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Doch Stufe fünf war wohl die delikateste von allen. Sie bestand    aus    einer    herzzerreißenden Abschiedsansprache,    einem    großzügigen Abschiedsgeschenk und einem tränenreichen arrivederci.

Doch all das gehörte der Vergangenheit an. Jetzt schielte Ivo Palazzi in den Spiegel über dem Bett und sah sein blutendes, zerkratztes Gesicht. Schrecken packte ihn. Er sah aus, als hätte ihn ein Mähdrescher überfahren.

»Sieh nur, was du angerichtet hast!« rief er. »Cara, ich weiß ja, du wolltest das nicht.«

Er trat auf das Bett zu, wollte Donatella an sich ziehen. Als er sie berührte, schlang sie ihre weichen Arme um ihn, grub ihre langen Fingernägel in seinen Rücken und verkrallte sich wie ein wildes Tier. Ivo schrie auf vor Schmerz.

»Ja, schrei nur!« rief Donatella. »Hätte ich nur ein Messer! Ich würde dir den cazzo abschneiden und ihn dir in den Hals stecken!«

»Bitte, Donatella!« bettelte Ivo. »Die Kinder können dich hören.«

»Na und? Lass sie doch!« kreischte sie in den höchsten Tönen. »Sollen sie doch wissen, was für ein Monster ihr Vater ist.«

Er ging einen Schritt auf sie zu. »Carissima

»Rühr mich nicht an. Eher geb’ ich mich dem ersten besoffenen Matrosen mit Syphilis hin, als dich noch mal an mich heranzulassen.«

Ivo richtete sich zu voller Höhe auf. Sein Stolz war getroffen. »Von der Mutter meiner Kinder erwarte ich eine andere Sprache.«

»Ach so, ich soll also nett mit dir reden? Ich soll aufhören, dich wie das Ungeziefer zu behandeln, das du bist? Dann gib mir endlich, was ich haben will!«

Nervös sah Ivo in Richtung Tür. »Carissima, ich kann doch nicht. Ich hab’s nicht.«

»Dann besorg es dir«, schrie sie. »Du hast’s versprochen!« Abermals machten sich bei ihr Anzeichen von Hysterie bemerkbar, und Ivo entschied: er machte am besten, dass er wegkam, bevor die Nachbarn wieder nach den Carabinieri riefen.

»Eine Million Dollar auf zutreiben, das braucht nun mal seine Zeit«, suchte er sie zu beruhigen. »Aber ich werde einen Weg finden, ja, das werde ich.«

Hastig zog er den Slip an, dann Hose, Socken und Schuhe. Währenddessen stürmte Donatella durch das Zimmer, ihre festen Brüste wogten im Rhythmus, und Ivo dachte wieder: Mein Gott, was für eine Frau! Ich bete sie an! Er langte nach seinem blutbefleckten Hemd. Es gab keinen Ausweg. Er zog es an, fühlte kalten Schweiß auf Brust und Rücken. Dann warf er einen letzten Blick in den Spiegel. Kleine Blutrinnsale liefen immer noch aus den tiefen Kratzwunden, die Donatellas Nägel ihm beigebracht hatten.

»Carissima«, jammerte Ivo. »Wie soll ich das nur meiner Frau erklären?«

Ivo Palazzis Frau:    Simonetta Roffe, Erbin des italienischen Zweigs der Familiendynastie. Als er Simonetta begegnete, war Ivo ein junger Architekt, ausgesandt von seiner Firma, um Renovierungsarbeiten in der Roffeschen Villa in Porto Ercole zu beaufsichtigen. In dem Augenblick, als Simonetta ihn zum ersten Mal sah, waren Ivos Junggesellentage gezählt. Mit ihr hatte Ivo die vierte Stufe gleich in der ersten Nacht erreicht, und wenig später fand er sich als ihr Ehemann wieder. Simonetta war ebenso energisch wie schön, und sie wusste, was sie wollte: Ivo Palazzi. Also sah sich Ivo von einem sorgenfreien Junggesellen in den Mann einer schönen jungen Erbin verwandelt. Ohne Reue hängte er seine Ambitionen als Architekt an den Nagel und stieg bei Roffe und Söhne ein, mit einem großartigen Büro in EUR, jenem Teil von Rom, das der elendig verblichene Duce mit so großen Hoffnungen aus dem Boden hatte stampfen lassen.

Von Anfang an war Ivo in der Firma Erfolg beschieden. Er war intelligent, lernte schnell, und jeder bewunderte ihn. Es war auch schier unmöglich, Ivo seine Bewunderung zu versagen. Stets lächelte er, war charmant von früh bis spät. Seine Freunde neideten ihm sein Naturell und rätselten, wie er sich so strahlend geben konnte. Die Antwort war einfach. Ivo hielt die dunkle Seite seines Wesens verborgen. In Wahrheit war er ein Mensch voller Emotionen, fähig zu hassen, ja sogar zu morden. Ivos Ehe mit Simonetta blühte und gedieh. Hatte er zuerst gefürchtet, die Fesseln einer festen Bindung würden seine Männlichkeit beeinträchtigen, stellte sich diese Angst bald als unbegründet heraus. Er verordnete sich einfach eine Art Sparprogramm,    reduzierte die    Anzahl seiner Freundinnen, und alles lief nach Wunsch wie zuvor.

Simonettas Vater kaufte ihnen ein wunderschönes Heim in Olgiata, ein großes Anwesen, fünfundzwanzig Kilometer nördlich von Rom, durch Mauern und Tore von der Umwelt abgeschlossen und von uniformierten Wächtern beschützt.

Simonetta war ihm eine großartige Ehefrau. Sie liebte Ivo und behandelte ihn wie einen König, was seiner Ansicht nach genau das war, was er verdiente. In seinen Augen hatte Simonetta nur einen kleinen Makel. Witterte sie Grund zur Eifersucht, verwandelte sie sich in eine Furie. Einmal hatte sie Ivo im Verdacht gehabt, eine Einkäuferin mit auf eine Geschäftsreise nach Brasilien genommen zu haben. Mit tugendsamer Entrüstung wies er die Anschuldigung zurück. Bevor die Auseinandersetzung ausgestanden war, lag das halbe Haus in Trümmern. Weder ein Stück Porzellan war heil noch das Mobiliar, und beträchtliche Teile von beiden waren auf Ivos Kopf zu Bruch gegangen. Schließlich hatte ihn Simonetta mit einem Küchenmesser verfolgt, unter wilden Drohungen, erst ihn und dann sich selbst umzubringen.

Ivo hatte seine ganze Kraft gebraucht, ihr das Mordwerkzeug zu entwinden. Sie landeten auf dem Boden, und Ivo gelang es schließlich, ihr die Kleider vom Leib zu reißen und sie ihre Wut vergessen zu machen. Doch nach diesem Zwischenfall legte sich Ivo allergrößte Diskretion auf. Der Einkäuferin verkündete er, leider könne er in Zukunft nicht mehr mit ihr auf Reisen gehen, und er achtete sorgsam darauf, dass auch nicht der Hauch eines Verdachtes auf ihn fiel. Schließlich wusste er ja: Er war der glücklichste Mann auf Gottes Erdboden. Simonetta war jung, schön, gescheit und reich. Sie genossen dieselben Dinge, mochten dieselben Leute. Es war die perfekte Ehe, und manchmal, wenn er ein Mädchen von Stufe drei nach Stufe vier avancieren ließ und eine andere von vier nach fünf, fragte sich Ivo selbst, warum er eigentlich ständig fremdging. Aber dann zuckte er philosophisch die Schultern und sagte sich: Irgendwer muss diese armen Dinger ja glücklich machen.

Ivo und Simonetta waren drei Jahre verheiratet, als er auf einer Geschäftsreise nach Sizilien Donatella Spolini traf. Es war mehr eine Explosion als eine Begegnung, wie eine Kollision zwischen zwei Planeten. Besaß Simonetta die schlanke, süße Gestalt einer jungen Frau, moduliert wie von Manzu, so prunkte Donatella mit dem sinnlichen, reifen Körper einer Figur von Rubens. Ihr Gesicht war exquisit, und ihre grünen feurigen Augen setzten Ivo lichterloh in Brand. Eine Stunde nach ihrer ersten Begegnung lagen sie im Bett, und Ivo, der sich immer viel auf seine Fähigkeiten als Liebhaber eingebildet hatte, sah zu seinem Staunen sich selbst als Schüler und Donatella als Lehrmeisterin. Sie ließ ihn Höhen erklimmen wie nie zuvor, ihr Körper brachte dem seinen Ekstasen, von denen er nie hätte träumen können. Sie erwies sich als unerschöpfliches Füllhorn der Lust. Und Ivo, als er dort im Bett lag, die Augen geschlossen, noch voll unglaublichen Entzückens, wusste eines: Nur ein vollendeter Idiot würde sich Donatella entgehen lassen.