Выбрать главу

Das kurze Abenteuer entpuppte sich als eine Katastrophe. Elizabeth war so nervös und Wassilow, der Maler, so betrunken, dass es eine riesige Enttäuschung wurde. Das Vorspiel erschöpfte sich darin, dass Wassilow die Hosen fallen ließ und ins Bett plumpste. Da war Elizabeth bereits kurz davor, die Flucht zu ergreifen, aber sie bezwang sich. Schließlich musste Rhys für seine Untreue bestraft werden. Also zog sie sich aus und kroch in des Künstlers Bett. Im nächsten Moment, ohne dass Zärtlichkeiten vorausgingen, drang Wassilow in sie ein.

Ein merkwürdiges Gefühl beschlich Elizabeth. Nicht gerade unangenehm, doch sie konnte beim besten Willen auch nicht behaupten, die Erde hätte gebebt. Wassilows Körper zuckte ein paarmal schnell hintereinander, und Sekunden später war sein lautes Schnarchen zu hören. Da lag sie nun, von tiefer Selbstverachtung ergriffen. Das war es also, wovon die Lieder, Bücher und Gedichte handelten. Sie musste an Rhys denken und hätte am liebsten geheult. Leise zog sie sich an und ging nach Hause. Als der Maler sie am nächsten Morgen anrief, ließ Elizabeth ausrichten, sie sei nicht da. Am darauffolgenden Tag musste sie ins Internat zurück.

Sie flog mit dem konzerneigenen Flugzeug in die Schweiz. Auch ihr Vater und Rhys Williams waren an Bord. Die Maschine, eine normale Ausführung und für den Transport von hundert Passagieren geeignet, war in einen Luxuskreuzer verwandelt worden. Im Heck lagen zwei große, elegant ausgestattete Schlafzimmer, komplett mit Bädern, im Mittelteil Büro und behaglicher Wohnraum mit Gemälden an den Wänden, schließlich im Bug, hinter dem Cockpit, eine Bordküche mit allen Schikanen. Für Elizabeth war dieses Flugzeug der fliegende Teppich ihres Vaters.

Die meiste Zeit unterhielten sich die beiden Männer über Geschäfte. Als Rhys Zeit hatte, spielte er mit Elizabeth eine Partie Schach. Sie rang ihm ein Unentschieden ab, und er lobte ihre Klugheit. Sie errötete vor Freude.

Wie im Flug vergingen die letzten Schulmonate. Langsam wurde es für Elizabeth Zeit, an die Zukunft zu denken. Ihr fiel Rhys’ Frage ein: Wissen Sie schon, was Sie machen wollen? Sie war sich noch nicht im klaren. Der alte Samuel hatte es fertiggebracht, dass sie das Familienunternehmen faszinierte. Sie wusste jetzt, sie würde gern darin mitarbeiten. Aber wie das bewerkstelligen? Zu Beginn konnte sie vielleicht ihrem Vater assistieren. Ihr fielen all die Geschichten über ihre Mutter ein, was für eine hervorragende Gastgeberin sie gewesen war und wie Sam nicht mehr auf sie verzichten konnte. Ja, sie würde versuchen, den Platz ihrer Mutter einzunehmen. Ein Anfang war es auf jeden Fall.

14. Kapitel

Mit der freien Hand kniff der schwedische Botschafter Elizabeth sanft ins Hinterteil. Sie tanzten über das Parkett, und Elizabeth versuchte, den Annäherungsversuch zu ignorieren. Ihrem Lächeln war nichts anzumerken. Ihr erfahrener Blick nahm das glanzvolle Treiben um sie herum wahr, die elegant gekleideten Gäste, das Orchester, Diener in Livree, das Büffet, beladen mit exotischen Köstlichkeiten und erlesenen Weinen. Zufrieden stellte sie fest: eine gelungene Party.

Schauplatz war der Ballsaal ihres Hauses auf Long Island, zweihundert Gäste, jeder einzelne wichtig für Roffe und Söhne. Elizabeths Tanzpartner machte sich wieder bemerkbar: Der schwedische Botschafter presste seine elegante Gestalt immer fester an ihren Körper, jetzt ganz eindeutig auf Eroberung aus. Als nächstes fühlte sie seine Zungenspitze in ihrem Ohr und vernahm sein Flüstern: »Sie sind eine wundervolle Tänzerin -«

»Und Sie sind auch nicht ohne«, gab Elizabeth zurück. Im selben Moment improvisierte sie einen tänzerischen Fehltritt, und ihr spitzer Absatz landete auf dem großen Zeh des Botschafters. Der stieß einen kleinen Schmerzensschrei aus. Elizabeth war die leibhaftige Reue. »Es tut mir so leid, Exzellenz! Lassen Sie mich Ihnen einen Drink besorgen.«

Schon war sie in Richtung Bar entschwunden. Gewandt schlängelte sie sich durch die Schar der Gäste, ließ ihre Blicke zugleich über den ganzen Ballsaal schweifen, um festzustellen, ob auch alles perfekt war.

Perfektion - das war es, was ihr Vater verlangte. Mittlerweile hatte Elizabeth auf mindestens hundert Partys für ihren Vater die Honneurs gemacht, aber immer noch nicht gelernt, die Dinge auf sich zukommen und an sich vorbeirauschen zu lassen. Jeder Empfang war ein Ereignis, eine Premiere, bei der hunderterlei schiefgehen konnte. Trotzdem war sie nie so glücklich gewesen. Ihre Mädchenträume hatten sich erfüllt: Sie befand sich in der Nähe ihres Vaters, er wollte sie um sich haben, brauchte sie. Sie hatte sich an den Umstand gewöhnt, dass seine Bedürfnisse ganz unpersönlicher Art waren und ihr Wert für ihn allein darauf beruhte, was sie für den Konzern zu leisten vermochte. Das war nun einmal Sam Roffes einziger Maßstab in der Beurteilung von Menschen. Und Elizabeth hatte es vollbracht, die nach dem Tod ihrer Mutter entstandene Lücke zu schließen. Für ihren Vater war sie zu einer perfekten Gastgeberin geworden. Aber da sie außerdem hochintelligent war, bedeutete sie für Sam weit mehr als das. Sie begleitete ihn auf Geschäftsreisen und zu Konferenzen in Flugzeugen, Fabriken, in Botschaften und Palästen. Stets war Elizabeth an seiner Seite. Sie beobachtete, wie ihr Vater seine Macht einsetzte, das Milliardenvermögen, wie er kaufte, verkaufte, Unternehmen stürzen ließ und neue hervorzauberte. Roffe und Söhne war wie ein Füllhorn, und Elizabeth sah, wie ihr Vater Freunde verwöhnte und Feinde am ausgestreckten Arm verhungern ließ. Sie fand diese neue Welt ungeheuer faszinierend, voller interessanter Leute,    und    Sam Roffe war der unumstrittene Herrscher.

Als sich Elizabeth jetzt im Ballsaal umsah, suchte ihr Blick Sam. Er stand an der Bar, plauderte mit Rhys, einem Premierminister und einem Senator aus Kalifornien. Sam entdeckte seine Tochter und winkte sie zu sich. Auf dem Weg zu ihm durch die festliche Menge dachte sie an die Zeit von damals, vor drei Jahren, als alles begann.

Am Tag ihrer Examensfeier noch war Elizabeth nach Hause geflogen. Ihr Zuhause war zu der Zeit gerade das Apartment am Beekman Place in Manhattan. Rhys war bei ihrem Vater, und irgendwie hatte sie das vorausgeahnt. In den geheimen Ecken ihrer Gedanken hatte sie die Bilder von ihm verwahrt, und immer, wenn sie sich einsam und niedergeschlagen fühlte oder entmutigt war, holte sie die Erinnerung hervor und wärmte sich an ihr. Am Anfang war ihr alles hoffnungslos vorgekommen: ein fünfzehnjähriges Schulmädchen und ein Mann von fünfundzwanzig. Statt zehn hätte der Unterschied genausogut hundert Jahre betragen können. Aber irgendwie schien mathematische Magie im Spiel zu sein: Mit achtzehn erschien ihr die Lücke schon weit weniger groß. Es war, als altere sie schneller als Rhys bei dem Versuch, ihn einzuholen.

Als Elizabeth die Bibliothek betrat, wo sie gerade Geschäftliches besprachen, standen beide Männer auf. »Ach, Elizabeth«, sagte ihr Vater, als sei ihr Erscheinen etwas ganz Alltägliches. »Eben angekommen?«

»Ja.«

»Die Schule liegt also hinter dir.«

»Ja.«

»Na, fein.«

Und das war ihr ganzer Willkommensgruß. Doch Rhys kam lächelnd auf sie zu, schien aufrichtig erfreut, ihr wieder zu begegnen. »Sie sehen fabelhaft aus, Liz. Wie lief’s mit der Matura? Sam wollte ursprünglich zur Feier kommen, aber er konnte einfach nicht weg.«

Er sagte all die Worte, die eigentlich von ihrem Vater hätten kommen müssen.

Elizabeth fühlte sich verletzt und ärgerte sich gleichzeitig darüber. Es war ja nicht so, dass ihr Vater sie nicht liebte, sagte sie sich. Er hatte sich eben nur einer Welt verschrieben, in der ein Mädchen nicht vorkam. Ein Sohn hätte dort sofort Zugang gefunden, aber mit einer Tochter konnte er nichts anfangen. Sie passte nicht in das Organisationsschema.