„Ich weiß nichts von — von…“ Fith schwieg, und seine Halsblase blähte sich beängstigend auf, während er versuchte, seine Erregung zu meistern.
„Meine Regierung kann keine weiteren Beschuldigungen hinnehmen“, sagte er endlich. „Ich rate Ihnen gut, in Zukunft in der Nähe Ihres Konsulats zu bleiben. An Ihrer Stelle würde ich die Stadt nicht verlassen.“
Retief lauschte dem Summen des Motors, als sie zur Stadt zurückfuhren, und schwieg.
„Hören Sie gut zu, Miß Meuhl! Ich habe nicht viel Zeit, denn ich muß den Vorteil der Überraschung auf meiner Seite haben.“
„Lassen Sie diese leidige Angelegenheit endlich ruhen, Herr Konsul. Die Croanier hatten noch nie andere Lebewesen gesehen…“
„Sie sind sehr großherzig! Aber mich interessiert gar nicht, was vor neun Jahren geschah. Ich sagte Ihnen, daß ein Rettungsboot in der Höhle liegt. Es kann nicht weit geflogen sein, also muß der Kreuzer in der Nähe liegen. Ich will wissen, wo!“
Retief nahm einen dünnläufigen Strahler aus seinem Schreibtisch.
„Wo wollen Sie mit dem Ding hin?“ ächzte Miß Meuhl.
„Die Croanier werden jeden Papierfetzen in ihren Akten zerstören, der von diesem Ereignis berichtet. Ich muß mein Material vorher bekommen. Wenn ich auf eine Untersuchungskommission warte, finden meine Kollegen nur leere Visagen vor, die sie scheinheilig angrinsen.“
„Sie sind verrückt!“ Miß Meuhl sprang zitternd auf.
„Sie und ich, Miß Meuhl, sitzen in der Patsche. Nur wir beide wissen, was geschehen ist. Man ist entschlossen, uns aus dem Weg zu räumen.“
„Lächerlich!“
„Schließen Sie sich hier im Büro ein! Essen und Wasser sind vorhanden. Lassen Sie niemanden herein, egal unter welchem Vorwand er kommt. Ich bleibe mit Ihnen über Handsprech in Verbindung.“
„Was wollen Sie tun?“
„Wenn ich nicht zurückkomme, senden Sie das versiegelte Protokoll ab und auch die Informationen, die ich Ihnen eben gab. Dann sagen Sie den Croaniern, was Sie getan haben. Ich glaube nicht, daß man Sie töten wird. Es ist schwierig, hier einzudringen, und es wäre zu offensichtlich.“
„Sie verderben alles, Sie Raufbold! Die Croanier mögen mich…“
„Seien Sie nicht so dumm, denen zu trauen!“ Retief warf sein Cape um und öffnete die Tür. „Ich bin in einigen Stunden zurück.“
Miß Meuhl starrte ihm fassungslos nach, als er die Tür schloß.
Eine Stunde vor Sonnenaufgang stellte Retief die Kombination des Sicherheitsschlosses ein und trat in sein Büro.
Miß Meuhl, die in einem Sessel eingenickt war, schreckte auf, sprang zum Lichtschalter und stand dann schlaftrunken da.
„Wo in aller Welt — wo waren Sie? Wie sehen Sie denn aus?“
„Ich habe mich ein bißchen schmutzig gemacht. Lassen Sie sich deshalb keine grauen Haare wachsen.“
Retief trat zu seinem Schreibtisch, öffnete eine Schublade und legte den Strahler hinein.
„Ich habe hier auf Sie gewartet.“
„Gut so! Hoffentlich reichen die Lebensmittel für uns beide. Wir werden eine Woche hier ausharren müssen.“
Er machte Notizen auf einem Block. „Schalten Sie den Sender ein! Ich habe eine lange Mitteilung für das Hauptquartier.“
„Erfahre ich, wo Sie waren?“
„Im Außenministerium.“
„Zu dieser Zeit ist niemand dort.“
„Eben!“
Miß Meuhl bekam Maulsperre. „Sie sind eingebrochen?“
„Genau. Jetzt den Sender!“
„Ein Glück, daß ich vorgearbeitet habe.“ Sie schaltete den Sender ein. Der Bildschirm flammte auf, und eine Gestalt erschien, von Störungen verzerrt.
„Er ist zurück“, sagte Miß Meuhl zum Bildschirm und sah dann Retief triumphierend an.
„Ich habe dem Hauptquartier gestern abend, als Sie gingen, Bericht erstattet. Und wenn ich bis eben noch Skrupel hatte, so sind sie nun ausgeräumt, da Sie von Ihrem Einbruch sprachen.“
„Sie waren sehr betriebsam, Miß Meuhl. Haben Sie auch die vier toten Terraner erwähnt?“
„Die hatten mit meinem Bericht nichts zu tun. In all den Jahren meiner Tätigkeit für das Diplomatische Corps habe ich keinen Menschen kennengelernt, der seiner Aufgabe weniger gewachsen war als Sie, Mr. Retief.“
Es knackte im Lautsprecher. „Mr. Retief“, krächzte eine verzerrte Stimme, „hier spricht Botschaftsrat Nitworth, Sektionschef für Croanie. Ich habe einen Bericht über Ihr Verhalten vorliegen, der mich zwingt, Sie mit sofortiger Wirkung Ihres Postens zu entheben. In Übereinstimmung mit der Aufsichtsbehörde…“
Retief schaltete ab, und das triumphierende Leuchten auf Miß Meuhls Gesicht erlosch. „Was soll das?“
„Hätte ich länger zugehört, wäre mir vielleicht etwas zu Ohren gekommen, was ich nicht hätte ignorieren können. Und das kann ich mir im Augenblick nicht leisten. Hören Sie, Miß Meuhl, ich habe den Kreuzer gefunden.“
„Sie sind Ihres Postens enthoben.“
„Er wollte es tun. Aber ehe ich einen ausdrücklichen Befehl bestätigt habe, ist diese Entlassung nicht rechtskräftig. Wenn ich mich irre, reiche ich meinen Abschied ein. Bin ich im Recht, so wäre diese Suspendierung für alle Beteiligten peinlich.“
„Sie widersetzen sich Ihrer Behörde. Ich leite jetzt dieses Konsulat.“ Miß Meuhl trat zum Telefon. „Ich werde die Croa- nier über Ihr unerhörtes Verhalten informieren.“
„Hände weg vom Apparat!“ rief Retief in scharfem Ton. „Setzen Sie sich dort in die Ecke, und rühren Sie sich nicht vom Fleck! Ich werde einen versiegelten Bericht absetzen und eine bewaffnete Kampfgruppe anfordern. Dann warten wir.“
Retief ignorierte Miß Meuhls Zorn und sprach in das Mikrophon. Der städtische Bild-Sprech-Apparat summte. Miß Meuhl sprang auf und starrte das Gerät an.
„Melden Sie sich!“
Ein Croanier erschien auf dem Bildschirm.
„Yolanda Meuhl“, sagte er ohne Einleitung, „im Auftrag des croanischen Außenministers ernenne ich Sie zum terranischen Konsul auf Croanie. Diese Ernennung erfolgt in Übereinstimmung mit den Anweisungen, die meine Regierung vom terrani- schen Hauptquartier erhielt. Als Konsul werden Sie gebeten, Mr. J. Retief, vormals Konsul auf Croanie, zum Verhör frei zugeben. Mr. Retief wird beschuldigt, in das Außenministerium eingedrungen zu sein.“
„Selbstverständlich — und ich möchte meinem Bedauern darüber Ausdruck geben…“, sagte Miß Meuhl.
Retief stand auf und schob sie zur Seite.
„Hören Sie, Fith! Ihr Spiel ist aus. Sie kommen nicht rein, und wir kommen nicht raus. Ihre Tarnung hat neun Jahre funktioniert, aber jetzt ist der Vorhang gefallen. Ich rate Ihnen, einen kühlen Kopf zu bewahren und der Versuchung zu widerstehen, noch mehr Unheil anzurichten.“
„Miß Meuhl, Sie sind in den Händen eines gefährlichen Irren. Vor dem Konsulat warten die Friedenswahrer…“
„Lassen Sie das!“ unterbrach ihn Retief. „Sie wissen genau, was ich in den Akten gefunden habe.“
Er hörte ein Geräusch hinter sich und sah, daß Miß Meuhl zur Tür sprang und das Schloß öffnete.
„Zurück!“ brüllte er — zu spät! Die Tür öffnete sich, und bewaffnete Croanier drängten herein. Sie richteten Dumdumpistolen auf ihn.
Polizeichef Shluh drängte nach vorn. „Ergeben Sie sich, Terraner! Ich kann nicht garantieren, daß meine Leute sich zurückhalten lassen.“
„Sie verletzen terranisches Hoheitsgebiet, Shluh“, sagte Retief ruhig. „Verlassen Sie die Botschaft auf dem Weg, den Sie gekommen sind.“
„Ich habe sie hergerufen. Sie sind auf meinen Wunsch hier“, mischte sich Miß Meuhl ein.
„Wirklich? Treiben Sie es so weit, Miß Meuhl? Lassen Sie bewaffnete Croanier in das Konsulat?“
„Sie sind der Konsul, Miß Yolanda Meuhl“, sagte Shluh.
„Sollen wir ihn nicht lieber in Sicherheit bringen?“