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»Soweit ich das erkennen kann«, meinte Jim, »haben Sie an alles gedacht.«

»Ich glaube auch, daß wir das haben«, sagte Nora. Aber Travis zog die Stirn in Falten. »Ich weiß nicht recht...«

Am Mittwoch, dem 22. Dezember, fuhren sie nach Carmel. Sie ließen Einstein bei Jim Keene und verbrachten den Tag mit Weihnachtseinkäufen, erstanden Dekorationen für das Haus, Christbaumschmuck und den Baum selbst.

Jetzt, wo die Drohung des Outsiders unablässig näher rückte, schien es beinahe frivol, Pläne für das Fest zu machen.

Aber Travis sagte: »Das Leben ist kurz. Man weiß nie, wieviel Zeit man noch übrig hat, also kann man Weihnachten nicht einfach verstreichen lassen, ohne zu feiern, ganz gleich, was geschieht. Außerdem waren meine Weihnachten in den letzten Jahren nicht so besonders. Ich habe vor, das auszugleichen.« »Tante Violet hielt nichts davon, Weihnachten groß zu feiern. Sie hielt nichts von Geschenken oder einem Weihnachtsbaum.«

»Sie hielt nicht viel vom Leben«, sagte Travis. »Und das ist ein Grund mehr, dieses Weihnachten richtig zu feiern. Es werden unsere ersten guten Weihnachten sein, für Einstein überhaupt die ersten.«

Nächstes Jahr, dachte Nora, wird ein Baby im Haus sein, mit dem wir Weihnachten feiern können - da wird's dann erst richtig hoch hergehen!

Davon abgesehen, daß sie ein paar Pfund zugenommen hatte und morgens manchmal etwas unpäßlich war, waren an ihr bis jetzt noch keinerlei Anzeichen ihrer Schwangerschaft zu sehen. Ihr Bauch war immer noch flach, und Dr. Weingold sagte, daß sie mit ihrem Körperbau durchaus die Chance habe, zu jenen Frauen zu gehören, deren Leib sich nur mäßig ausdehnte. Sie hoffte, in dieser Beziehung Glück zu haben, weil es dann nach der Geburt viel leichter sein würde, wieder die alte Figur zu kriegen. Natürlich war das Baby erst in sechs Monaten fällig, und das ließ ihr noch genügend Zeit, so dick wie ein Walroß zu werden.

Als sie in dem Pick-up aus Carmel zurückkehrten, dessen hinterer Teil mit Paketen und einem perfekt gewachsenen Weihnachtsbaum beladen war, schlief Einstein halb auf Noras Schoß. Der Tag, den er mit Jim und Pooka verbracht hatte, hatte ihn angestrengt. Sie kamen eine knappe Stunde vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause. Einstein eilte ihnen zum Haus voraus ...

... blieb aber plötzlich stehen und sah sich neugierig um. Er zog schnüffelnd die kühle Abendluft ein und ging dann quer über den Hof, die Nase auf dem Boden, als hätte er eine Witterung aufgenommen.

Nora, die mit Paketen vollbeladen auf die Hintertür zuging, sah zuerst nichts Ungewöhnliches am Verhalten des Hundes, bemerkte dann aber, das Travis stehengeblieben war und Einstein anstarrte. »Was ist denn?« fragte sie.

»Warte mal.«

Einstein hatte den Hof jetzt hinter sich gelassen und ging auf den Waldrand an der Südseite ihres Grundstückes zu. Er stand starr da, den Kopf nach vorne gestreckt, schüttelte sich dann und ging am Waldrand weiter. Er blieb einige Male stehen, hielt sich jedesmal ganz still und kam nach ein paar Minuten auf der anderen Seite wieder zu ihnen.

Als der Retriever neben ihnen stand, sagte Travis: »Ist etwas?«

Einstein wedelte kurz mit dem Schweif und bellte einmaclass="underline" Ja und nein.

Drinnen legte der Retriever in der Speisekammer seine Botschaft aus.

ETWAS GEFÜHLT.

»Was?« fragte Travis.

WEISS NICHT.

»Der Outsider?«

VIELLEICHT.

»Nahe?«

WEISS NICHT.

»Kommt dein sechster Sinn zurück?« wollte Nora wissen. WEISS NICHT. NUR GEFÜHLT.

»•Was gefühlt?« fragte Travis.

Diesmal mußte der Hund eine Weile nachdenken, ehe er seine Antwort auslegte.

GROSSE DUNKELHEIT.

»Du hast eine große Dunkelheit gefühlt?«

JA.

»Was heißt das?« fragte Nora unruhig.

NUR GEFÜHLT.

Nora schaute Travis an und sah Sorgen in seinem Blick, der wahrscheinlich ihre eigenen widerspiegelte.

Irgendwo dort draußen war eine große Dunkelheit, und sie kam näher.

3

Weihnachten war schön und freudvoll. Am Morgen saßen sie um den lichtergeschmückten Baum, tranken Milch, aßen selbstgemachte Plätzchen und packten ihre Geschenke aus.

Das erste Geschenk Noras an Travis, als Spaß gedacht, war eine Schachtel mit Unterwäsche. Und er schenkte ihr einen grell orange-gelb gemusterten Muumuu[5], der für eine Frau von wenigstens hundertfünfzig Kilo bestimmt war. »Für den März, wenn dir nichts anderes mehr passen wird. Im Mai wirst du dann natürlich rausgewachsen sein.« Aber sie tauschten auch ernsthafte Geschenke - Schmuck, Pullover, Bücher.

Aber Nora war ebenso wie Travis der Meinung, daß der Tag ganz besonders Einstein gehörte. Sie gab ihm das Porträt, an dem sie den ganzen Monat gearbeitet hatte, und der Retriever schien verblüfft, geschmeichelt und entzückt, daß sie es für passend gehalten hatte, ihn in Farbe zu verewigen. Er bekam drei neue Mickymaus-Videobänder, zwei luxuriöse MetallSchüsseln für Wasser und Nahrung mit eingraviertem Namen anstelle der Plastikschüsseln, die er bisher benutzt hatte, eine kleine, batteriebetriebene Uhr, die er in jedes Zimmer mitnehmen konnte - er begann zunehmendes Interesse für die Zeit zu zeigen - und einige andere Geschenke, fühlte sich aber immer wieder zu dem Porträt hingezogen, das sie zur Betrachtung an eine Wand gelehnt hatten. Als sie es dann später über dem offenen Kamin im Wohnzimmer aufhängten, stellte er sich mit den Vorderpfoten auf die Kaminsohle und blickte stolz und erfreut zu dem Gemälde hinauf.

Wie jedes kleine Kind hatte Einstein fast ebensoviel Vergnügen daran, mit leeren Schachteln, zusammengeknülltem Einwickelpapier und Bändern zu spielen, wie an den Geschenken selbst. Eines seiner Lieblingsobjekte war ein Scherzpräsent: eine rote Mütze, wie sie der Weihnachtsmann trägt, mit weißer Quaste und einem Gummiband, damit sie nicht herunterfiel. Nora setzte sie ihm zum Spaß auf. Als er sich im Spiegel sah, freute er sich so über sein Aussehen, daß er sich sträubte, als sie ein paar Minuten später versuchte, ihm die Mütze wieder abzunehmen. Er behielt sie fast den ganzen Tag auf.

Jim Keene und Pooka kamen am frühen Nachmittag, und Einstein drängte sie sofort ins Wohnzimmer, damit sie sich sein Porträt über dem Kamin ansehen sollten. Dann spielten die Hunde eine Stunde lang, von Jim und Travis bewacht, im Hinterhof. Da dieser Aktivität bereits die Aufregung mit den Geschenken am Morgen vorangegangen war, brauchte Einstein jetzt dringend ein Nickerchen, also kehrten sie ins Haus zurück, wo Jim und Travis Nora bei der Zubereitung des Weihnachtsmahls halfen.

Nach seinem Schläfchen versuchte Einstein Pooka an Mik-kymaus-Filmen zu interessieren, aber Nora sah, daß er da nur auf begrenztes Interesse stieß. Mit Rücksicht auf den niedrigeren Intelligenzquotienten seines Gefährten, aber offensichtlich keineswegs von dessen Gesellschaft gelangweilt, schaltete Einstein den Fernseher ab und wandte sich rein hündischen Aktivitäten zu: einer kleinen Balgerei im Arbeitszimmer, ausgedehntem Herumliegen, Nase an Nase und in lautlosem Zwiegespräch über hündische Angelegenheiten.

Bis es dann Abend wurde, hatte sich das Haus gefüllt mit den Düften von Truthahn, gerösteten Maiskolben, Kürbispastete und anderen Köstlichkeiten. Weihnachtliche Musik erklang» Und trotz der Innenläden, die zu Beginn der langen Winternächte über die Fenster geschraubt worden waren, trotz der allgegenwärtigen Schußwaffen und trotz des dämonischen Outsiders, der stets in ihrem Unterbewußtsein lauerte, war Nora nie glücklicher gewesen.

Beim Abendessen unterhielten sie sich über den bevorstehenden Nachwuchs. Jim fragte, ob sie schon über Namen nachgedacht hätten. Einstein, der mit Pooka in der Ecke aß, war von der Idee, an der Namensgebung ihres Erstgeborenen beteiligt zu sein, sofort fasziniert. Er rannte sofort in die Speisekammer, um seinen Vorschlag zu buchstabieren.

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5

Muumuu: weitgeschnittenes, bodenlanges Kleid, das die Missionare aus Neuengland auf Hawaii populär gemacht haben - Anm. d. Ü.