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»Hör auf!« rief Edward mit überschnappender Stimme. »Was bestätigen die Proben und Namen?«

»Wie Bernard es ausdrückt, habe ich ›ernstlich vergrößerte‹ Lymphozyten. Das übrige Datenmaterial liegt noch nicht vor. Ich meine, es war erst gestern. Also handelt es sich nicht bloß um unsere gemeinsame Selbsttäuschung.«

»Was hat er vor?«

»Er will Genetron davon überzeugen, daß sie mich wieder einstellen sollen. Daß mein Labor wieder geöffnet wird.«

»Ist es das, was du willst?«

»Es ist nicht bloß die Wiedereröffnung des Labors. Laß dir zeigen. Seit ich die Bestrahlungen eingestellt habe, hat meine Haut sich wieder verändert.« Ohne vom Boden aufzustehen, schlug er den Bademantel auseinander.

Am ganzen Körper war die Haut kreuz und quer von weißen Streifen überzogen. Er wälzte sich herum, zog einen Arm aus dem Ärmel. Auf seinem Rücken begannen die Streifen schwielige Verdickungen zu bilden.

»Mein Gott«, sagte Edward.

»Ich werde außerhalb des Labors zu nicht viel taugen«, sagte Vergil. »Ich werde mich in der Öffentlichkeit nicht blicken lassen können.«

»Du… du kannst mit ihnen reden, ihnen sagen, daß sie langsamer machen sollen.« Die Worte waren ihm kaum über die Lippen gegangen, da war ihm bereits bewußt, wie lächerlich das klang.

»Ja, das kann ich wirklich, aber es bedeutet nicht, daß sie auf mich hören.«

»Ich dachte, du seist ihr Gott.«

»Diejenigen, die sich an meine Neuronen angeschlossen haben, sind nicht die großen Tiere. Sie sind Forscher, oder dienen dieser Funktion. Sie wissen, daß ich hier bin, was ich bin, aber das heißt nicht, daß sie die höheren Ebenen der Hierarchie überzeugt haben.«

»Sie diskutieren und streiten?«

»So ähnlich.« Er zog den Bademantel wieder an, stand auf und spähte durch die Gardinen aus dem Fenster, als erwarte er jemand. »Ich habe nur noch sie. Sie haben keine Angst. Edward, ich habe mich noch nie jemandem oder etwas so nahe gefühlt.« Wieder das selige Lächeln. »Ich bin verantwortlich für sie. Mutter für sie alle. Weißt du, bis vor ein paar Tagen hatte ich nicht mal einen Namen für sie. Eine Mutter sollte ihre Sprößlinge beim Namen nennen können, nicht wahr?«

Edward antwortete nicht.

»Ich habe überall nachgeschlagen, in Wörterbüchern, wissenschaftlichen Werken, überall. Dann kam es mir plötzlich in den Sinn. ›Noozyten‹. Von dem griechischen Wort für Geist, ›noos‹. Noozyten. Klingt irgendwie unheilverkündend, nicht wahr? Ich sagte es Bernard, und er schien den Namen gut zu finden…«

Edward hob die Arme und ließ sie wieder fallen. »Du hast keine Ahnung, was sie tun werden! Du sagst, sie seien wie eine Zivilisation…«

»Wie tausend Zivilisationen.«

»Ja, und man weiß, was Zivilisationen angerichtet haben. Kriegführung, die Umwelt…« Er hielt sich an Strohhalmen fest, versuchte die Panik zu unterdrücken, die seit seiner Ankunft in ihm gewachsen war. Er besaß nicht die Kompetenz, mit der Ungeheuerlichkeit dessen, was hier geschah, fertig zu werden. Und Vergil auch nicht. Vergil war der letzte, den Edward im Hinblick auf Fragen von großer Tragweite einsichtsvoll und weise genannt hätte.

»Aber ich bin der einzige, der hier Gefahr läuft«, sagte Vergil.

»Das weißt du nicht. Gott, Vergil, sieh bloß, was sie mit dir machen!«

»Ich akzeptiere es«, sagte er stoisch.

Edward schüttelte resignierend den Kopf. »Schön. Bernard bewegt Genetron, das Labor wieder zu öffnen, du ziehst ein, wirst ein Versuchskaninchen. Was dann?«

»Sie behandeln mich richtig. Ich bin schon jetzt mehr als der gute alte Vergil Ulam. Ich bin eine verdammte Über-Mutter.«

»Über-Wirt, willst du sagen.«

Vergil räumte es mit einem Achselzucken ein.

Edward fühlte eine Beengung seiner Kehle. »Ich kann dir nicht helfen. Ich kann nicht mit dir sprechen, dich überzeugen, kann nichts für dich tun. Du bist so dickköpfig wie eh und je.« Das klang beinahe wohlwollend; wie konnte »dickköpfig« eine Haltung wie Vergils beschreiben? Er versuchte, deutlich zu machen, was er meinte, konnte aber nur stammeln. »Ich muß gehen«, brachte er schließlich hervor. »Ich kann dir hier nicht helfen.«

Vergil nickte. »Das glaube ich auch nicht. Es kann nicht einfach sein.«

»Nein«, sagte Edward und schluckte. Vergil trat auf ihn zu und schien im Begriff, Edward beide Hände auf die Schultern zu legen. Edward wich instinktiv zurück.

»Wenigstens hätte ich gern dein Verständnis«, sagte Vergil und ließ die Arme sinken. »Dies ist die großartigste Sache, die ich je vollbracht habe.« Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. »Ich weiß nicht recht, wie lange ich es noch ertragen kann. Ich weiß nicht, ob sie mich umbringen werden, oder nicht. Ich glaube, sie werden es nicht tun. Aber die Anspannung, Edward…«

Edward erreichte rückwärtsgehend die Tür und legte die Hand auf die Klinke. Vergils Gesicht, vorübergehend zerquält von Sorge, kehrte zurück zu träumerischer Glückseligkeit. »He«, sagte er. »Hör nur! Sie…«

Edward öffnete die Tür, trat hinaus und schloß sie fest hinter sich. Rasch ging er zum Aufzug und drückte den Knopf für das Erdgeschoß.

Ein paar Minuten verweilte er in der leeren Eingangshalle, bemüht, sein stoßweises Atmen zur Ruhe zu bringen. Er blickte auf die Armbanduhr: neun Uhr früh.

Auf wen würde Vergil hören?

Vergil war zu Bernard gegangen; vielleicht war dieser jetzt der Angelpunkt, um den sich die ganze Situation drehte. Vergil erweckte den Anschein, als sei Bernard nicht nur überzeugt, sondern stark interessiert. Leute von Bernards Rang und Namen drängten die Vergil Ulams der Welt nicht zu Taten, wenn sie nicht spürten, daß es ihnen selbst zum Vorteil gereichte. Als Edward die gläserne Flügeltür aufstieß, beschloß er einer Vermutung zu folgen.

Vergil lag mitten im Wohnzimmer, die Arme und Beine ausgestreckt, und lachte. Dann ernüchterte und fragte er sich, welchen Eindruck er auf Edward gemacht habe, oder auf Bernard, was das anging. Nicht wichtig, befand er. Wichtig war nur, was innen vorging, im inneren Universum.

»Ich bin immer eine große Nummer gewesen«, murmelte er.

Alles

— Ja, ich bin jetzt alles.

Erkläre

— Was? Ich meine, was erklären?

Klarheiten

— Ja, ich kann mir vorstellen, daß es hart ist, aufzuwachen. Nun, ihr habt die Schwierigkeiten verdient. Die verdammte alte DNS ist endlich aufgewacht.

GESPROCHEN mit andern.

— Was?

WORTE kommunizieren mit »teilen äußere Körperstruktur« ist dies wie »Ganzheit INNEN«?

»Totalität« ist auch ÄUSSERLICH.

— Ich verstehe nicht; ihr seid nicht klar.

Stille im Innern, für wie lange? Es war schwierig, den Ablauf der Zeit zu schätzen; Stunden und Tage in Minuten und Sekunden. Die Noozyten hatten seine innere Uhr durcheinandergebracht. Und was sonst noch?

DU »Grenzfläche«

»stehst zwischen« ÄUSSERLICH und INNERLICH. Sind sie gleich?

— Innen und außen? O nein.

Sind AUSSEN »Körperstruktur« gleich?

»Ihr meint Edward, nicht? Ja, in der Tat… Wir teilen gleiche Körperstrukturen.«

EDWARD und andere Struktur INNERLICH ähnlich/gleich?

— O ja, er ist ganz das gleiche, bloß ohne euch. Nur — ja, und geht es ihr jetzt besser? Gestern abend fühlte sie sich nicht gut.

Keine Antwort auf diese Frage.

Frage

— Er hat euch nicht. Niemand sonst. Ist sie wohlauf? Wir sind die einzigen. Ich machte euch. Niemand außer uns hat euch.