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Elizabeth zwang sich zu sagen: »Und bring Vivian mit.«

»Ich fürchte, sie wird nicht können. Sie ist - äh -gerade in London sehr beschäftigt. Ich bin morgen früh bei dir. Passt dir das?«

»Großartig. Lass mich die Ankunftszeit wissen, dann hol’ ich dich am Flughafen ab.«

»Es ist einfacher, ich nehme mir ein Taxi.«

»Wie du willst, Alec. Ich danke dir. Tausend Dank!«

Als Elizabeth den Hörer auflegte, fühlte sie sich erleichtert.

Sie wusste, sie hatte die richtige Entscheidung getroffen. Schließlich befand sie sich in der prekären Situation nur durch Sams Tod und weil er keinen Nachfolger bestimmt hatte.

Wer würde wohl der nächste Präsident von Roffe und Söhne sein? überlegte Elizabeth. Der Vorstand hatte das zu entscheiden. Sie versuchte, eine Wahl aus Sams Sicht zu treffen, und sofort kam ihr Rhys Williams in den Sinn. Zwar waren die anderen in ihren Bereichen äußerst kompetent, aber der einzige mit profunder Kenntnis über die weltumspannenden Aktivitäten des Unternehmens war Rhys. Außerdem war er hervorragend für den Posten geeignet. Der Haken war nur: Rhys konnte nicht zum Präsidenten gewählt werden. Weil er kein Roffe war und auch nicht mit einer Roffe verehelicht, durfte er nicht einmal dem Direktorium angehören.

Nachdenklich ging sie in die Halle. Dort fiel ihr Blick auf den Aktenkoffer. Sie zögerte. Eigentlich hatte es wenig Sinn, sich die Papiere jetzt noch vorzunehmen. Sie konnte ihn am nächsten Morgen Alec übergeben. Immerhin, vielleicht enthielt er auch persönliche Dinge... Sie brachte ihn in die Bibliothek, stellte ihn auf den Schreibtisch, löste den Schlüssel vom Klebeband und öffnete die kleinen Schlösser an beiden Seiten. Der Koffer enthielt einen großen dicken Geschäftsumschlag. Elizabeth öffnete ihn und holte ein Bündel Dokumente hervor, die in einem Aktendeckel steckten, auf dem stand:

Mr. Sam Roffe

Vertraulich: Keine Kopien.

Offensichtlich handelte es sich um einen Bericht, aber da der Verfasser nicht vermerkt war, wusste Elizabeth nicht, von wem er stammte und worum es ging. Sie fing an, die Seiten flüchtig durchzublättern. Sie blätterte immer langsamer, sah genauer hin. Was sie da las, wollte ihr einfach nicht in den Kopf. Sie nahm in einem Sessel Platz, streifte die Schuhe ab, zog die Beine hoch und fing noch einmal von vorne an.

Diesmal aber las sie Wort für Wort. Und beim Lesen spürte sie, wie Entsetzen sie packte.

Es handelte sich um ein verblüffendes Dokument, den vertraulichen Bericht über die Untersuchung einer Reihe von Vorfällen aus dem vergangenen Jahr.

In Chile war eine chemische Fabrik von Roffe und Söhne in die Luft geflogen, wobei sich Tonnen giftiger Gase über ein Gebiet von fast dreißig Quadratkilometern verbreiteten. Es gab Dutzende von Toten, Hunderte mussten in Krankenhäuser gebracht werden. Sämtliches Vieh war eingegangen, die Vegetation durch Gift verseucht. Schließlich musste die Bevölkerung evakuiert werden. Die Schadensersatzklagen gegen Roffe und Söhne beliefen sich auf Hunderte Millionen Dollar. Doch das Schlimmste war: Die Explosion war vorsätzlich herbeigeführt worden. In dem Bericht hieß es: »Die Untersuchung des Unglücks seitens der chilenischen Regierungsbehörden wurde sehr oberflächlich durchgeführt. Die offizielle Haltung lässt sich wie folgt charakterisieren: Der Konzern ist reich, das Volk ist arm, also soll der Konzern zahlen. Unsere eigenen Untersuchungsbeauftragten haben nicht den geringsten Zweifel, dass es sich um einen Sabotageakt handelte, bei dem eine oder mehrere unbekannte Personen Plastiksprengstoff benutzten. Doch wegen der abweisenden Haltung der offiziellen Stellen hier ist es unmöglich, den Beweis dafür zu erbringen.«

Nur zu gut erinnerte sich Elizabeth an das Unglück. Die Zeitungen waren voll mit Horrorgeschichten und den Fotos der Opfer gewesen, und die Weltöffentlichkeit hatte den Konzern scharf verurteilt, weil er angeblich leichtfertig Menschenleben und die Umwelt gefährdete. Das Image der Gesellschaft hatte einen hässlichen Kratzer abbekommen.

Der nächste Teil des Berichts befasste sich mit wesentlichen Forschungsprojekten, an denen Wissenschaftler des Konzerns jahrelang gearbeitet hatten. Insgesamt wurden vier Projekte aufgeführt, jedes davon von unschätzbarem Wert. Zusammengenommen hatten die Entwicklungskosten über fünfzig Millionen Dollar betragen. Und in jedem Fall hatte eine Konkurrenzfirma Roffe und Söhne um Haaresbreite überflügelt und ein nahezu identisches Produkt zum Patent angemeldet. Der Bericht fuhr fort: »In einem isolierten Fall könnte das als Zufall abgetan werden. Wenn Dutzende von Firmen ähnliche Forschungen betreiben, lässt sich gar nicht immer verhindern, dass mehrere gleichzeitig an gleichartigen Präparaten arbeiten. Aber vier derartige Vorfälle in einem Zeitraum von wenigen Monaten zwingen uns zu der Annahme, dass jemand aus der obersten Spitze von Roffe und Söhne Forschungsunterlagen an die Konkurrenz weitergeleitet hat, gratis oder gegen Entgelt. Da die Experimente streng geheim laufen, voneinander völlig getrennt, an verschiedenen Orten und in verschiedenen Laboratorien, jeweils unter schärfsten Sicherheitsvorkehrungen, führt unsere Untersuchung zu dem Ergebnis: Die betreffende Person - oder die Personen? - muss Zugang zur höchsten Sicherheitsstufe haben. Daher folgern wir, dass sie Mitglied der höchsten Ebene des Konzerns sein muss.«

Und es ging noch weiter.

Eine große Ladung Giftstoffe war vor dem Versand falsch etikettiert worden. Bevor das festgestellt wurde, hatten sich mehrere Todesfälle ereignet, und wieder nahm das Ansehen des Konzerns großen Schaden. Niemand brachte in Erfahrung, wie es zu der falschen Etikettierung gekommen war.

Aus einem schwerbewachten Laboratorium war ein tödliches Toxin verschwunden. Binnen Stundenfrist war ein anonymer Hinweis an die Presse erfolgt und der Skandal da.

Der Nachmittag war längst in den Abend übergegangen, und von, draußen kam die Kälte herein. Elizabeth nahm von ihrer Umwelt nichts wahr, die Dokumente schlugen sie völlig in Bann. Als es im Zimmer dunkel wurde, knipste sie eine Lampe an und las weiter, erfuhr ein Schreckensereignis nach dem anderen.

Selbst der trockene, geschäftsmäßige Ton des Berichts konnte das Drama nicht unterdrücken. Soviel war sicher: Irgend jemand war methodisch darauf aus, der Firma schweren Schaden zuzufügen oder das Unternehmen sogar zu vernichten.

Irgend jemand in der höchsten Ebene, wie der Bericht es formulierte. Auf der letzten Seite entdeckte Elizabeth eine handschriftliche Notiz ihres Vaters: »Zusätzliche Pression auf mich, Anteile auf den Markt zu werfen? Den Hund kriege ich!«

Jetzt fiel ihr ein, wie ihr Vater in der letzten Zeit vor seinem Tod offensichtlich von Sorgen gepeinigt war -und dann dachte sie auch an seine Heimlichtuerei. Er wusste nicht mehr, wem er trauen durfte.

Elizabeth betrachtete noch einmal den Deckel des Berichts. »Keine Kopien.« Mit Sicherheit stammte er von einer konzernfremden Stelle, einer Detektei womöglich. Also wusste wahrscheinlich nur Sam davon. Und jetzt sie. Die schuldige Person hatte keine Ahnung, dass sich das Netz zuzog. Hatte Sam gewusst, um wen es sich handelte? Hatte er die Person vor seinem Unfall mit diesen Erkenntnissen konfrontiert? Elizabeth konnte die Fragen nicht beantworten. Sie wusste nur eins: Es gab einen Verräter.

Auf höchster Ebene.

Niemand anders hätte die Möglichkeit, das Können oder die Übersicht, soviel Zerstörung auf so verschiedenen Gebieten anzurichten. Hatte sich Sam deshalb geweigert, Aktien herzugeben? Wollte er erst den Schuldigen entlarven? Wenn es konzernfremde Aktienbesitzer gäbe, wäre eine diskrete Untersuchung nicht mehr möglich. Dann würde jeder Schritt auch

Fremden zur Kenntnis gelangen.

Elizabeth dachte an die Direktoriumssitzung. Wie ihre Verwandten sie zum Verkauf gedrängt hatten - und zwar alle!