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»Ich glaube, ich störe.« Elizabeth ging zur Tür.

»Moment mal«, kam ihr Rhys zuvor. Er wandte sich an Sam. »Liz ist gerade zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Da kann sie uns doch bei der Party am Samstagabend behilflich sein.«

Sam blickte sie prüfend an, als gelte es, über eine Neubewerbung zu entscheiden. Jawohl, sie sah ihrer Mutter sehr ähnlich, war ebenso schön, hatte dieselbe natürliche Art. In Sams Augen blitzte Interesse auf. Dass seine Tochter eine Bereicherung für Roffe und Söhne darstellen könnte, war ihm noch nie in den Sinn gekommen. »Hast du ein Abendkleid?«

Elizabeth sah ihn konsterniert an. »Ich -«

»Das macht nichts. Geh und kauf dir eins. Weißt du, wie man eine Party veranstaltet?«

Elizabeth schluckte. »Natürlich.« Gehörte das nicht zum Stundenplan eines jeden exklusiven Schweizer Internats? Da bekam man den letzten gesellschaftlichen Schliff, wurde auf Grazie getrimmt. »Selbstverständlich weiß ich, wie man eine Party gibt.«

»Ausgezeichnet. Ich habe eine Gruppe aus SaudiArabien eingeladen. Es sind ungefähr -« Er sah Rhys an.

Rhys lächelte Elizabeth ermunternd zu und ergänzte: »Vierzig, vielleicht ein paar mehr oder weniger.«

»Überlas nur alles mir«, verkündete Elizabeth.

Das Abendessen wurde ein komplettes Fiasko.

Elizabeth hatte dem Koch die Speisefolge diktiert: Hummercocktail, als nächstes Cassoulet, dazu Spitzenweine. Unglückseligerweise enthielt das Cassoulet Schweinefleisch, was die Araber ebensowenig anrühren wie Schellfisch. Und alkoholische Getränke sind ihnen ohnehin untersagt. Stumm starrten die Gäste auf die südfranzösische Spezialität und nahmen keinen Bissen. Elizabeth saß ihrem Vater gegenüber an der Spitze der langen Tafel und verging vor Scham, starb innerlich einen langsamen Tod.

Wieder einmal war es Rhys Williams, der ihr zu Hilfe eilte und den Abend rettete. Für wenige Minuten verschwand er im Arbeitszimmer, um zu telefonieren. Schon war er wieder zurück und unterhielt die Gäste mit amüsantem Geplauder, während das Personal den Tisch abräumte.

Die Araber kamen gar nicht dazu, sich ungemütlich zu fühlen, denn innerhalb kürzester Zeit fuhr vor dem Portal eine Flotte von Lieferwagen vor, und wie von Zauberhand wurden die erlesensten Speisen hereingetragen: Kuskus und Lamm am Spieß, Reis, Platten mit gebackenen Hähnchen und Fischgerichte, danach Süßspeisen, Käse und frisches Obst. Alle schwelgten, mit Ausnahme von Elizabeth. Sie brachte keinen Bissen herunter. Jedesmal wenn sie aufzusehen wagte, bemerkte sie, wie Rhys sie beobachtete. Mit Verschwörermiene zwinkerte er ihr zu. Warum, wusste sie selbst nicht, aber Elizabeth empfand ihre Niederlage um so schlimmer, da ausgerechnet Rhys nicht nur Zeuge ihrer Blamage war, sondern auch noch als ihr Retter auftrat. Als die Party endlich zu Ende war und die letzten Gäste in den frühen Morgenstunden widerstrebend gingen, blieben Elizabeth, Sam und Rhys noch im Salon. Rhys schenkte Brandy ein.

Elizabeth holte tief Luft und wandte sich an ihren Vater. »Tut mir leid wegen des Dinners. Wenn Rhys nicht gewesen wäre, dann -«

Aber Sam zeigte keinerlei Gemütsbewegung. »Nächstes Mal gelingt es dir bestimmt besser.«

Und er behielt recht. Von da an ging nichts mehr schief, wenn Elizabeth eine Party organisierte, sei es für vier Personen oder für hundert. Sie betrieb regelrechte Gästeforschung, stellte Vorlieben und Abneigungen fest, wusste, was jeder gerne aß und trank, welche Art von Unterhaltung bevorzugt wurde. Sie legte sich eine Kartei über ihre Gäste an. Und die Freunde und Bekannten fühlten sich geschmeichelt, wenn sie merkten, dass ihr Lieblingswhisky oder die bevorzugte Weinsorte oder Zigarrenmarke eigens für sie bereitgehalten wurde und dass Elizabeth mit ihrem Metier vertraut war und sich angeregt darüber zu unterhalten wusste.

Bei den meisten Gesellschaften war Rhys zugegen, und stets mit dem hübschesten Mädchen am Arm. Elizabeth hasste sie alle. Sie bemühte sich, ihnen zu gleichen. Trug eine von Rhys’ Begleiterinnen die Haare aufgesteckt, tat sie es ihr nach. Sie versuchte, sich wie seine Freundinnen anzuziehen und ihr Benehmen nachzuahmen. Doch was Rhys betraf, schien das verschwendete Liebesmüh. Er bemerkte es wohl nicht einmal. Frustriert gab Elizabeth es auf und beschloss, von nun an nur noch sie selbst zu sein.

Als sie am Morgen ihres einundzwanzigsten Geburtstages zum Frühstück hinunterkam, sah Sam auf. »Bitte bestell doch Theaterkarten für heute abend. Hinterher ein Souper im >Twenty-One<.«

Er hat also daran gedacht, glaubte Elizabeth freudig erregt. Sie hätte jubeln können.

Doch dann fügte ihr Vater hinzu: »Wir werden zu zwölft sein. Es geht um die neuen Bolivien-Verträge.«

Sie verlor kein Wort über ihren Geburtstag. Im Laufe des Tages gingen ein paar Telegramme früherer Schulfreundinnen ein, und damit hatte es sich. Jedenfalls bis abends um sechs. Da wurde für sie ein riesiges Blumenbukett abgeliefert. Natürlich von ihrem Vater, sagte sich Elizabeth. Aber die beigefügte Karte belehrte sie eines Besseren: »Was für ein wunderschöner Tag für eine wunderschöne Lady.« Unterschrieben war mit »Rhys«.

Als ihr Vater um sieben ins Theater aufbrach, bemerkte er die Blumen. »Ein Verehrer?« meinte er fast geistesabwesend.

Einen Moment lang fühlte sich Elizabeth versucht zu sagen: »Nein, ein Geburtstagsgeschenk.« Aber, dachte sie, was soll’s. Wenn man jemanden an seinen Geburtstag erinnern musste, konnte man es genausogut sein lassen.

Sie sah ihrem Vater nach und überlegte, was sie mit dem langen Abend anfangen sollte. Einundzwanzig Jahre:    Das war ihr immer wie ein Meilenstein vorgekommen. Das hieß, erwachsen sein, sich als Frau fühlen, die Freiheit gewinnen. Also gut, das war nun der magische Tag, und sie spürte nicht den geringsten Unterschied im Vergleich zu den Jahren zuvor. Warum hatte der Vater ihren Geburtstag vergessen? Wäre sie sein Sohn, ob er dann wohl daran gedacht hätte?

Der Butler kam und fragte, ob er anrichten lassen dürfe. Elizabeth hatte keinen Appetit. Sie fühlte sich einsam und verlassen. Sie wusste, es war Selbstmitleid, aber dahinter steckte mehr als die Enttäuschung über einen vergessenen Geburtstag. Es war die lange Reihe einsamer Geburtstage, die ihr Kummer bereitete, das Aufwachsen ohne Mutter, ohne eine mitfühlende Seele.

Um zehn saß sie im Neglige vor dem Wohnzimmerkamin, im Dunkeln, in Gedanken versunken, als plötzlich hinter ihr jemand sagte: »Happy birthday to you!«

Die Lichter flammten auf, und Rhys Williams stand in der Tür. Er kam langsam näher und sagte tadelnd: »Das ist doch keine Art, seinen Geburtstag zu feiern. Wie oft wird denn ein Mädchen einundzwanzig?«

»Ich - ich dachte, Sie sind heute abend mit meinem Vater unterwegs«, stammelte Elizabeth verwirrt.

»War ich auch. Er erwähnte, dass Sie hier allein sitzen. Los, ziehen Sie sich an, Liz. Wir gehen aus zum Dinner.«

Elizabeth schüttelte den Kopf. Sein Mitleid wollte sie nicht. »Vielen Dank, Rhys, sehr lieb von Ihnen, aber ich -ich hab’ wirklich keinen Hunger.«

»Aber ich, und ich hasse nichts mehr, als allein zu essen. Ich gebe Ihnen genau fünf Minuten zum Ankleiden. Sonst schleife ich Sie raus, so wie Sie sind.«

Sie aßen eine Kleinigkeit in einer Imbissstube auf Long Island: Hamburger mit Chili und Zwiebeln, Pommes frites und Ingwerbier. Und sie redeten und redeten. Für Elizabeth war es ein noch schöneres Geburtstagsessen als der Abend damals im Maxim’s. Rhys’ ganze Aufmerksamkeit gehörte ihr, und sie begann zu verstehen, worin sein besonderer Charme lag. Es war beileibe nicht nur sein gutes Aussehen, vielmehr der Umstand, dass er Frauen so zugetan war und ihre Gegenwart genoss. Auch Elizabeth vermittelte er das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein, dass er mit niemandem auf der Welt lieber zusammen war als mit ihr. Kein Wunder, dachte sie, in so einen Mann mussten sich ja alle Frauen verlieben.