Выбрать главу

»Dann bin ich jetzt auch krank, nicht wahr?« fragte Suzy.

»Es gibt so viele von ihnen«, sagte Howard mit einer alles umfassenden Armbewegung zum Aussichtsfenster, »daß du alle Sandkörner auf Erden und jeden Stern am Himmel zählen könntest, ohne ihre Zahl zu erreichen.«

»Nun hör gut zu!« sagte Kenneth und beugte sich zu seiner Schwester nieder. »Du hörst immer auf mich, nicht wahr, Sämling?«

Sie nickte wie ein Kind, langsam und besonnen.

»Sie wollen nicht verletzen, oder töten. Sie brauchen uns. Wir sind ein kleiner Teil von ihnen, aber sie brauchen uns.«

»Ja?«

»Sie lieben uns«, sagte ihre Mutter. »Sie sagen, sie kommen von uns und lieben uns wie… wie du deine Wiege liebst, die im Keller.«

»Wie wir Mama lieben«, sagte Kenneth. Howard nickte feierlich.

»Und nun geben sie dir die Wahl.«

»Was für eine Wahl?« fragte Suzy. »Sie sind schon in mir.«

»Die Wahl, ob du weitermachen möchtest, wie du bist, oder ob du dich zugesellen willst.«

»Aber ihr seid jetzt wieder wie ich.«

Kenneth kniete neben ihr nieder. »Wir möchten dir gern zeigen, wie es ist, wie sie sind.«

»Ihr habt eine Gehirnwäsche bekommen«, sagte sie. »Ich möchte lebendig sein.«

»Mit ihnen sind wir noch weit mehr lebendig«, sagte ihre Mutter. »Kindchen, wir haben keine Gehirnwäsche bekommen, wir sind überzeugt. Anfangs haben wir Schlimmes durchgemacht, aber das ist jetzt nicht mehr notwendig. Sie zerstören nichts. Sie können alles in sich bewahren, in der Erinnerung, aber es ist viel besser als Erinnerung…«

»Weil du dich selbst hineindenken und dort sein kannst, genauso wie es war…«

»Oder sein wird«, ergänzte Howard.

»Ich weiß noch immer nicht, was ihr meint. Sie wollen, daß ich meinen Körper aufgebe? Sie werden mich umwandeln, wie sie euch umwandelten, wie sie die ganze Stadt umwandelten!«

»Wenn du bei ihnen bist, wirst du deinen Körper nicht mehr brauchen«, sagte ihre Mutter. Suzy schaute sie entsetzt an. »Suzy, Kindchen, wir haben es mitgemacht. Wir wissen Bescheid.«

»Ihr redet wie diese Leute von der Mun-Sekte«, sagte Suzy. »Ihr habt mich immer gewarnt, daß die Mun-Leute und andere Jugendsekten mich übervorteilen und ausnutzen würden. Nun kommt ihr und wollt mir eine Gehirnwäsche machen. Ihr füttert mich und macht es mir angenehm, und ich weiß nicht mal, ob ihr meine Mutter und Brüder seid.«

»Du kannst so bleiben wie du bist, wenn du das willst«, sagte Kenneth. »Sie dachten bloß, du würdest gern mehr darüber wissen. Es gibt eine Alternative zu Alleinsein und Angst.«

»Werden sie meinen Körper verlassen?« fragte sie und hielt die Hand hoch.

»Wenn es das ist, was du willst«, sagte ihre Mutter.

»Ich möchte lebendig sein, nicht ein Geist.«

»Ist das deine Entscheidung?« fragte Kenneth.

»Ja«, sagte sie mit Entschiedenheit.

»Möchtest du, daß auch wir gehen?«

Sie spürte wieder die aufkommenden Tränen und griff nach der Hand der Mutter. »Ich bin verwirrt«, sagte sie. »Ihr würdet mich nicht belügen, nicht wahr? Ihr seid wirklich Mutter und Kenny und Howard?«

Sie nickten. »Nur besser«, fügte Howard hinzu. »Hör zu, Schwesterchen! Ich hatte die Weisheit wirklich nicht mit Löffeln gegessen, nicht wahr? Ich war vielleicht gutmütig, aber manchmal doch ein rechter Klotz. Doch als sie in mich kamen…«

»Wer sind sie?«

»Sie kamen von uns«, sagte Kenneth. »Sie sind wie unsere eigenen Zellen, nicht wie eine Krankheit.«

»Sie sind Zellen?« Sie dachte an die klumpigen Dinger — die Namen hatte sie vergessen —, die sie in der Schule unter dem Mikroskop gesehen hatte. Das machte ihr noch mehr Angst.

Howard nickte. »Und klug. Als sie in mich kamen, fühlte ich mich so stark — im Geist. Ich konnte denken und mich an alles mögliche erinnern, sogar Ereignisse, die ich gar nicht erlebt hatte. Es war, als unterhielte ich mich am Telefon mit Tausenden von klugen Leuten, allesamt gute Freunde, zur Zusammenarbeit geneigt…«

»Meistens«, sagte Kenneth.

»Na ja, sie streiten manchmal, und wir streiten auch. Es ist nicht alles eitel Sonnenschein. Aber niemand haßt den anderen, weil wir alle hunderttausendfach, vielleicht millionenfach dupliziert sind. Weißt du, wie im Kopiergerät. Über das ganze Land verteilt. Sollte ich hier und jetzt sterben, so gibt es Hunderte von anderen, die auf mich eingestimmt sind, bereit, ich zu werden, und so sterbe ich nicht. Ich verliere bloß dieses bestimmte Ich. Dafür kann ich mich auf alle anderen einstimmen, und ich kann überall sein, und es wird unmöglich — zu sterben.«

Suzy hatte aufgehört zu essen. Nun ließ sie das Herumstochern mit der Gabel sein und legte sie aus der Hand. »Das ist jetzt zu schwer für mich«, sagte sie. »Ich möchte wissen, warum ich nicht auch krank wurde.«

»Laß sie diesmal antworten«, sagte ihre Mutter. »Du brauchst ihnen bloß zuzuhören.«

Suzy schloß die Augen.

Verschiedene Leute

manche wie du

starben/Unheil/Ende

beiseitegelegt, konserviert

wie Nationalparks

diese Leute/du

zu lernen.

Die Worte formten sich nicht bloß in ihrem Bewußtsein. Sie waren begleitet von einer klaren, lebhaften Serie visueller und sinnlich wahrgenommener Reisen über weite geistige und physikalische Entfernungen. Sie wurde sich der Unterschiede zwischen Zellintelligenz und ihrer eigenen bewußt, der verschiedenen, nun zusehends integrierten Erfahrungen; sie kam in Berührung mit den Gestalten und Gedanken vom Menschen, die in die Zellerinnerungen eingegangen waren; sie gewann sogar den Eindruck, daß die Erinnerungen jener, die vor der Absorption gestorben waren, teilweise in den Zellen überdauert hatten. Sie hatte niemals eine derartige Vielfalt gesehen, gefühlt, geschmeckt.

Suzy schlug die Augen auf. Sie war schon nicht mehr dieselbe. Etwas in ihr war überbrückt worden — der Teil, der sie langsam machte. Sie war jetzt nicht mehr so langsam, nicht durchgängig.

»Siehst du, wie es ist?« fragte Howard.

»Ich werde darüber nachdenken«, sagte sie und schob den Stuhl vom Tisch zurück. »Sagt ihnen, sie sollen mich in Ruhe lassen und mich nicht krank machen!«

»Du hast es ihnen bereits gesagt«, erwiderte ihre Mutter.

»Ich brauche einfach Zeit«, sagte Suzy.

»Kindchen, wenn du willst, kannst du alle Zeiten der Welt haben.«

39

Bernard treibt in seinem eigenen Blut dahin, ungewiß, mit wem er kommuniziert. Die Kommunikation wird von Geißeltierchen durch den Blutstrom aufwärts getragen, angepaßten Protozoen, die im Serum hohe Geschwindigkeit erreichen können. Seine Antworten kehren auf dem gleichen Weg zurück, oder werden einfach in den Blutstrom geworfen.

Alles ist Information, oder Mangel an Information.

— Wie viele von mir gibt es?

Diese Zahl wird sich immer verändern. Mittlerweile vielleicht eine Million.

— Werde ich sie treffen? Sie integrieren oder in sie integriert werden?

Keine Gruppe hat die Fähigkeit, die Erfahrungen aller gleichartigen Gruppen zu absorbieren. Das muß den Befehlsgruppen vorbehalten werden. Nicht alle Information ist zu jeder gegebenen Zeit gleich nützlich.

— Aber keine Information geht verloren?

Information geht immer verloren. Das ist das Ringen. Aber keiner Gruppe Gesamtstruktur geht je verloren. Es gibt stets Verdoppelungen.