Выбрать главу

Bernard grübelt über die Frage nach.

Wir haben Erinnerung an die SENDUNGEN.

— Dann laßt sie mich hören!

Er kann von Vorbeigang eines Flagellaten schmecken, der den Boten der Befehlsgruppe abfängt und mit einem Datenpaket zurückkehrt. Bernards Gruppe absorbiert das Material.

Er »hört« die Sendungen jetzt im Gedächtnis. Sie sind nicht von bester Empfangsqualität, und die meisten kommen in deutscher Sprache, die er nur mangelhaft versteht. Aber er kann genug aufnehmen, um zu verstehen, warum Paulsen- Fuchs in letzter Zeit merklich schlechter und erschöpfter ausgesehen hat.

Das Pharmek-Gelände ist umgeben von einer riesigen Zelt- und Hüttenstadt protestierender Menschen. Bis zum Flugplatz hinaus ist das Land mit ihnen übersät; die Zahl der Protestierenden beträgt schätzungsweise eine halbe Million, und jeden Tag treffen weitere mit Bussen, Automobilen oder zu Fuß ein. Militär und Polizei beschränken sich auf die Abriegelung des Pharmek-Geländes und die Bewachung der Zufahrtstraßen. Die politische Führung wagt nicht gegen die Demonstranten vorzugehen; die Stimmung in ganz Deutschland und in den meisten Ländern Europas ist sehr explosiv.

— Ich habe keine Macht, sie zurückzuhalten.

ÜBERREDUNG?

Wieder schmunzelt Bernard innerlich. — Nein, ich bin der, den sie vernichtet sehen wollen. Und ihr seid es.

Du bist in deinem Bereich viel weniger einflußreich, als wir es hier sind.

— O ja, natürlich.

Längere Zeit kommen keine Botschaften von der Befehlsgruppe.

Dann:

Es ist sogar noch weniger Zeit. Wir übertragen dich jetzt.

Er spürt eine subtile Veränderung in der Stimme, als er von Flagellaten aus der Befehlsgruppe entfernt wird. Folge. Er bemerkt, daß eine Anzahl kleinerer Gruppen sich von der Befehlsgruppe gelöst hat. Sie kommunizieren mit ihm, und ihre Stimme kommt ihm seltsam vertraut vor, unmittelbarer und zugänglicher.

— Wer führt mich?

Die Antwort ist chemisch. Ein Flagellat bringt ihm eine identifizierende Kette, und auf einmal weiß er, daß er von vier Gruppen primärer B-Lymphozyten geführt wird, den frühesten Versionen von Noozyten. Primäre B-Lymphozyten haben einen Platz in den meisten Befehlsgruppen und werden mit großem Respekt behandelt; sie sind die Vorläufer, obgleich ihre Aktivitäten begrenzt sind. Sie sind in beiden Bedeutungen des Wortes primitiv: in Entwurf und Funktion weniger vervollkommnet als die in jüngerer Zeit geschaffenen Noozyten, und die Vorfahren von allen.

DU MAGST DAS GEDANKENUNIVERSUM BETRETEN.

Die Stimme schwindet und kommt wieder, wie bei schlechtem Senderempfang. Bruchstückhaft, unvollständig.

* * *

Die Empfindung, in einer Noozytenansammlung zu sein, fand ein abruptes Ende. Jetzt war Bernard weder verkörpert noch auf den Maßstab der Noozyten geschrumpft. Seine Gedanken waren einfach, und der Ort, wo sie waren, war außerordentlich schön.

Wenn es eine Verlängerung im Raum gab, war sie illusorisch. Dimensionen schienen vom Gegenstand definiert zu sein; Information, die für sein gegenwärtiges Denken bedeutsam war, befand sich in der Nähe, andere Gegenstände waren weiter entfernt. Der Gesamteindruck war der einer ungeheuren, vielschichtigen Bibliothek, die in einer Sphäre um ihn angeordnet war. Er teilte dieses Zentrum mit einer anderen Gegenwart.

Menschen, menschliche Form, sagte die Gegenwart. Ein Hasten und Jagen von Informationen umgab Bernard, verlieh ihm Arme, Beine, einen Körper und ein Gesicht. Neben ihm, scheinbar in einem Liegestuhl ruhend, war ein undeutliches, nebelhaftes Abbild von Vergil Ulam. Ulam lächelte wenig überzeugend.

»Ich bin Ihr zellularer Vergil Ulam. Willkommen im inneren Kreis der Befehlsgruppen.«

»Sie sind tot«, sagte Bernard. Seine Stimme war eine unvollkommene Annäherung.

»Das hörte ich.«

»Wo sind wir?«

»Wenn ich die beschreibende Kette der Noozyten vereinfacht übersetze, dann befinden wir uns in einem Gedankenuniversum. Ich nenne es eine Noosphäre. Hier drin wird alles, was wir erleben, durch Denken erzeugt. Wir können sein, was wir wollen, können lernen, was uns gefällt, können über alles in der Welt nachdenken. Wir sind nicht eingeschränkt durch fehlendes Wissen oder mangelnde Erfahrung; alles steht zu unserer Verfügung und kann zu uns gebracht werden. Wenn ich nicht von den Befehlsgruppen gebraucht werde, verbringe ich den größten Teil meiner Zeit hier.«

Ein Dodekaeder aus Granit, dessen Kanten mit goldenen Stäben geschmückt waren, bildete sich zwischen ihnen. Eine Weile kollerte er hierhin und dorthin, dann wandte er sich an Vergils blasse, geisterhafte Gestalt. Bernard verstand nichts von der Kommunikation. Der Dodekaeder verschwand.

»Wir alle nehmen hier charakteristische Formen an, und die meisten von uns fügen Strukturen und Einzelheiten hinzu. Noozyten haben keinen Namen, Mr. Bernard. Sie haben Sequenzen identifizierender Aminosäuren, die von Codonen aus den Intronen ribosomer RNS ausgewählt werden. Hört sich kompliziert an, ist tatsächlich aber viel einfacher als ein Fingerabdruck. In der Noosphäre müssen alle aktiven Forscher deutlich identifizierende Symbole haben.«

Bernard versuchte, Spuren des Vergil Ulam zu finden, dem er begegnet und mit dem er einen Händedruck ausgetauscht hatte. Viele schien es nicht zu geben. Selbst der Stimme fehlte der Akzent und die leichte Atemlosigkeit, an die er sich erinnerte. »Es gibt hier nicht sehr viel von Ihnen, nicht wahr?«

Vergils Gespenst schüttelte den Kopf. »Nicht alles von mir war auf die Noozytenebene übersetzt, bevor meine Zellen Sie infizierten. Ich hoffe, es gibt irgendwo eine bessere Aufzeichnung. Diese ist kaum hinreichend. Ich bin nur zu etwa einem Drittel hier. Was hier ist, wird jedoch geliebt und beschützt. Die Gestalt des geehrten Urahnen, vage Erinnerung an den Schöpfer.« Seine Stimme litt unter Schwunderscheinungen, blieb ganz aus oder kam verzerrt. Das Abbild schien fast unbeweglich zu sein. »Die Hoffnung ist, daß sie mit Noozyten daheim Verbindung aufnehmen und mehr von mir finden werden. Nicht bloß Bruchstücke einer zerschlagenen Vase.«

Das Bild wurde noch durchsichtiger. »Muß jetzt gehen. Ergänzungen kommen. Ein Teil von mir ist immer hier anzutreffen; Sie und ich, wir sind die Modelle. Ich vermute, Sie haben jetzt den Vorrang. Bis später.«

Bernard stand allein in der Noosphäre, inmitten von Optionen, von denen er kaum Gebrauch zu machen wußte. Er streckte die Hand zur umgebenden Information aus. Sie flimmerte ringsumher, Lichtwellen, die sich vom Nadir zum Zenit ausbreiteten. Reihen von Information wechselten die Prioritäten, und seine Erinnerungen waren wie Kartenhäuser um ihn aufgestapelt, jedes dargestellt durch eine Lichtlinie.

Die Linien vereinigten sich in einer Lichtkaskade.

Er hatte gedacht.

* * *

»Für dich bloß ein Tag wie jeder andere, nicht?« sagte Nadia, wandte sich um und trat anmutig auf die Rolltreppe des Gerichtsgebäudes.

»Nicht der angenehmste«, sagte er. Sie wurden abwärts getragen.

»Ja doch, ein Tag wie jeder andere.« Sie duftete nach Teerosen und etwas anderem, das er mit Reinlichkeit gleichsetzte. Sie war in seinen Augen immer schön gewesen, und unzweifelhaft auch in den Augen anderer: zierlich, schlank, schwarzhaarig, zog sie nicht sofort die Blicke auf sich, aber ein paar Minuten allein in einem Raum mit ihr beseitigten jeden Zweifeclass="underline" die meisten Männer würden mit Freuden viele Stunden, Tage, Monate mit ihr verbringen.

Aber nicht Jahre. Nadia war rasch gelangweilt, selbst Michael Bernard machte da keine Ausnahme.

»Also zurück zum Geschäft«, sagte sie und auf halbem Weg nach unten. »Mehr Interviews.«

Er antwortete nicht. Wenn Nadia sich langweilte, wurde sie bissig.