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Aber das war nicht alles. Vivian lehrte ihn das Lachen, wenn sie ihn nicht überhaupt erst zum Leben erweckte. Sie machte sich über ihn lustig, weil er so schüchtern und unbeholfen war, und er betete sie dafür an. Sooft Vivian es nur zuließ, war er bei ihr. Wenn er mit ihr auf einer Party auftauchte, stand sie stets im Mittelpunkt des Interesses. Alec war stolz darauf, gleichzeitig aber eifersüchtig auf die jungen Männer, die sich um sie scharten, und im tiefsten Inneren konnte er sich die Frage nicht verkneifen, mit wie vielen von ihnen sie wohl schon im Bett gewesen war.

An Abenden, wenn Vivian eine andere Verabredung und keine Zeit für ihn hatte, war er rasend vor Eifersucht. Dann fuhr er zu ihrer Wohnung, parkte den Wagen an der nächsten Ecke und hielt Wache: wann sie nach Hause kam und mit wem. Dabei wusste er, dass er sich wie ein Idiot benahm, doch er konnte nicht anders. Alec befand sich im Würgegriff einer Leidenschaft, der er sich nicht entziehen konnte.

Im Grunde war ihm sehr wohl klar, dass Vivian nicht die Richtige für ihn war. Eine Ehe mit ihr kam überhaupt nicht in Frage. Schließlich war er ein Baronet, geachtetes Mitglied des Parlaments und hatte eine glänzende Zukunft vor sich. Er gehörte zur Dynastie der Roffes, saß im Direktorium des Konzerns. Vivian dagegen hatte nichts aufzuweisen, das sie für Sir Alecs Welt hätte akzeptabel machen können. Vater und Mutter waren zweitklassige Musical-Hall-Artisten gewesen, ständig auf Tournee in der tiefsten Provinz. Ihre Erziehung hatte Vivian auf der Straße aufgeschnappt, bestenfalls hinter der Bühne. Alec wusste, sie war oberflächlich und nahm es mit der Treue keineswegs genau. Eine gewisse Schläue wohnte ihr durchaus inne, von Intelligenz war dagegen kaum zu reden. Trotzdem war Alec von ihr besessen. Er kämpfte dagegen an, versuchte, den Stelldicheins mit ihr zu entsagen, aber es hatte keinen Zweck. Die Sache verhielt sich einfach so: War er mit ihr zusammen, lebte er auf, war er fern von ihr, fühlte er sich miserabel. Am Ende machte er ihr einen Heiratsantrag; es trieb ihn, er war machtlos dagegen. Und als sie einwilligte, schwelgte Alec in Ekstase.

Die junge Braut zog zu ihm ins Familienheim, ein schönes altes Gebäude in Gloucestershire, erbaut von Robert Adam, mit delphischen Säulen und einer großen Auffahrt. Das Haus stand inmitten von hundert Morgen saftigen Weide- und Ackerlandes, mit Privatjagd und fischreichen kleinen Flüssen. Hinter dem Haus erstreckte sich ein herrlicher, kunstvoll angelegter Park.

Auch das Innere konnte sich sehen lassen. Die weite Eingangshalle hatte einen Marmorfußboden und Wände aus gefirnisstem Holz. Alte Standlaternen, Marmortische und Stühle aus Mahagoni luden zum Verweilen ein. Die Bibliothek hatte eingebaute Bücherregale, original aus dem achtzehnten Jahrhundert, zwei Piedestal-Tische, entworfen von Henry Holland, sowie Stühle von Thomas Hope. Der Salon war eine Mischung aus Hepplewhite und Chippendale, dazu ein Wilton-Teppich und zwei Glaslüster von Waterford. Der gewaltige Speisesaal bot vierzig Gästen Platz, die sich nach dem Mahl im Rauchsalon ergehen konnten. Im ersten Stock gab es sechs Schlafzimmer, jedes mit einem echten AdamKamin, und im Geschoß darüber wohnte die Dienerschaft.

Nach sechs Wochen sagte Vivian: »Lass uns aus diesem Schuppen verduften, Alec.«

Er sah sie erstaunt an. »Du meinst, du möchtest gern für ein paar Tage nach London fahren?«

»Ich meine, ich will wieder ganz nach London ziehen.« Alec sah aus dem Fenster. Sein Blick fiel auf die sattgrünen Wiesen, wo er als Kind gespielt hatte, auf die riesigen Eichen und Platanen. Zögernd sagte er: »Vivian, sieh doch mal, wie friedlich das hier ist, so herrlich ruhig, ich -«

»Gerade die verdammte Ruhe raubt mir den letzten Nerv.« Eine Woche später erfolgte der Umzug nach London.

Alec besaß ein äußerst elegantes viergeschossiges Stadthaus in Wilton Crescent, in der Nähe von Knightsbridge. Dort konnte er sich in einem hübschen Salon niederlassen, stand ihm ein großes Studierzimmer zur Verfügung, ein noch geräumigerer Speisesaal und nach hinten ein Panoramafenster mit Blick auf eine Grotte, einen kleinen Wasserfall, Skulpturen und weißgetünchte Bänke inmitten eines liebevoll angelegten Kunstgartens. Im ersten Stock lagen ein hochherrschaftliches Schlafgemach und vier kleinere Schlafzimmer.

Zwei Wochen lang teilten Vivian und Alec das Ehebett. Eines Morgens meinte Vivian: »Alec, ich liebe dich, aber du schnarchst, wie du weißt.« Alec hatte mitnichten davon gewusst. »Ich muss wirklich allein schlafen, Schatz. Du hast doch nichts dagegen, oder?«

Alec hatte sehr viel dagegen. Für ihn war es das höchste Glück, mit ihr im Bett zu liegen und ihren warmen Körper zu fühlen. Tief im Inneren wusste er aber auch, dass er nicht in der Lage war, sie sexuell zu stimulieren, so wie es andere Männer konnten. Und das war der eigentliche Grund, warum sie ihn nicht bei sich im Bett haben wollte. Also sagte er: »Natürlich nicht, Darling. Ich verstehe dich voll und ganz.«

Er bestand darauf, dass Vivian das große Schlafzimmer behielt. Er selbst bezog eines der kleineren Gästezimmer.

Anfangs war Vivian regelmäßig ins Unterhaus gegangen und hatte auf der Besuchertribüne gesessen, wenn Sir Alec auf der Rednerliste stand. Er sah zu ihr hinauf, und tiefer Stolz erfüllte ihn. Kein Zweifel, sie war wirklich die schönste Frau im ganzen Parlament. Dann kam der Tag, als Alec nach Beendigung seiner Rede wieder einmal Vivians Blick und ihre Anerkennung suchte und feststellen musste, dass ihr Platz auf der Galerie leer war.

Alec gab sich selbst die Schuld an Vivians Rastlosigkeit. Seine Freunde waren viel älter als die ihren und für sie zu konservativ. Er ermutigte sie, gleichaltrige Kameraden nach Hause einzuladen, zusammen mit seinen Bekannten. Das Ergebnis war katastrophal.

Wenn Vivian nur ein Kind bekäme, sagte sich Alec immer wieder, würde sie zur Ruhe kommen, sich wahrscheinlich ändern. Doch eines Tages zog sie sich eine Vagina-Infektion zu - Alec konnte den Gedanken, wie und wo sie sich das geholt haben könnte, nicht ertragen - und musste sich die Gebärmutter entfernen lassen. Alec hatte sich so sehr einen Sohn gewünscht. Die Umstände nahmen ihn stark mit, doch Vivian zeigte sich unbekümmert.

»Keine Sorge, Schätzchen«, war ihr Kommentar. »Das Baby-Labor haben die rausgeholt, aber mit der Spielwiese ist nichts passiert.«

Er sah sie lange an, drehte sich dann wortlos um und ging.

Vivian liebte Einkaufsorgien. Wahllos und ohne Hemmungen warf sie das Geld für Kleider, Juwelen, Autos hinaus, und Alec hatte nicht das Herz, dem Einhalt zu gebieten. War sie nicht in Armut aufgewachsen? sagte er sich. Daher der verständliche Hunger nach schönen Dingen. Er wollte ihr die Welt zu Füßen legen. Zu seinem Unglück konnte er sich die Welt nicht leisten. Die Steuern fraßen sein Einkommen auf. Sein Vermögen war festgelegt: in den unveräußerbaren Anteilen an Roffe und Söhne. Er versuchte, Vivian das klarzumachen, aber sie hörte gar nicht zu. Für sie gab es nichts Langweiligeres als Reden über Geschäfte. Also ließ Alec sie gewähren.