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»Wissen die dort denn auch, dass Sie ins Gefängnis müssen?« fragte Rhys, wie nebenbei.

Tumas blieb der Mund offenstehen. Er starrte ihn an. »Gefängnis?«

»Aber natürlich«, erwiderte Rhys. »Die Regierung der Vereinigten Staaten hat alle Unternehmen mit internationalen Verbindungen angewiesen, eine Liste der Bestechungsgelder einzureichen, die über die letzten zehn Jahre gezahlt wurden. Wer wen bestochen hat und wie hoch. Unglückseligerweise hängen Sie da ganz schön dick mit drin, Roberto. Sie haben hier etliche Male die Gesetze übertreten. Wir wollten Sie eigentlich schützen - als treues Mitglied der Unternehmensfamilie, aber wenn Sie nicht mehr bei uns sind, gibt es dafür keinen Grund, oder?«

Aus Robertos Gesicht war der letzte Rest Farbe gewichen. »Aber - aber ich habe es doch nur für die Firma getan«, protestierte er. »Und nur auf Anweisung.«

Rhys nickte verständnisvoll. »Klar. Das können Sie ja dann in Ihrem Prozess der Regierung auseinandersetzen.« Er stand auf und sagte zu Elizabeth: »Wir müssen jetzt gehen.«

»Halt! Eine Minute!« schrie Roberto. »Sie können doch nicht einfach fortgehen und mich im Dreck sitzen lassen.«

Rhys erwiderte: »Ich glaube, Sie bringen da etwas durcheinander. Sie sind doch derjenige, der geht.«

Tumas wischte sich wieder die Stirn. Sein Mund zuckte. Schweren Schritts trat er ans Fenster, blickte hinaus. Stille lastete über dem Raum. Ohne sich umzudrehen, fragte er schließlich: »Und wenn ich bleibe, werde ich dann geschützt?«

»Da brauchen Sie sich nicht die geringsten Sorgen zu machen«, versicherte ihm Rhys.

Sie saßen im Mercedes, auf dem Weg zurück in die City. »Das war reine Erpressung«, sagte Elizabeth. Rhys nickte. »Wir konnten es uns nicht leisten, ihn gehen zu lassen. Er wollte zur Konkurrenz abwandern. Dafür weiß er einfach zuviel über unseren Konzern. Der hätte uns verkauft, mit Haut und Haaren.«

Elizabeth sah Rhys an und dachte: Ich muss noch eine Menge über ihn lernen.

Am Abend soupierten sie im Mirander. Rhys war charmant, amüsant und ganz und gar unpersönlich. Elizabeth hatte den Eindruck, dass er sich hinter einer Wand von Worten versteckte, mit den Lippen einen Schutzschild aufbaute, um seine Gefühle zu verbergen. Als sie die Mahlzeit beendeten, zeigte die Uhr nach Mitternacht. Sie wollte mit Rhys allein sein und hatte gehofft, er würde mit ihr ins Hotel gehen. Statt dessen verkündete er: »Jetzt zeig’ ich dir das berühmte Nachtleben von Rio.« Und sie machten die große Runde: Nachtklub auf Nachtklub. Überall schien Rhys bestens bekannt. Wo immer sie auftauchten, war er der Mittelpunkt des Interesses; alle erlagen seinem Charme. Ständig wurden sie aufgefordert, an Tischen Platz zu nehmen, Gesellschaft zu leisten; ganze Gruppen guter alter Bekannter kreuzten auf. Elizabeth und Rhys waren keinen Moment allein. Ihr sah das alles nach Absicht aus. Rhys baute jetzt eine Mauer von Leuten zwischen ihnen auf. Vorher waren sie Freunde gewesen. Und jetzt? Was waren sie jetzt? Elizabeth wusste nur: Zwischen ihnen stand eine unsichtbare Barrikade. Wovor hatte er Angst? Und weshalb?

Im vierten Nachtklub, wo sie sich zu einem halben Dutzend von Rhys’ Freunden an den Tisch gesetzt hatten, verlor Elizabeth die Geduld. Sie unterbrach Rhys’ Geplauder mit einer verführerischen Schönen. »Ich habe noch keine Gelegenheit gehabt, mit meinem Mann zu tanzen. Sie entschuldigen uns wohl.«

Rhys sah sie starr an, Erstaunen im Blick. Dann stand er auf. »Ich fürchte, ich habe meine Frau vernachlässigt«, sagte er, nahm ihren Arm und führte sie auf die Tanzfläche. Sie bewegte sich wie ein Stock, und er sah ihr in die Augen. »Du bist böse.«

Da hatte er vollkommen recht, aber ihr Ärger war nicht gegen ihn gerichtet. Sie war es gewesen, die das Reglement bestimmt hatte, und jetzt passte es ihr nicht, dass sich Rhys daran hielt. Aber natürlich war es mehr als das. Was ihr zu schaffen machte, war die Ungewissheit darüber, was er wirklich empfand. Hielt er sich an die Regeln, weil er das als Ehrensache auffasste, oder hatte er einfach kein Interesse an ihr? Sie musste es herausbekommen.

Seine Stimme drang an ihr Ohr. »Tut mir leid, Liz, wegen der Leute hier. Aber sie hängen nun mal mit dem Geschäft zusammen und können uns nützlich sein.«

Also wusste er um ihre Gefühle. Sie spürte seine Arme um sich, seinen Körper an ihrem. Äußerlich stimmte alles. Nur äußerlich? Alles an Rhys stimmte für sie. Sie gehörten zusammen, das wusste sie. Aber wusste er, wie groß ihr Verlangen nach ihm war? Ihr Stolz erlaubte ihr nicht, sich zu offenbaren. Trotzdem: Er musste es doch spüren! Sie schloss die Augen und presste sich fester an ihn. Die Zeit stand still, und es gab nichts auf der Welt außer ihnen beiden, der sanften Musik und dem Zauber des Augenblicks. In seinen Armen hätte sie ihr Leben lang weitertanzen können. Plötzlich verschwand die Anspannung, und sie überließ sich ganz ihm, und sie spürte an ihrem Schenkel seine männliche Härte. Sie schlug die Augen auf und sah zu ihm hoch. In seinem Blick stand eine Botschaft, die sie nie zuvor wahrgenommen hatte: ein unbezähmbares Verlangen, das dem ihren entsprach.

Als er sprach, klang seine Stimme heiser. »Komm, wir gehen ins Hotel.«

Sie konnte ihm nicht einmal antworten.

Als er ihr in den Umhang half, brannten seine Finger auf ihrer Haut. Im Fond der Limousine saßen sie so weit wie möglich auseinander, jeder in seiner Ecke, wie schüchterne Unterprimaner. Elizabeth hatte das Gefühl, lichterloh zu brennen. Der Weg in die Hotelsuite erschien ihr wie eine Ewigkeit. Sie glaubte, keine Minute länger warten zu können. Sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, fanden sie sich in einem verzehrenden Rausch. Sie lag in seinen Armen, spürte sein wildes Drängen, eine entfesselte Wildheit, die sie nie in ihm vermutet hätte. Er hob sie hoch und trug sie ins Schlafzimmer. Beide konnten nicht schnell genug aus den Kleidern kommen. Wir benehmen uns wie ungeduldige Kinder, dachte Elizabeth und fragte sich nur, warum Rhys so lange gewartet hatte. Aber das war jetzt egal. Nichts zählte mehr außer ihrer beider Nacktheit und dem Gefühl seines Körpers. Sie waren im Bett, entdeckten und erforschten einander. Elizabeth löste sich sanft aus seiner Umarmung, begann, seinen Körper zu küssen, ihre Zunge glitt an seiner schlanken, sportlichen Gestalt entlang, sie liebkoste ihn mit den Lippen, spürte seine samtene Härte in ihrem Mund. Seine Hände lagen auf ihren Hüften, drehten sie auf die Seite, sein Mund fuhr zwischen ihren Schenkeln hinab, öffnete sie seiner Zunge, die dort in die Süße des Paradieses vordrang, und als beide sich keine Sekunde länger beherrschen konnten, lag er plötzlich über ihr und drang langsam in sie ein, in sanften, kreisenden Bewegungen, und sie nahm seinen Rhythmus an, ihrer beider Rhythmus, den Rhythmus der ganzen Welt, und das Universum bewegte sich schneller und schneller und schneller, wirbelte herum, und dann kam die Explosion, wie ein Feuer, und dann stand die Welt wieder still, voller Frieden.

Sie lagen da, hielten sich umschlungen, und Elizabeth hatte nur einen Gedanken: Ich bin seine Frau.

46. Kapitel

»Verzeihung, Mrs. Williams«, Henriettes Stimme kam über die Sprechanlage, »hier ist ein Kriminalbeamter für Sie. Hornung ist sein Name. Es ist dringend, sagt er.«

Verwundert drehte sich Elizabeth zu Rhys um. Am Abend zuvor waren sie aus Rio zurückgekommen und erst seit einigen Minuten im Büro. Rhys zuckte die Schultern. »Sag ihr, sie soll den Mann reinschicken. Wollen doch mal hören, was da so wichtig sein soll.«

Wenig später saßen die drei in Elizabeths Büro zusammen. »Weswegen wollten Sie mich sprechen?« fragte sie.

Max Hornung hasste belangloses Geplauder. Er kam gleich zur Sache. »Jemand trachtet Ihnen nach dem Leben«, stellte er sachlich fest. Doch als er sah, wie alle Farbe aus Elizabeths Gesicht wich, tat es ihm ehrlich leid, und er überlegte, ob man solche Mitteilungen taktvoller vorbringen könnte. Der Gedanke war ihm noch nie gekommen.