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Donna wirkte erfreut. »Das klingt so, als hätten Sie bereits angefangen.«

»Na ja… Offiziell arbeite ich für den Wissenschaftsausschuss des Senats. Formal bin ich nicht mehr Bambakias unterstellt. Aber das hat der Senator so arrangiert. Er weiß, dass das Labor mal genau unter die Lupe genommen werden muss. Unser Auftrag besteht also darin, ihm die nötigen Informationen für eine grundlegende Reform zu beschaffen. Wir sollen den Grundstein legen für seinen ersten gesetzgeberischen Erfolg.«

»Ich verstehe.«

Als sie einem Okapi auswichen, fasste Oscar sie zuvorkommend beim Ellbogen. »Ich will damit nicht sagen, dass es leicht für uns werden wird. Es könnte sogar unangenehm werden. Hier geht es um einflussreiche Kreise. Um geheime Pläne. Der Augenschein trügt. Aber wenn es leicht wäre, könnte jeder diese Aufgabe erledigen. Dann brauchte man dazu keine so begabten Leute wie uns.«

»Ich bleibe.«

»Gut! Das freut mich.«

»Es freut mich, dass Sie mich eingeweiht haben, Oscar. Und wissen Sie was? Ich glaube, ich sollte es Ihnen gleich sagen. Ihr persönliches Vergangenheitsproblem – Sie sollten wissen, dass mich die ganze Angelegenheit nie gestört hat. Keinen Moment lang. Ich meine, ich habe mir die Sache durch den Kopf gehen lassen, und dann habe ich sie abgehakt.«

Es war kaum anzunehmen, dass man sich an den Telefonen am Kinderspielplatz zu schaffen gemacht hatte, daher hatte Fontenot es so arrangiert, dass Oscar die Anrufe des Senators dort entgegennahm. Oscar beobachtete eine Gruppe Kinder, die auf dem Dschungelspielplatz kreischte wie eine Affenhorde.

Fontenot verband ein geheimdiensterprobtes Verschlüsselungsgerät mit dem bonbonfarbenen Mundstück des an der Wand befestigten Telefons.

»Sie werden eine kleine Verzögerung bemerken«, sagte Fontenot zu Oscar. »In Boston hat man Vorsorge gegen eine Überwachung getroffen.«

»Wie steht es mit den hiesigen Behörden? Geht von ihnen Gefahr aus?«

»Waren Sie schon mal auf der hiesigen Polizeiwache?«

»Nein, noch nicht.«

»Ich schon. Vielleicht haben sie ja vor zehn Jahren die Sicherheit ernst genommen. Jetzt könnte man die ganze Anlage mit einem Besenstiel zum Einsturz bringen.« Fontenot hängte den bunten Hörer in die Plastikhalterung, dann wandte er sich um und musterte die umhertollenden Kinder. Wie ihre Eltern waren auch sie barhäuptig und ungepflegt und trugen grell bunte, schlecht sitzende Kleidung. »Nette Kinder.«

»Hm.«

»Hatte leider nie so recht Zeit dafür…« Fontenots umwölkter Blick zeugte von verborgenem Schmerz.

Das Telefon läutete. Oscar nahm ab. »Ja?«

»Oscar.«

Oscar straffte sich ein wenig. »Ja, Senator.«

»Schön, Ihre Stimme zu hören«, sagte Bambakias. »Ich habe Ihnen vor einer Weile ein paar neue Files geschickt, aber das ist nicht das Gleiche.«

»Nein, Sir.«

»Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie mich auf die Zustände in Louisiana aufmerksam gemacht haben. Für die Aufzeichnungen, die Sie mir geschickt haben.« Bambakias’ Stimme schwang sich in die Höhe, als stünde er vor einem Rednerpult. »Die Straßenblockade. Die Air Force. Erstaunlich, Oscar. Empörend!«

»Jawohl, Sir.«

»Das ist ein Riesenskandal! Einfach unglaublich! Diese Leute tragen Uniform und stehen im Dienste der Vereinigten Staaten!« Bambakias holte rasch Luft, dann wurde seine Stimme noch lauter und eindringlicher. »Wie, zum Teufel, sollen wir uns der Loyalität der Männer und Frauen versichern, die gelobt haben, das Land zu verteidigen, wenn wir sie auf zynische Weise als Spielfiguren in einem billigen, schmutzigen Machtkampf benutzen? Wir haben sie praktisch dazu verdammt, zu verhungern, im Dunkeln zu erfrieren!«

Fontenot hatte sich zu den Kindern an der Wippe gesellt. Er hatte Weste und Hut ausgezogen und half einem quirligen Dreijährigen, auf den Sitz zu klettern. »Senator, heutzutage verhungert niemand mehr. Bei den niedrigen Nahrungsmittelpreisen ist das nahezu unmöglich. Außerdem werden sie im tiefen Süden wohl kaum erfrieren.«

»Sie haben mich nicht richtig verstanden. Der Stützpunkt erhält keine Gelder mehr. Er hat seine rechtliche Grundlage verloren. Glaubt man dem Ausschuss für den Notstandshaushalt, existiert der Stützpunkt gar nicht mehr! Man hat ihn einfach aus den Akten gestrichen. Mit dem Federstrich eines Bürokraten hat man politische Unpersonen aus diesen Leuten gemacht!«

»Das stimmt allerdings.«

»Oscar, das ist ein wichtiges Thema. Amerika hat Höhen und Tiefen durchlaufen, das streitet niemand ab, aber wir sind immer noch eine Großmacht. Und so darf eine Großmacht mit ihren Soldaten nicht umspringen. Dafür gibt es keine Entschuldigung. Das ist grotesk, das ist kompletter Wahnsinn. Und wenn das Beispiel nun Schule macht? Wollen wir etwa, dass die Army, die Navy und die Marines über die Bürger herfallen – die Wähler –, bloß damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können? Das ist Meuterei! Das ist Banditentum! Das grenzt an Landesverrat!«

Oscar wandte sich von den kreischenden Kindern ab. Er wusste ganz genau, dass Straßenblockaden an der Tagesordnung waren. Ständig wurden im ganzen Land Straßen und Wege gesperrt. Straßenblockaden wurden nicht mehr als ›Straßenraub‹ betrachtet, sondern stellten eine geduldete Form des zivilen Widerstands dar. Straßenblockaden waren der alltägliche Ausdruck von Problemen, wie sie ganz ähnlich auf dem Informationshighway existierten: Übertragungsstörungen, Überflutung mit unerwünschter Mail und Verweigerung von Serviceleistungen. Dass nun auch die Air Force daran beteiligt war, stellte lediglich die exotische Spielart einer alltäglichen Praxis dar.

Andererseits hatte Bambakias’ Rhetorik eindeutig ihre Vorzüge. Sie war kraftvoll und schwungvoll. Sie war deutlich und zitierbar. Sie war vielleicht etwas weit hergeholt, aber ausgesprochen patriotisch. Einer der großen Vorzüge der Politik als Kunstform bestand darin, dass sie von der Realität weitgehend abgekoppelt war.

»Senator, was Sie da sagen, hat eine Menge für sich.«

»Danke«, sagte Bambakias. »Wir können in dieser skandalösen Angelegenheit natürlich nicht viel tun, gesetzgeberisch gesprochen. Schließlich bin ich noch nicht offiziell im Amt und werde erst Mitte Januar den Amtseid leisten.«

»Tatsächlich?«

»Ja. Daher halte ich eine moralische Geste für angebracht.«

»Aha.«

»Zumindest – das ist ja wohl das wenigste – sollte ich meine Solidarität mit unseren geplagten Soldaten unter Beweis stellen.«

»Ja?«

»Morgen Vormittag halte ich hier in Cambridge eine Online-Konferenz ab. Lorena und ich beabsichtigen, in den Hungerstreik zu treten. Solange bis der Kongress sich bereit erklärt, unsere Männer und Frauen in Uniform zu ernähren, werden auch meine Frau und ich hungern.«

»Ein Hungerstreik?« sagte Oscar. »Das ist ein sehr radikaler Schritt für einen gewählten Politiker.«

»Sie werden doch wohl nicht von mir erwarten, dass ich in den Hungerstreik trete, nachdem ich das Amt übernommen habe«, erklärte Bambakias vernünftig. Er senkte die Stimme. »Hören Sie, wir halten das für machbar. Wir haben im Büro in Washington und in der Parteizentrale in Cambridge darüber diskutiert. Lorena meint, nachdem wir uns ein halbes Jahr lang bei diesen Wahlkampfessen gemästet haben, wären wir so dick wie Schweine. Wenn dieser Schritt überhaupt Erfolg haben kann, dann ist das der richtige Moment.«

»Stünde das« – Oscar wog seine Worte sorgfältig ab –, »stünde das denn auch im Einklang mit der Würde des Amtes?«

»Hören Sie, ich habe den Wählern niemals Würde versprochen. Ich habe ihnen Ergebnisse versprochen. Washington verliert an Einfluss, und was man dort auch probiert, macht alles bloß noch schlimmer. Wenn wir diesen Hundesöhnen im Notstandsausschuss nicht die Initiative aus der Hand nehmen, kann ich mich auch ebenso gut zur dekorativen Bücherstütze erklären. Und das ist nicht das, was ich wollte.«