Es klang, als streife Leder über Beton, und eine Sandfontäne stieg auf, als der Jaq angriff. Retief warf sich zur Seite, dann hechtete er auf den Jaq und hielt ihn mit seinem Körper am Boden. Der Angreifer maß einen Meter im Quadrat, war in der Mitte zehn Zentimeter dick und bestand aus lauter Muskeln. Er hob sich, rollte sich zurück und versuchte auf dem Muskelring zu stehen, der ihn umgab. Seine tentakelförmigen Greifer, die ihn wie Fransen umrahmten, tasteten nach Retiefs Schulter.
Retief umklammerte den Jaq und kam auf die Füße. Das Ding war mindestens einen Zentner schwer.
Jetzt änderte es seine Kampftaktik und wurde schlapp. Retief griff zu. Er glitt mit dem Daumen in eine Öffnung. Der Jaq spielte verrückt, und Retief drückte fester zu.
„Tut mir leid, Junge!“ keuchte er. „Augen eindrücken ist nicht höflich, aber es wirkt Wunder.“
Der Fladen bewegte sich nicht mehr. Nur die Greifer zitterten noch.
Sobald Retief jedoch den Daumendruck verminderte, versuchte der Jaq wieder, sich loszureißen. Sofort drückte Retief wieder fester zu. Augenblicklich verhielt sich der Jaq still.
„Jetzt verstehen wir uns“, sagte Retief befriedigt. „Und nun gehen wir zu deinem Hauptquartier.“
Zwanzig Minuten marschierten sie durch die Wüste und erreichten einen Haufen dornigen Gestrüpps. Das mußte das äußerste Bollwerk der Fladen gegen die Terraner sein.
Retief ließ seinen Gefangenen von der Schulter gleiten, behielt aber den Daumendruck bei. Dann setzte er sich und wartete auf die Jaqs. Wenn er die Situation richtig beurteilte, mußte in Kürze eine Streife kommen.
Ein blendend roter Lichtstrahl traf Retiefs Gesicht und erlosch. Retief stand auf. Der Gefangene kräuselte erregt seine Greifer, und Retief verstärkte den Daumendruck.
„Immer ruhig Blut!“ sagte er. „Nicht so voreilig!“
Seine Bemerkungen trafen auf taube Ohren — oder gar keine Ohren. Aber seine Daumensprache wurde verstanden.
Hier und da stob Sand auf. Retief spürte, daß sie sich näherten.
Er faßte seinen Gefangenen fester, und jetzt sah er eine schwarze Gestalt, die fast so groß war wie er. Offenbar gab es Jaqs in allen Größen.
Ein dumpfes Knarren wurde laut, einem tiefen Knurren ähnlich. Es wurde lauter, ebbte dann ab und verstummte.
Retief hob den Kopf und runzelte die Brauen. „Zwei Oktaven höher, wenn ich bitten darf“, sagte er.
„Awwrrp! — Tut mir leid. Besser so?“ tönte es klar aus der Dunkelheit.
„Ausgezeichnet!“ lobte Retief. „Ich bin gekommen, um Gefangene auszutauschen.“
„Gefangene? Haben wir nicht.“
„Doch! Mich. Abgemacht?“
„Ach so! Das ist nur recht und billig. Brauchen Sie Garantien?“
„Das Ehrenwort eines würdigen Partners genügt mir.“ Retief ließ seinen Gefangenen los. Der Jaq schüttelte sich und wedelte davon.
„Wenn Sie mich zu meinem Hauptquartier begleiten möchten, können wir alles in Bequemlichkeit besprechen“, tönte es aus dem Dunkel.
„Gern!“
Rote Strahlen leuchteten kurz auf, und Retief sah eine Lücke im Dornengestrüpp. Er ging hindurch und folgte den schattenhaften Gestalten durch den warmen Sand zu einem höhlenähnlichen Eingang, der matt erleuchtet war.
„Ich muß mich wegen dieser seltsamen Behausung entschuldigen“, meldete sich die Stimme wieder. „Wir wußten nicht, daß uns ein Besucher die Ehre erweisen würde.“
„Macht nichts“, versicherte Retief. „Wir Diplomaten sind es gewöhnt, zu kriechen.“
Als Retief mit gebeugten Knien und gesenktem Kopf in dem niedrigen Raum stand, sah er sich um. Die Wände bestanden aus rosigem Perlmutt, der Fußboden schien aus einem Stoff hergestellt, der wie burgunderfarbenes Glas aussah, und war mit seidenen Teppichen bedeckt; der niedrige Tisch strahlte wie roter, polierter Granit. Er war mit silbernen Tellern und Trinkgefäßen aus hellrotem Kristall gedeckt.
„Ich gratuliere!“ sagte die Stimme. Retief wandte sich um.
Ein riesiger Fladen, mit karmesinroten Decken behängt, wedelte an seine Seite. Die Stimme kam aus einem tellerförmigen Gerät, das der Jaq auf seinem Rücken trug. „Deine Figuren kämpfen tapfer. Ich halte uns für Gegner, die einander würdig sind.“
„Danke! Der Versuch wäre sicher interessant. Aber ich hoffe, wir können es verhindern.“
„Verhindern?“ Aus dem Lautsprecher drang ein Summen. „Nun, essen wir erst einmal“, sagte der riesige Fladen endlich. „Ich heiße Hoshick vom Mosaik der Doppelmorgenröte.“
„Ich bin Retief.“
Hoshick wartete gespannt.
„Retief — ähem — vom wiehernden Amtsschimmel.“
„Nehmen Sie Platz, Retief’, lud ihn Hoshick ein. „Hoffentlich sind Ihnen unsere harten Sitze nicht zu unbequem.“
Zwei weitere Fladen wedelten herein und traten in stummen Kontakt mit Hoshick. „Entschuldigen Sie bitte, daß unsere Übersetzungsanlage nicht besser ist. Ich darf Ihnen meine beiden Kollegen vorstellen.“
Ein kleiner Fladen wedelte in den Raum. Auf dem Rücken trug er ein silbernes Tablett. Er legte vor und schenkte gelben Wein in die Pokale.
„Ich nehme an, daß Sie diese Speisen schmackhaft finden“, sagte Hoshick. „Unsere Organismen sind ähnlich.“
Retief kostete. Das Gericht schmeckte angenehm nach Nüssen. Der Wein war von einem guten Chateau d’Yquem nicht zu unterscheiden.
„Es war eine unerwartete Freude, Ihre Gesellschaft hier zu finden“, plauderte Hoshick munter, während er aß. „Zunächst hielten wir Sie tatsächlich für eine einheimische erdfressende Existenz, das muß ich zugeben. Aber bald schon wurden wir eines Besseren belehrt.“ Er hob den Kristallpokal geschickt mit einem seiner Greifer, und Retief tat ihm Bescheid.
„Als wir dann erkannten, daß auch ihr Kämpfer seid, sorgten wir dafür, daß es ein wenig lebhafter zuging. Wir ließen schwere Waffen kommen und sandten ein paar geschulte Sportkämpfer aus. Vielleicht sind wir schon bald in der Lage, Ihnen eine anständige Vorstellung zu geben. Ich hoffe es jedenfalls.“
„Noch mehr Sportkämpfer? Wie viele, wenn mir die Frage erlaubt ist?“ fühlte Retief vor.
„Im Augenblick vielleicht nur einige hundert. Später — nun, ich bin sicher, wir werden uns darüber einig. Ich würde ja einen Wettkampf ohne Atomwaffen vorziehen. Es ist zum Gähnen langweilig, jeden einzelnen gegen die Strahlung abzuschirmen. — Wir haben übrigens ein paar sehr brauchbare Sportkämpfer. Zum Beispiel den Typ Stoßtruppkämpfer. Einen davon haben Sie ja gefangengenommen. Er ist nicht sonderlich intelligent, dafür aber im Fährtensuchen unübertroffen.“
„Ich bin ganz Ihrer Meinung, keine Atomwaffen. Die reine Truppenverschwendung.“
„Eben. Man kommt gut ohne aus.“
„Haben Sie schon mal bedacht, ganz ohne Waffen zu kämpfen?“
Ein Schnarren drang aus dem Lautsprecher. „Entschuldigen Sie, daß ich lache, aber Sie scherzen doch?“ fragte Hoshick.
„Wir versuchen immer wieder, ohne Waffen auszukommen“, sagte Retief.
„Ich erinnere mich aber, daß eine Ihrer Gruppen bei unserem ersten Geplänkel Waffen benutzte.“
„Stimmt, ich bitte um Vergebung. Der — ähem — Sportkämp fer hatte nicht erkannt, daß er einem Sportler gegenüberstand.“
„Nun schön, macht ja nichts. Da wir aber nun so fröhlich mit Waffen spielen…“ Hoshick winkte dem Diener und ließ die Kristallpokale nachfüllen.
„Es gibt da einen Gesichtspunkt, den ich noch nicht erwähnt habe“, sagte Retief. „Unsere Sportkämpfer sind der Auffassung, daß man Waffen nur ganz bestimmten Lebewesen gegenüber anwendet.“
„Oh? Eigenartig! Und was für Lebewesen sind das?“
„Ungeziefer! Todfeinde ohne Ehre. Ich möchte aber nicht, daß unsere Sportkämpfer würdige Gegner wie euch für Ungeziefer halten.“
„Meine Güte! Das konnte ich nicht wissen. Äußerst rücksichtsvoll, daß Sie darauf hinweisen. Daraus sehe ich, daß Ihre Sportkämpfer den unsrigen sehr ähnlich sind. Sie haben keinerlei Vorstellungskraft.“ Hoshick kicherte schnarrend.