Er hörte ein Geräusch, fuhr herum und konnte sich noch rechtzeitig ducken. Ein junger Fustianer preschte an ihm vorüber, flog auf Whonk zu und landete in dessen ausgebreiteten Armen.
„Gut gefangen, Whonk! Wo kam der her?“
„Der Lümmel hatte sich hinter der Vorratskiste versteckt“, brummte der Alte. Der Jugendliche trommelte mit den Fäusten gegen Whonks Panzer.
„Festhalten!“
„Keine Angst! Ich bin zwar ungeschickt, aber kein Schwächling.“
„Frag ihn, wo das Titanit versteckt ist!“
„Sprich, Raupe, ehe wir zwei Teile aus dir machen!“
Der Jugendliche brummte etwas Unverständliches. Whonk hob ihn hoch und warf ihn zu Boden.
„Er war dabei, als Slock und seine Banditen mich töten wollten.“
„Und mich hat er nach Filmen gefragt.“
Der Junge strampelte sich frei, und Retief trat auf den Saum seines Mantels. Die Nähte rissen, und der Fustianer stand unbekleidet da.
„Beim großen Ei!“ schrie Whonk und drückte den Gefangenen, der sich aufrichten wollte, wieder zu Boden. „Das ist kein Jugendlicher. Man hat seinen Panzer entfernt.“
„Ich fand gleich, daß er ein wenig alt aussieht. Aber ich dachte…“
„Unmöglich!“ Whonk schaute verblüfft drein. „Die großen Nervenstränge müßten durchtrennt werden. Der beste Chirurg könnte eine solche Operation nicht mit Erfolg durchführen.“
„Jemand hat es geschafft. Nehmen wir den Burschen mit. Wir müssen uns absetzen, ehe seine Verbündeten kommen.“
„Zu spät!“
Retief wandte sich um und sah drei Jugendliche in der Luftschleuse.
„Greif sie an, Whonk! Ich lenke sie ab.“ Retief lief in die Kabine zurück, holte das Brecheisen und stürzte sich auf die Kämpfenden.
Whonk hatte sich mit einem schrillen Schrei auf die Jugendlichen gestürzt. Sie zogen sich zurück. Einer stürzte und fiel aufs Gesicht. Retief wirbelte das Brecheisen durch die Luft, das er diesem Fustianer eben zwischen die Beine geschleudert hatte, und ließ es auf den Kopf eines anderen niedersausen. Der schüttelte sich und hechtete dann auf Retief zu. Aber Whonk fing ihn im Sprung ab und schmetterte ihn zu Boden. Inzwischen tupfte Retief mit seinem Brecheisen auf einen weiteren Kopf und streckte seinen Gegner mit dem dritten Schlag auf das Pflaster.
Zwei der Fustianer wandten sich zur Flucht — angeschlagen, aber noch sicher auf den Beinen.
„Die reinsten Dickköpfe, diese Jungen!“ keuchte Retief. „Ich weiß zwar nicht, wen die Croanier in die Luft jagen wollten, aber ich vermute, daß eine einflußreiche Persönlichkeit eine Raumfahrt unternehmen sollte. Und drei Kübel Titanit reichen aus. um den Kahn hier und jede Maus an Bord zu pulverisieren.“
„Der Plan ist vereitelt. Aber was war der Grund?“
„Die Croanier stecken dahinter. Ich kann mir denken, wo der Drahtzieher zu suchen ist.“
Der niedrige Festsaal war überfüllt. Retief suchte nach den bleichen Gesichtern der Terraner, die neben den panzerbewehrten Fustianern wie Zwerge wirkten. Magnan winkte, und Retief wand sich zu ihm durch.
„Welche Ehre, daß Sie überhaupt noch erscheinen“, sagte Magnan eisig und stellte Retief dann dem Fustianer vor, der neben ihm saß. „Da nun unser lieber Retief eingetroffen ist, wollen wir mit der Feier beginnen, Herr Minister.“
Sein Blick fiel auf einen Jugendlichen, der eben eintrat. „Ah, da kommt ja auch unser Ehrengast. Slop, glaube ich, heißt er.“
„Slock“, verbesserte Retief.
Magnan stand auf und klopfte an sein Glas. Einige Fustianer verzogen die Gesichter. Magnan klopfte lauter. Der fustianische Minister neben ihm zog den Kopf ein und schloß die Augen. Verschiedene Gäste erhoben sich und verließen den Saal. Für ihre Ohren war das Geräusch, das Magnan hervorrief, eine unerträgliche Pein.
Der Diplomat klopfte noch lauter, um das empörte Gemurmel der Fustianer zu übertönen. Das Glas zerbrach, und grüner Wein floß auf den Tisch.
„Im Namen des großen Eis!“ fluchte der Minister, blinzelte und rang nach Luft.
„Entschuldigen Sie!“ platzte Magnan heraus und tupfte den Wein mit seiner Serviette auf.
„Schade, daß Ihr Glas zerbrach“, grinste Retief. „In wenigen Minuten hätten Sie alle Fustianer vertrieben Und dann hätte ich dem Minister vielleicht sagen können, was er wissen muß. Herr Minister…“
„Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit!“ schrie Magnan in den Saal. „Unser geschätzter Ehrengast ist soeben angekommen. Und hier neben mir steht Mr Retief, der das Glück und die Ehre zu schätzen weiß, diese Jugendbewegung betreuen zu dürfen.“
„Noch nicht, Mr. Magnan“, flüsterte Retief beschwörend. „Ich möchte einen dramatischen Auftritt haben.“
„Endlich spielen Sie mit!“ stöhnte Magnan erleichtert.
Im selben Augenblick kam ein alter Fustianer auf den Ehrengast zu, und Magnan verstummte. Der Alte stand hinter dem Ehrengast, der ihn noch nicht bemerkt hatte, weil er in die Menge der Versammelten stierte.
Jetzt schlängelte sich Retief durch die Reihen und trat an den jungen Fustianer heran. Slock sah ihn an und wich zurück.
„Du kennst mich, Slock“. sagte Retief so laut, daß ihn alle verstehen konnten. „Der alte Whonk erzählte dir von mir, kurz bevor du versuchtest, ihm den Kopf abzusägen. Du erinnerst dich? Ich war gekommen, um mir euer Schlachtschiff anzusehen.“
Mit einem Aufschrei griff Slock nach Retief. Aber der Schrei wurde erstickt, als Whonk den Jungen von hinten packte und hochhob.
„Ich freue mich, daß Sie, meine Herren von der Presse, das miterleben!“ rief Retief den Reportern zu. „Slock hatte ein Abkommen mit einem Vertreter der croanischen Botschaft. Die Croanier wollten die nötigen,Metallwaren’ liefern, Slock als Vorarbeiter der Werft sollte dafür sorgen, daß sie richtig eingebaut wurden. Und dann sollte wahrscheinlich ein Aufstand an gezettelt werden, dem ein kleiner interplanetarischer Krieg auf Flamenco oder einer der anderen Welten hier in der Nähe gefolgt wäre — für den die Croanier selbstverständlich wiederum die nötigen Waffen geliefert hätten.“
Magnan faßte sich. „Sind Sie wahnsinnig, Retief?“ schrie er. „Die Gruppe LAK wurde vom Jugendministerium gefördert.“
„Dieses Ministerium ist längst reif für eine Säuberungsaktion“, antwortete Retief. Er wandte sich wieder an Slock. „Wußtest du von dem Anschlag, der für heute geplant war? Wenn die,Moosfels’ in die Luft geflogen wäre, hätte man zahlreiche Hinweise mit dem LAK-Zeichen gefunden. Also wären die Terra- ner für den Zwischenfall verantwortlich gemacht worden.“
„Die,Moosfels’?“ fragte Magnan ungläubig. „Aber mit der sollten doch Mitglieder der LAK starten. Idiotisch!“
Slock brüllte und bäumte sich auf. Whonk taumelte. Sein Griff lockerte sich, und Slock entkam ihm. Er kämpfte sich durch die Reihen der alten Fustianer, und Magnan starrte ihm nach, den Mund weit geöffnet.
„Die Croanier spielten ein doppeltes Spiel. Sie wollten ihre Mitwisser los sein und zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“
„Stehen Sie nicht untätig herum, tun Sie was!“ keifte Ma- gnan mit sich überschlagender Stimme. „Wenn Slock der Anführer ist, muß er zur Rechenschaft gezogen werden.“
Er wollte sich in die Menge stürzen, aber Retief, der sich bis zu ihm durchgeschlängelt hatte, hielt ihn zurück. „Da unten wären Sie verloren wie ein Hase im Kessel der Treiber. Wo ist das Telefon?“
Zehn Minuten später hatte sich die Menge etwas verlaufen. „Wir können jetzt durch!“ rief Whonk. „Hier entlang!“ Er bahnte den Weg, und Retief folgte ihm mit Magnan. Aufflammende Blitzlichter kennzeichneten ihren Weg.
In der Halle telefonierte Retief, bekam aber keine Verbindung. „Nehmen wir ein Taxi!“
Die Sonne Alpha blinzelte wie eine entfernte Bogenlampe durch eine niedrige Wolkenschicht.