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Sogar beim Liebesakt hatte sie geflüstert: »Das ist mein Unternehmen, Darling. Samuel Roffes Blut fließt in meinen Adern. Die Firma gehört mir. Ich will sie haben!«

Macht war für Helene ein Aphrodisiakum. Ebenso wie Gefahr. »Warum wolltest du mich sehen?« fragte Rhys.

»Ich glaube, für uns beide wäre es an der Zeit, Pläne zu machen.«

»Ich weiß nicht, wovon du redest.«

Sie gab boshaft zurück: »Dafür kenne ich dich zu gut, Darling. Du bist genauso ehrgeizig wie ich. Warum hast du denn all die Jahre als Sams Schatten gedient, wo du doch jede Menge Angebote hattest, andere Unternehmen zu leiten? Weil du wusstest, eines Tages würdest du Chef von Roffe und Söhne werden.«

»Ich bin geblieben, weil ich Sam mochte. Ihm zuliebe.«

»Ich weiß, cheri.« Sie grinste. »Selbstverständlich. Und jetzt hast du seine reizende kleine Tochter geheiratet.« Sie nahm einen dünnen schwarzen Zigarillo aus dem Etui und zündete ihn mit einem Platinfeuerzeug an. »Charles sagt, Elizabeth behält die Anteilsmehrheit. Und sie weigert sich, die Aktien zum Verkauf freizugeben.«

»Das stimmt, Helene.«

»Natürlich hast du daran gedacht, was passiert, wenn sie einen Unfall hat. Dann bist du ihr Erbe.«

Rhys starrte sie ungläubig an.

49. Kapitel

Ivo Palazzi erholte sich in seinem wunderschönen Haus in Olgiata. Müßig ließ er den Blick aus dem Wohnzimmerfenster schweifen, und seine Augen nahmen ein erschreckendes Bild wahr. Über die Auffahrt kam ein Auto gebraust. Darin saßen Donatella und seine drei Söhne. Simonetta machte oben einen Mittagsschlaf. Ivo raste nach draußen, seiner zweiten Familie entgegen. Er musste sie aufhalten. Er hätte direkt zum Mörder werden können. Wie nobel hatte er sich dieser Frau gegenüber gezeigt! Wie fürsorglich und liebevoll! Und jetzt wollte sie vorsätzlich seine Karriere zerstören, seine Ehe, sein ganzes Leben. Donatella stieg aus dem Lancia Flavia, den er ihr großzügigerweise zum Geschenk gemacht hatte. Nie hatte sie herrlicher ausgesehen, dachte Ivo. Die Jungen kletterten aus dem Auto, hängten sich an ihn, umarmten ihn. Oh, wie sehr Ivo sie alle liebte! Und wie sehr er hoffte, dass Simonetta nicht aufwachte!

»Ich will zu deiner Frau«, erklärte Donatella. Sie drehte sich halb um. »Kommt, Kinder!«

»Nein!« rief Ivo. »Halt!«

»Wie willst du mich denn aufhalten? Seh’ ich sie heute nicht, seh’ ich sie morgen.«

Ivo saß in der Falle. Jetzt gab es keinen Ausweg mehr. Trotzdem: Er konnte nicht zulassen, dass alles zerstört wurde, wofür er so hart gearbeitet hatte. Ivo hielt sich selbst für einen anständigen Kerl, und was er jetzt unausweichlich zu tun hatte, war ihm grässlich. Aber es half nichts mehr. Es musste sein: nicht nur für ihn selbst, sondern für Simonetta und Donatella, für alle seine Kinder.

Sir Alec Nichols tat seine nationale Pflicht im britischen Unterhaus. Er war als einer der Hauptredner in der Debatte aufgestellt worden. Es ging um das heiße Eisen der verheerenden Streiks, die das Wirtschaftsleben in England lahmlegten. Aber Sir Alec konnte sich nur unter Schwierigkeiten konzentrieren. Immer wieder schweiften seine Gedanken zu der Serie von Telefonanrufen ab, die ihn während der letzten Wochen heimgesucht hatte. Wo immer er sich befand, sie hatten ihn aufgespürt: im Club, beim Friseur, in Restaurants, bei Konferenzen. Und Alec hatte jedes Mal aufgelegt, wortlos. Denn er wusste: Was sie wollten, war nur der Anfang. Wenn sie ihn erst mal in ihrer Gewalt hatten, würden sie einen Weg finden, an seine Aktien zu kommen, und dann gehörte ihnen ein Teil der pharmazeutischen Industrie und damit Drogen aller Art. Das konnte er nicht zulassen. Zu guter Letzt waren die Anrufe vier- oder fünfmal am Tag erfolgt, bis seine Nerven zum Zerreißen gespannt waren. Jetzt machte ihm zu schaffen, dass er an diesem Tag noch gar nichts von ihnen gehört hatte. Zum Frühstück war er auf einen Anruf gefasst gewesen, dann zum Lunch bei White’s. Nichts. Er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass dieses Schweigen noch gefährlicher war als alle Drohungen. Doch als er vor dem Hohen Hause sprach, tat er sein Bestes, die finsteren Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen.

»Niemand in diesem Lande ist der Arbeiterbewegung länger und enger verbunden als ich. Die Kraft unserer Arbeit macht den Ruhm und die Bedeutung unseres Landes aus. Die Arbeiter halten die Wirtschaft in Gang, bewegen die Räder unserer Fabriken. Die Arbeiter sind die wahre Elite dieses Landes, das Rückgrat, das England unter den anderen Nationen groß und stark dastehen lässt.« Kurze Pause. »Indessen, es gibt Zeiten - keiner bleibt davon verschont da gewisse Opfer unumgänglich...«

Er redete wie eine Sprechpuppe. Ob er die Bande durch seine Hartnäckigkeit zum Schweigen gebracht hatte? Schließlich handelte es sich nur um kleinkarierte Gangster. Er dagegen war Sir Alec Nichols, Baronet, Mitglied des Unterhauses. Was konnten die ihm schon anhaben? Höchstwahrscheinlich hatte er das letztemal von denen gehört. Von jetzt an würden sie ihn in Ruhe lassen. Er beendete seine Rede unter starkem Applaus.

Auf dem Weg nach draußen hielt ihn ein Saaldiener an. »Ich habe eine Nachricht für Sie, Sir Alec.«

Alec drehte sich halb um. »Ja?«

»Sie sollen so schnell wie möglich nach Hause kommen. Ein Unfall.«

Vivian wurde gerade in den Krankenwagen gebracht, als er zu Hause ankam. Der Arzt lief neben der Trage her. Alec setzte den Wagen gegen den Bordstein und rannte schon los, bevor der Motor ganz stillstand. Vivian war bewusstlos. Ein Blick auf ihr kalkweißes Gesicht, und er schrie: »Was ist passiert? Um Himmels willen, was ist passiert?«

Der Arzt zuckte hilflos die Achseln. »Ich weiß es auch nicht, Sir Alec. Bei mir ging ein anonymer Anruf ein, hier wäre ein Unfall geschehen. Als ich ankam, fand ich Lady Nichols in ihrem Schlafzimmer. Ihre Kniescheiben waren mit dicken Stahldornen auf den Boden genagelt.«

Alec schloss die Augen, kämpfte gegen das Gefühl, sich übergeben zu müssen.

»Wir tun selbstverständlich unser möglichstes, aber ich fürchte, Sie müssen sich auf das Schlimmste gefasst machen. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sie jemals wieder laufen kann.«

Alec war die Kehle wie zugeschnürt. Blindlings hastete er auf den Krankenwagen zu.

»Wir haben ihr ein starkes Beruhigungsmittel gegeben«, sagte der Arzt. »Ich glaube kaum, dass sie Sie wahrnimmt.«

Alec hörte ihn gar nicht. Er kletterte in den Krankenwagen und setzte sich neben die Trage auf einen Notsitz. Dumpf starrte er auf seine Frau hinab, merkte nicht, wie die Türen geschlossen wurden und das Fahrzeug sich in Bewegung setzte. Er nahm Vivians eiskalte Hände. Sie öffnete die Augen. »Alec.« Ihre Stimme war ein kaum verständliches Flüstern.

In seinen Augen standen Tränen. »Vivian, mein Liebling, mein über alles geliebter Schatz...«

»Zwei Männer. Sie trugen Masken. hielten mich fest. brachen mir die Beine. Ich werde nie wieder tanzen können. Alec, ich bleibe ein Krüppel, oh, Alec. Liebst du mich dann noch. Wirst du mich weiter liebhaben?«

Er vergrub den Kopf an ihrer Schulter und weinte hemmungslos. Tränen des Schmerzes, der Verzweiflung, und doch war da auch noch etwas anderes, etwas, das er sich selbst nicht einzugestehen wagte: Erleichterung. Wenn Vivian ein Krüppel blieb, hatte er sie ganz für sich allein, brauchte er keine Angst mehr zu haben, dass sie einen anderen Mann ihm vorzog, ihn gar verließ.

Aber Alec wusste auch: Damit war es noch nicht vorbei. Die waren mit ihm noch nicht fertig. Das war nur eine Warnung. Es gab nur einen Weg, sie loszuwerden. Er musste ihnen geben, was sie verlangten.

Und zwar schnell.