Die Menge schrie auf.
Retief ließ den Griff los und riß seinen Arm im selben Augenblick zurück, da der Bleibarren herunterfiel.
„Herr des Himmels!“ stöhnte Magnan. „Der Aufschlag hat sogar den Boden erschüttert.“
Der junge Diplomat wandte sich an den Melierten. „Ein schönes Spiel für Anfänger“, sagte er. „Aber jetzt möchte ich mich mit Ihnen über eine wirklich große Sache unterhalten. Gehen wir in Ihr Büro, Mr. Zorn?“
„Ihr Vorschlag ist interessant“, sagte Zorn eine Stunde später. „Aber es gibt noch Gesichtspunkte in dieser Angelegenheit, die ich bisher nicht erwähnt habe.“
„Sie sind ein Spieler, Mr. Zorn, aber kein Selbstmörder.
Nehmen Sie mein Angebot an. Ihr Traum von einer Revolution ist aufregender, das gebe ich zu. Aber es bleibt ein Traum.“
„Woher weiß ich, daß ihr Vögel nicht lügt?“ Zorn stand auf und ging unruhig hin und her. „Ihr erzählt mir, daß ich eine ter- ranische Flotte auf dem Hals hätte und daß man meine Regierung nicht anerkennen würde. Ich habe jedoch andere Verbindungen, und diese Leute behaupten das Gegenteil.“ Er fuhr herum und blickte Retief durchbohrend an.
„Ich habe die Zusicherung, daß die Terraner mich als rechtmäßigen Regenten Petreacs anerkennen, sobald ich die Macht an mich gerissen habe. Sie mischen sich nicht in interne Angelegenheiten.“
„Unsinn!“ warf Magnan ein. „Das Corps verhandelt nicht mit Verbrechern, die sich durch unlautere Mittel…“
„Hüten Sie Ihre Zunge!“ krächzte Zorn.
„Ich räume ein, daß Mr. Magnans Theorie auf schwachen Füßen steht“, beschwichtigte ihn Retief. „Aber Sie vergessen eins. Sie wollen außer den Einheimischen zahlreiche Vertreter des Diplomatischen Corps Terras ermorden. Das kann das DCT nicht ungesühnt lassen.“
„Ihr Pech, daß Sie mittendrin sind.“
„Unser Angebot ist äußerst großzügig, Mr. Zorn“, nahm nun wieder Magnan das Wort. „Der Posten, den Sie bekleiden sollen, sichert Ihnen ein hohes Gehalt. Die Wahl zwischen einem mißlungenen Aufstand und dieser Stellung sollte Ihnen leichtfallen.“
Zorn musterte Magnan. „Ich dachte, Diplomaten würden nicht unter dem Tisch verhandeln. Mir eine solche Position anzubieten, klingt verdammt windig!“
„Sie sind alt genug, um es zu erfahren“, lächelte Retief. „Es gibt nichts Windigeres in der Galaxis als Diplomatie!“
„Nehmen Sie an, Mr. Zorn!“ versuchte Magnan den Revolutionsführer zu überreden.
„Drängen Sie mich nicht! Sie kommen zu mir mit leeren Händen und großer Klappe. Warum höre ich Sie überhaupt an? Mein Entschluß steht fest. Ich lehne ab.“
„Wen fürchten Sie?“ fragte Retief.
Zorn sah ihn wütend an. „Fürchten? Ich befehle, was gemacht wird. Wen sollte ich fürchten?“
„Mich täuschen Sie nicht. Irgend jemand hat Sie in der Hand. Ich sehe doch, wie Sie sich winden.“
„Und wenn ich die Diplomaten schone, dann ist das Corps zufrieden, was?“ fragte Zorn.
„Das Corps hat Pläne mit Petreac, Zorn. Da passen Sie nicht hinein, noch weniger eine Revolution, und schon gar nicht die Ermordung des jetzigen Herrschers und der Nenni.“
„Schön, ich will meine Karten auf den Tisch legen. Haben Sie von dem Planeten Rotune gehört?“
„Natürlich!“ Magnan nickte. „Es ist eine Ihrer Nachbarwelten. Ebenfalls eine unterentwickelte — ahm — wollte sagen — Entwicklungswelt.“
„Sie halten mich für einen Zauderer. Nun, ich werde Ihnen reinen Wein einschenken. Der Geheimbund von Rotune unterstützt mich. Von ihm werde ich anerkannt, und die Flotte Rotu- nes kommt mir zu Hilfe, falls es nötig ist.“
„Was verspricht sich Rotune davon? Waren die Rotuner bisher nicht die Feinde Petreacs?“
„Mißverstehen wir uns nicht. Rotune ist mir gleichgültig. Nur stimmen im Augenblick unsere Interessen überein.“
„Wirklich?“ fragte Retief mit einem hintergründigen Lächeln. „Wenn ein Depp in Ihren Spielsalon kommt, sehen Sie ihm an der Nasenspitze an, wes Geistes Kind er ist. Aber auf ein solches Abkommen wollen Sie sich einlassen?“
„Was wollen Sie? Ich riskiere nichts dabei.“
„Wenn Sie Regent sind, Zorn, schließen Sie Freundschaft mit Rotune?“
„Den Teufel auch! Sobald ich im Sattel bin, werde ich denen zeigen, wer hier.“
„Genau!“ unterbrach ihn Retief. „Und was planen die Rotu- ner?“
„Ich verstehe nicht, worauf Sie hinauswollen.“
„Warum unterstützt Rotune Ihre Machtübernahme?“
Zorn forschte in Retiefs Gesicht. „Ihretwegen. Die Terraner wollen Petreac durch ein Handelsabkommen binden. Das stößt den Rotunern sauer auf. Und sie haben recht. Wir leben auch so ganz gut, ohne uns einigen geschniegelten Affen vom anderen Ende der Milchstraße zu verpflichten.“
„Haben die Rotuner Ihnen das eingeredet?“ fragte Retief lächelnd.
Zorn drückte ein Rauschgiftstäbchen aus und zündete ein neues an. „Eingeredet — Quatsch!“ Er schnaufte wütend. „Also schön, was nehmen Sie an?“
„Wissen Sie eigentlich, was Petreac auf Grund des Handelsabkommens importiert?“
„Einen Haufen Schrott. Waschmaschinen, Tonbandgeräte — lauter unnützes Zeug.“
„Genauer gesagt: 50 000 Tatone B-3-Trockenreiniger, 100 000 bewegliche Schwebeleuchten, 100 000 Erdwurm-Gartenmaschinen, 25 000 Veco-Raumheizungen und 75 000 Ersatzteile für Ford-Monomegantriebe.“
„Eben, ein Haufen Schrott“, wiederholte Zorn.
Retief lehnte sich zurück und musterte Zorn hämisch. „Der Trick dabei ist folgender: Das Corps hat den Kleinkrieg zwischen Petreac und Rotune satt. Bei solchen Scharmützeln trifft es manchmal Unschuldige. Nachdem beide Seiten eingehend begutachtet wurden, kam das Corps zu der Überzeugung, mit Petreac ließe sich besser verhandeln — und handeln. Also wurde das Handelsabkommen aufgesetzt. Das Corps kann eine kriegführende Nation nicht offen mit Waffenlieferungen versorgen. Geräte für den zivilen Gebrauch jedoch sind freigegeben.“
„Aha!“ Zorn grinste breit. „Wir sollten unsere Feinde mit dem Rasenmäher einen Kopf kürzer machen.“
„Sie nehmen die versiegelte Kontrollanlage aus der Waschmaschine, den Generator aus der Lampe, den Umformer aus der Gartenmaschine und so weiter und so weiter. Dann montieren Sie mit diesen Teilen nach sehr einfacher Gebrauchsanweisung ein neues Gerät. Und schon haben Sie hunderttausend Handstrahler, Modell Y, Standardausgabe. Damit kann man das Kriegsglück wenden, wenn der Gegner mit veralteten Waffen kämpft.“
„Gütiger Gott!“ ächzte Magnan. „Retief, sind Sie…“
„Ich muß es ihm sagen. Zorn muß wissen, in was er da hineinschlittert.“
„Waffen, he?“ fragte Zorn. „Und die Rotuner wissen davon?“
„Natürlich; es gehört nicht viel dazu, den Trick zu durchschauen. Die Rotuner haben ihre Gründe dafür, daß auch die DCT-Abgeordneten ermordet werden sollen. Damit würde Pe- treac hintenrunterfallen, und das Handelsabkommen ginge an Rotune. Dann könnten Sie und Ihre Regierung durch die Röhre und in die Läufe Ihrer eigenen Strahler gucken.“
Zorn warf sein Rauschgiftstäbchen wütend zu Boden. „Ich hätte den Braten riechen sollen!“ Er sah auf die Wanduhr. „Zweihundert bewaffnete Revolutionäre sind im Palast. Wir haben genau noch vierzig Minuten, bevor die Ladung hochgeht.“
Im Schatten der Palastterrasse wandte sich Zorn Retief zu. „Bleiben Sie hier, bis ich meine Anweisungen gegeben habe! Besser ist besser.“
„Ich möchte Ihnen noch einmal einschärfen, Mr. Zorn, daß den Nenni nichts geschehen darf“, flüsterte Magnan heiser.
Zorn sah Retief an. „Ihr Freund redet zuviel. Ich halte mein Versprechen, und ich rate ihm, das seine zu halten!“