Выбрать главу

»Natürlich tut es das, Miss Roffe«, murmelte einer der Bankiers, »aber wir sind nun einmal Geschäftsleute, und -«

»Und Roffe und Söhne ist ein Geschäft. Und was für eins! Ein gigantisches Unternehmen, meine Herren. Ich habe das selbst erst ganz begriffen, als ich den Platz meines Vaters einnahm. Bis dahin hatte ich keine Ahnung, wie viele Menschen in allen Ländern der Erde diesem Konzern ihr Leben verdanken. Ich wusste nichts von dem enormen Beitrag, den wir für die moderne Medizin geleistet haben. Oder davon, wie viele Existenzen von dem Konzern abhängen. Wenn -«

Julius Badrutt verlor die Geduld. »Das ist alles sehr lobenswert, aber wir scheinen vom Thema abzukommen.

Soviel ich weiß, ist Ihnen empfohlen worden, Geschäftsanteile zu veräußern, um dadurch Geldmittel flüssig zu machen, das heißt, um allen unseren Forderungen nachzukommen.«

Sein erster Fehler, dachte Elizabeth: Soviel ich weiß, ist Ihnen empfohlen worden...

Der Vorschlag war in einer Direktoriumssitzung gemacht worden, wo alle zur Vertraulichkeit verpflichtet sind. Jemand aus der Runde musste geplaudert haben. Und zwar jemand, der versuchte, sie unter Druck zu setzen. Sie hatte fest vor, die Person zu entlarven, aber das musste warten.

»Ich möchte Ihnen eine Frage stellen«, fuhr Elizabeth fort. »Wenn Ihre Forderungen befriedigt werden, würde es Ihnen dann etwas ausmachen, woher das Geld käme?«

Julius Badrutt betrachtete sie aufmerksam, ließ sich ihre Frage durch den Kopf gehen, suchte nach einer Falle. Schließlich antwortete er: »Nein. Nicht, solange wir bekommen, was uns zusteht.«

Elizabeth lehnte sich vor. Sie sprach sehr bedächtig, legte alle Überzeugungskraft in ihre Worte. »Es spielt also keine Rolle, ob Ihre Forderungen aus dem Erlös von Aktienverkäufen beglichen werden oder aus konzerneigenen Mitteln? Sie alle hier wissen, dass Roffe und Söhne die Tore nicht zumachen werden. Nicht heute, auch morgen nicht, nie. Und ich bitte Sie nur um das Entgegenkommen, dem Konzern ein wenig mehr Zeit einzuräumen.«

Julius Badrutt verursachte mit seinen dünnen, trockenen Lippen ein schmatzendes Geräusch. »Glauben Sie mir, Miss Roffe, wir alle hegen Ihnen gegenüber die größten Sympathien. Wir wissen, welchem Stress Sie ausgesetzt sind, aber wir können nicht -«

»Drei Monate«, warf Elizabeth ein. »Neunzig Tage. Wobei Sie selbstverständlich noch einmal zusätzliche Verzugszinsen bekommen.«

Schweigen herrschte in der Runde. Ablehnendes Schweigen. Elizabeth sah in die kalten, feindseligen Gesichter. Sie entschied sich zu einem letzten, verzweifelten Versuch.

»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen dies überhaupt enthüllen darf«, hob sie mit gewelltem Zögern an, »und ich muss Sie bitten, absolutes Stillschweigen zu bewahren.«

Sie sah sich in der Runde um und bemerkte, dass sie wieder die volle Aufmerksamkeit besaß. »Roffe und Söhne stehen unmittelbar vor einem Durchbruch, der die gesamte pharmazeutische Industrie revolutionieren wird.« Sie legte eine Pause ein, der höheren Spannung wegen. »Unser Konzern ist dabei, ein neues Präparat auf den Markt zu bringen, das nach unseren Vorstellungen den Umsatz jedes anderen Mittels, das heute existiert, bei weitem übertreffen wird.«

Sie fühlte förmlich, wie sich die Atmosphäre wandelte.

Und es war Julius Badrutt, der als erster nach dem Köder schnappte. »Was - äh - worum - was für eine Art Mittel -«

Elizabeth schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Herr Badrutt. Wahrscheinlich habe ich ohnehin schon zuviel gesagt. Ich kann Ihnen lediglich versichern, dass es sich um die größte Errungenschaft in der Geschichte dieses Unternehmens handelt. Es wird eine gewaltige Ausdehnung unserer Produktionsanlagen mit sich bringen. Wir werden sie verdoppeln, möglicherweise verdreifachen müssen. Selbstverständlich werden wir dann in großem Umfang neue Finanzierungen benötigen.«

Die Bankiers tauschten stumme Blicke aus. Das Schweigen wurde schließlich von Badrutt gebrochen. »Gesetzt den Fall, wir gewähren Ihnen eine Fristverlängerung um neunzig Tage, dann erwarten wir aber auch die erste Option auf alle künftigen finanziellen Transaktionen von Roffe und Söhne.«

»Selbstverständlich.«

Wieder der Austausch vielsagender Blicke.

»Und wir hätten Ihre Zusicherung«, fuhr Badrutt fort, »dass mit Ablauf der neunzig Tage alle unsere offenstehenden Forderungen voll befriedigt werden?«

»Ja.«

Badrutt saß ganz still und starrte ins Leere. Dann sah er Elizabeth an, danach seine Kollegen. »Also«, meinte er schließlich, »ich für meinen Teil bin bereit, diese Abmachung zu akzeptieren. Ich glaube, einem Aufschub, mit zusätzlichen Säumniszinsen, versteht sich, könnten wir zustimmen.«

Einer der anderen Bankiers nickte. »Wenn Sie meinen, wir sollten mitmachen, Julius...«

Und es war geschafft. Elizabeth lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, war bemüht, sich nichts von der enormen Erleichterung anmerken zu lassen, die sie empfand. Sie hatte neunzig Tage Aufschub gewonnen.

Und davon würde sie jede Minute brauchen.

25. Kapitel

Sie kam sich vor wie im Auge eines Hurrikans.

Alles floss über ihren Tisch: Es kamen Berichte über neue Präparate, Verkaufsziffern, Statistiken, Reklamekampagnen, Forschungsprogramme von den Abteilungen des Hauptquartiers, aus den Fabriken in Zaire, den Laboratorien in Grönland, Niederlassungen in Australien und Thailand, kurz, aus allen vier Ecken der Welt.

Und dann waren Entscheidungen zu treffen: Es ging um den Bau neuer Fabriken, das Abstoßen alter, die Übernahme von Fremdfirmen, um die Einstellung oder Entlassung von Mitarbeitern. In jeder Phase konnte Elizabeth auf Rat und Beistand vieler Experten zurückgreifen, doch alle endgültigen Entscheidungen lagen allein bei ihr, so wie sie vorher bei Sam gelegen hatten. Jetzt war sie dankbar für die drei Jahre, die sie so eng mit ihrem Vater zusammengearbeitet hatte. Sie wusste mehr, viel mehr über den Konzern, als ihr vorher bewusst gewesen war, auf der anderen Seite aber noch viel zuwenig. Die kaum vorstellbare Reichweite der Firma war furchteinflößend. Elizabeth hatte den Konzern früher immer als eine Art Königreich angesehen, in Wahrheit aber bestand er aus einer Reihe von Königreichen, in denen Vizekönige regierten. Und der Thronsaal war das Büro des Präsidenten. Jeder ihrer Vettern war Herr seiner eigenen Domäne, aber darüber hinaus hatten sie die überseeischen Niederlassungen zu kontrollieren, so dass alle dauernd unterwegs waren.

Sehr schnell wurde Elizabeth mit einem Spezialproblem konfrontiert. Sie bewegte sich als Frau in einer Männerwelt, und das erwies sich als Hemmnis.

Eigentlich hatte sie nie so richtig glauben wollen, dass die Männer dem Mythos von der Minderwertigkeit der Frau huldigten. Nun aber wurde sie schnell eines Besseren belehrt. Natürlich sprach es niemand offen aus oder ließ es sie direkt fühlen, aber Elizabeth sah sich jeden Tag diesem Problem gegenüber. Es war eine aus uralten Vorurteilen entstandene Haltung, und man kam einfach nicht daran vorbei. Den Männern ging es gegen den    Strich,    Anweisungen von einer    Frau entgegenzunehmen. Sie hassten schon den Gedanken, dass eine Frau ihre Urteilskraft in Frage stellen könnte oder versuchte, ihre Ideen und Vorstellungen zu verbessern. Dass Elizabeth jung und hübsch war, machte die Sache nur noch schlimmer. Sie versuchten, ihr das Gefühl einzugeben, eine Frau gehöre ins Haus, zu Kindern und Küche und ins Bett; für ernsthafte Gespräche sei sie nicht geschaffen. Das solle sie gefälligst den Männern überlassen.

Jeden Tag beraumte Elizabeth Sitzungen mit den verschiedenen Abteilungsleitern an. Nicht alle verhielten sich feindselig oder abweisend. Einige benahmen sich wie Raubtiere. Ein hübsches Mädchen auf dem Stuhl des Konzernchefs: das war eine Herausforderung für ihr männliches Ego. Ihre Gedanken waren leicht zu lesen: Wenn ich sie vögeln könnte, hätte ich hier auch das Sagen.