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Zum Teufel mit dem obersten Stockwerk. Es lag ihr nichts mehr daran.

Der Korridor außerhalb des Vorzimmers war frei. Sie nahm das Transistorradio vom Schreibtisch der Sekretärin, die Wasserflasche und ihren Plastikbeutel mit Lebensmitteln, und machte sich eilig marschbereit, zog den Gürtel durch den Handgriff an der Flasche und hängte den Beutel über die Schulter. »Mein Gott, mein Gott«, flüsterte sie. Dann rannte sie den Korridor entlang, daß die Flasche ihr gegen den Hintern schlug und öffnete die Tür zum Treppenhaus. »Abwärts«, murmelte sie. »Abwärts, abwärts, abwärts!« Sie wollte versuchen, das Gebäude zu verlassen. Wenn es in den oberen Stockwerken solche Dinger gab, hatte sie keine andere Wahl. Ihre Turnschuhe trappelten eilig über die Stufen. Der Plastikbeutel schwang hin und her und platzte plötzlich auf, verstreute Zwieback und Schokoladeriegel und kleine Dosen und Gläser über die Treppe. Die Gläser brachen, und eine ungeöffnete Dose Pflaumenkompott rollte eine Stufe nach der anderen hinab, rollte und plumpste, rollte und plumpste.

Sie fing an, die verstreuten Dinge aufzusammeln, dann lenkte eine undeutlich wahrgenommene Bewegung ihren Blick zur Wand. Mit geweiteten Augen sah sie weißliche Fäden über eine Tür hinkriechen, während ein dunkelbraunes Laken mühsam die Seitenwand erklomm.

»Nein!« schrie sie. »Verdammt, nein! Laßt mich in Ruhe, laßt mich hinuntergehen!« Sie warf den Kopf zurück und schlug auf das Treppengeländer, bis ihre Fäuste sie schmerzten. Tränen stiegen ihr in die Augen. »Laßt mich in Ruhe!« Aber die Laken rückten vor.

Wieder hinauf. Ganz gleich, was weiter oben war, sie mußte hinauf. Sie konnte das Zeug mit einem Besenstiel abwehren, aber sie konnte nicht hindurchwaten — das wäre zuviel, und sie würde wirklich den Verstand verlieren.

Sie sammelte von ihren Lebensmitteln auf, was sie konnte und stopfte es in die Taschen. Oben im Restaurant mußte es Lebensmittel geben.

»Ich werde nicht darüber nachdenken«, sagte sie sich wieder und wieder, nicht in bezug auf das Essen, das ihr jetzt nur wenig Sorge bereitete. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was sie anfangen würde, nachdem sie es bis zum obersten Stockwerk geschafft hätte.

Das lederige braune Deckenmaterial war offensichtlich bestrebt, die ganze Stadt zu überziehen, bis hin zu den oberen Geschossen des World Trade Centers.

Und das würde für Suzy McKenzie sehr wenig Raum übrig lassen.

31

April Ulam beschirmte die Augen, um in den Sonnenaufgang zu sehen. Die Windmühlen von Tracy standen in dünnen Silhouetten vor dem gelb verfärbten Himmel. Die Propeller drehten sich im Wind und versorgten die verlassene Tankstelle, wo die Zwillinge den Lastwagen aufgetankt hatten, mit Strom. Sie blickte zu John und nickte wie in stummer Übereinstimmung: ja, wahrhaftig. Ein weiterer Tag. Dann ging sie zurück in den kleinen Lebensmittelladen, Jerrys Suche nach Proviant zu überwachen.

Sie war viel zäher, als sie aussah, dachte John. Verrückt oder nicht, sie hatte die Brüder in ihren Bann geschlagen. Sie hatten die Nacht erschöpft in der Tankstelle verbracht, nachdem sie von Livermore weniger als dreißig Kilometer gefahren waren. Sie hatten sich schließlich für die Route durch das zentralkalifornische Tal entschieden. April hatte es vorgeschlagen; sie dachte, es sei am besten, die einst dicht bevölkerten Gegenden zu meiden. »Nach allem zu urteilen, was in Livermore geschah«, hatte sie gesagt, »kann es nicht in unserem Interesse liegen, in San Jose oder sonstwo steckenzubleiben.«

Die Richtung, die sie genommen hatten, würde sie freilich unausweichlich nach Los Angeles führen und zwingen, die Stadt zu durchfahren oder einen Weg außen herum zu finden, aber John hatte das nicht erwähnt.

Wenigstens gab sie ihnen eine Richtung. Es hatte keinen Sinn zu kritisieren, denn ohne sie würden sie noch immer in Livermore sein und so oder so verrückt werden — wahrscheinlich auf gewalttätige Art und Weise. John ging um den Lastwagen herum, die Hände in den Taschen und blickte zu Boden.

Sie würden alle sterben.

Ihm war es gleich. Am vergangenen Abend war er sehr, sehr müde geworden — müde in einer Weise, die Schlaf nicht heilen konnte. Er merkte, daß Jerry genauso zumute war. Sollte die verrückte Frau sie nur an der Nase herumführen. Wen kümmerte es?

Los Angeles mochte interessant sein. Er bezweifelte, daß sie jemals bis La Jolla kommen würden.

Jerry und April kamen mit Einkaufstüten in beiden Armen aus dem Laden. Sie lehnten die Tüten auf der Ladefläche gegen die Wand, und Jerry zog eine abgenutzte Landkarte aus dem Handschuhfach des Lastwagens.

»Auf der 580 südwärts bis zur Bundesstraße 5«, sagte er. John kletterte hinter das Lenkrad, und sie rumpelten weiter die Straße entlang.

Die Fernstraße war größtenteils frei von Fahrzeugen. Aber in weiten Abständen passierten sie verlassene oder zumindest leere Lastwagen, Personenwagen und sogar einen Bus der Luftwaffe am Straßenrand. Sie hielten nicht an, um Nachforschungen anzustellen.

Die Straßendecke war trocken und sauber, und sie kamen schnell voran. Die Hügel um die Wasserspeicher von San Luis und Los Baños hätten grün von den Winterregen sein sollen, waren aber von einem matten Grau, als hätten sie vor Aufbringung einer neuen Farbe eine Grundierung erhalten. Die Wasserspeicher selbst waren tiefgrün und still wie Glas. Nirgendwo waren Vögel oder Insekten sichtbar. April betrachtete all dies mit schicksalergebenem Stolz; mein Sohn hat das zuwege gebracht, schien sie zu denken, und obschon sie die Stirn runzelte, als sie an den Stauseen vorüberfuhren, schien sie im großen und ganzen nicht zu mißbilligen, was sie sah.

Jerry war von ihr zugleich gefesselt und eingeschüchtert, und so mochte er nichts sagen. John spürte jedoch sein Unbehagen.

Die Felder zu beiden Seiten der Bundesstraße 5 waren bedeckt mit moosigen braunen Laken, die wie Plastikfolie in der Sonne glänzten. »All die Bäume und Feldfrüchte«, sagte April kopfschüttelnd. »Was mag mit der Ernte geschehen sein?«

»Ich weiß es nicht, Madam«, sagte Jerry. »Ich besprühe die Felder bloß, ich bestelle sie nicht.«

»Nicht bloß die Menschen. Es hat alles überwältigt.« Sie lächelte sinnend. »Der arme Vergil. Hatte keine Ahnung.«

Bei einem Rasthaus neben der Straße machten sie Pause. Die Türen standen offen, und hinter der Kasse und im angeschlossenen Laden lagen ein paar Haufen Kleider, aber das Gebäude war offenbar ungestört und unverändert. Als sie nebeneinander im Pissoir standen, sagte John zu seinen Bruder: »Ich glaube ihr.«

»Warum?«

»Weil sie so sicher ist.«

»Soll das ein Grund sein?«

»Und sie lügt nicht.«

»Das vielleicht nicht, aber sie hat einen Dachschaden.«

»Glaube ich nicht.«

Jerry zog den Reißverschluß hoch und sagte: »Sie ist eine Hexe, John.«

John mochte nicht widersprechen.

Das gleichförmige, braun überzogene Farmland wechselte allmählich Farbe und Charakter, als sie sich der Abzweigung Lost Hills näherten. Mehr nackte Erde erschien, staubig und leblos aussehend. In der Ferne trieb der Wind Staubwolken über das Land, als ob unsichtbare Dienstmädchen nach einer ausgelassenen Feier mit Ausfegen beschäftigt wären. »Was ist bloß aus der, Ernte geworden?« wunderte sich April.

Jerry schüttelte den Kopf. Er wußte es nicht und wollte es nicht wissen.

John blinzelte in den staubigen Dunst voraus und trat auf die Bremse, schaltete gleichzeitig herunter. Dann trat er mit aller Macht auf das Bremspedal, und der Lastwagen brach mit quietschenden Reifen aus. Jerry fluchte, und April klammerte sich grimmig an den Fensterrahmen.

Der Lastwagen kam um hundertachtzig Grad gedreht am Straßenrand zum Stillstand. John wendete und schaltete den Leerlauf ein.