aber andere sagen, man könne sich nicht auf Sie verlassen. Und nun dies.«

»Bernard…«

»Nicht Mr. Bernard, Vergil. Dies!« Er drehte das Bildschirmgerät herum und drückte einen Knopf der Tastatur. Auf dem Bildschirm erschien Vergils geheime Computerakte. Seine Augen weiteten sich, und die Kehle wurde ihm plötzlich eng, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Ich habe noch nicht alles gelesen, aber es scheint, daß Sie sich mit Einigen sehr verdächtigen Dingen beschäftigen. Möglicherweise unethisch. Hier bei Genetron halten wir uns an die Richtlinien, besonders im Hinblick auf unsere zukünftige Marktstellung. Aber nicht allein aus diesem Grund. Ich möchte gern glauben, daß wir hier eine ethisch einwandfreie Arbeit leisten.«

»Ich tue nichts Unethisches, Gerald.«

»So?« Harrison stoppte den Ablauf der Zeilen. »Sie entwickeln neue DNS-Ergänzungen für verschiedene NIH- gesteuerte Mikroorganismen. Und Sie haben mit Säugetierzellen gearbeitet. Wir arbeiten hier nicht an Säugetierzellen. Wir sind für die biologischen Risiken nicht ausgerüstet — nicht in den Hauptlabors. Aber ich nehme an, Sie könnten mir die Sicherheit und die unschädliche Natur Ihrer Forschung demonstrieren. Sie haben doch nicht vor, eine neue Seuche zu schaffen, um sie an die Revolutionäre in der Dritten Welt zu verkaufen, nicht wahr?«

»Nein.«

»Gut. Einiges von diesem Material entzieht sich meinem Verständnis. Man gewinnt den Eindruck, daß Sie gern unser MAB-Projekt erweitern möchten. Das könnte wertvoll sein.« Er hielt inne. »Was in Gottes Namen tun Sie eigentlich, Vergil?«

Vergil nahm die Brille ab und wischte die Gläser mit einem Zipfel seines Arbeitskittels. Plötzlich mußte er niesen — laut und naß. Er schnüffelte.

Harrison machte ein etwas angewidertes Gesicht. »Wir haben den Code erst gestern geknackt. Beinahe durch Zufall. Warum haben Sie diese Arbeit versteckt? Handelt es sich um etwas, wovon wir nichts wissen sollen?«

Ohne seine Brille sah Vergil hilflos aus. Er begann eine Antwort zu stammeln, dann brach er ab und schob das Kinn vor. Seine schwarzen Brauen zogen sich in schmerzlicher Verwirrung zusammen.

»Mir scheint, Sie haben mit unserer Genmaschine gearbeitet. Unerlaubt, versteht sich, aber Sie haben von jeher ein gebrochenes Verhältnis zur Autorität, nicht wahr?«

Vergils Gesicht überzog sich mit tiefer Röte.

»Fehlt Ihnen was?« fragte Harrison. Es bereitete ihm ein perverses Vergnügen, Vergil in Verlegenheit zu bringen. Ein Lächeln drohte Harrisons forschenden Ausdruck zu durchbrechen.

»Mir fehlt nichts«, sagte Vergil. »Ich hatte… arbeite an Biologik.«

»Biologik? Der Begriff ist mir nicht vertraut.«

»Ein Ableger der Biochips. Autonome organische Computer.« Der Gedanke, darüber hinaus etwas zu sagen, war qualvoll. Er hatte Bernard geschrieben — ohne Ergebnis, wie es schien — und ihn eingeladen, die Arbeit zu besichtigen. Er wollte nicht alles Genetron überlassen, solange in seinem Vertrag stand, daß sämtliche Ergebnisse seiner Arbeit als Angestellter der Firma zufielen. Es war eine so einfache Idee, auch wenn die Arbeit an ihrer Verwirklichung zwei Jahre erfordert hatte — zwei arbeitsreiche und geheimniskrämerische Jahre.

»Was ich gelesen habe, macht mich neugierig.« Harrison drehte das Bildschirmgerät wieder herum und ließ den Text weiterlaufen. »Wir sprechen offenbar nicht bloß über Proteine und Aminosäuren. Sie pfuschen hier mit Chromosomen herum. Mit Kombinationen und Rekombinationen von Säugetiergenen; und wie ich sehe, vermischen Sie sie mit Genen von Bakterien und Viren.« Der Glanz verlor sich aus seinen Augen. Sie wurden hart und felsgrau. »Mit diesen Dingen, Vergil, könnten Sie erreichen, daß Genetron auf der Stelle dichtmachen muß, ist Ihnen das klar? Wir haben für derlei Dinge keine Sicherheitsvorkehrungen. Und Sie arbeiten nicht einmal unter vorschriftsmäßigen Bedingungen.«

»Ich arbeite nicht mit reproduktiven Genen.«

»Gibt es andere?« Harrison richtete sich plötzlich auf, zornig, daß Vergil offenbar glaubte, ihm etwas vormachen zu können.

»Intronen. Ketten, die sich nicht nach der Proteinstruktur verschlüsseln.«

»Was soll damit sein?«

»Ich arbeite nur auf diesem Gebiet. Und mit der Hinzufügung weiteren nichtreproduktiven genetischen Materials.«

»Das hört sich sehr widersprüchlich an, Vergil. Es gibt keinerlei Beweise, daß Intronen sich nicht genetisch für etwas verschlüsseln lassen.«