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»Ja, Sir«, sagte Oscar. »Das weiß ich.«

»Es gibt da eine Rückzugsoption… Falls der Hungerstreik zu keinem Ergebnis führt, könnten wir einen Konvoi in Bewegung setzen und auf eigene Faust eine Rettungsaktion durchführen. Wir fahren nach Louisiana runter und versorgen den Luftwaffenstützpunkt mit Nahrung.«

»Sie meinen so etwas ähnliches wie unsere Bauaktionen während des Wahlkampfs.«

»Ja, diesmal aber landesweit. Wir machen die Aktion über den Parteiapparat und das Netz bekannt, mobilisieren unsere Aktivisten und sammeln uns in Louisiana. Landesweit, Oscar. Bautrupps, Leute vom Katastrophenschutz, Wohltätigkeitsorganisationen, Demonstranten, alles. Die ganze Latte.«

»Das gefällt mir«, sagte Oscar. »Das gefällt mir sogar sehr. Das ist visionär.«

»Ich wusste, dass Ihnen das zusagen würde. Halten Sie das für eine glaubwürdige Rückzugsdrohung?«

»Aber ja«, antwortete Oscar ohne Zögern. »Sicher. Man weiß, dass Sie sich so etwas leisten können. Ein großer Protestmarsch ist sicherlich glaubwürdig. Ein promilitärischer Protest, das klingt prima. Aber ich würde Ihnen gern etwas zu bedenken geben, wenn Sie es hören möchten.«

»Gewiss doch.«

»Der Hungerstreik ist sehr gefährlich. Dramatische moralische Gesten sind starker Tobak. Die locken die Haie hervor.«

»Das ist mir klar und macht mir keine Angst.«

»Lassen Sie es mich so formulieren, Senator. Sie und Ihre Frau sollten besser richtig hungern.«

»Das geht schon in Ordnung«, sagte Bambakias. »Das ist machbar. Wir haben jahrelang gehungert.«

Wie die meisten Einrichtungen der amerikanischen Regierung wurde auch das Buna National Collaboratory von einem zehnköpfigen Verwaltungsrat geleitet, dem Dr. Arno Felzian vorstand, der Direktor des Laboratoriums. Die Angehörigen des Verwaltungsrats leiteten jeweils eine der neun Abteilungen.

Aufgrund des Gesetzes zur Wahrung der Transparenz fanden die wöchentlichen Sitzungen öffentlich statt, ›öffentlich‹ bedeutete, dass die Sitzungen an eine Netzadresse übertragen wurden. Gleichwohl hatte auch die traditionelle Auffassung von Öffentlichkeit in Buna noch ihre Gültigkeit. Die Laborangestellten nahmen häufig persönlich an den Sitzungen teil, zumal wenn sie damit rechneten, dass irgendeinem Pechvogel der Kopf gewaschen würde.

Oscar hatte sich dafür entschieden, persönlich an allen Verwaltungsratssitzungen teilzunehmen. Er beabsichtigte nicht, sich formell vorzustellen oder sich in die Angelegenheiten des Verwaltungsrats einzumischen. Er nahm vor allem deshalb teil, um gesehen zu werden. Um sicherzustellen, dass seine Anwesenheit auch bemerkt wurde, brachte er den Netzadministrator Bob Argo und die Oppositionsrechercheurin Audrey Avizienis mit.

Der Versammlungsraum lag im ersten Stock des Medienzentrums, gegenüber einer Fußgängerbrücke, die vom Hauptverwaltungsgebäude herüberführte. Der Raum war 2030 für öffentliche Sitzungen errichtet und mit ansteigenden Sitzreihen, einer ordentlichen Akustik und jeder Menge Kameras ausgestattet worden.

Das Labor konnte jedoch auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Das Netzzentrum war während der heftigen internen Auseinandersetzungen im Jahre 2031 geplündert und teilweise niedergebrannt worden. Der zerstörte Versammlungsraum war während der darauf folgenden, von staatlichen Behörden durchgeführten Hexenjagd und der Finanzskandale ein wenig vernachlässigt worden. Im Jahre 2037, als das Labor die ständigen Finanzkrisen allmählich überwunden hatte, wurden einige Reparaturen durchgeführt, was die Funktionsfähigkeit teilweise wieder herstellte. Die Reparaturfirmen hatten die Brandstellen überkleistert und den Saal ein wenig aufgepeppt. Jetzt war der Raum ein Miniaturdschungel hübscher Topfpflanzen.

Die Bühne war voll funktionsfähig und mit schallschluckenden Wandplatten, Deckenscheinwerfern, einem Tisch in Standardausführung und Stühlen ausgestattet. Die automatischen Kameras funktionierten. Die Verwaltungsratsmitglieder kämpften sich lustlos durch die Tagesordnung. Im Moment ging es gerade um den Austausch der defekten Rohrleitungen in einer der Cafeterias. Der Leiter des Abteilung für Verträge & Beschaffung hatte das Wort. In klagendem Ton las er die Reparaturkosten von einer Liste ab.

»So schlimm habe ich es mir nicht vorgestellt«, flüsterte Argow.

Oscar justierte energisch den Bildschirm seines Laptops. »Bob, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«

»Das ist ja furchtbar.« Argow beachtete ihn nicht.

»Bevor ich herkam, war mir gar nicht bewusst, welchen Schaden wir angerichtet haben. Die menschliche Rasse, meine ich. Was wir der Welt alles zugefügt haben. Wenn man’s recht bedenkt, ist es ein einziger Horror. Wissen Sie, wie viele Tierarten in den vergangenen fünfzig Jahren ausgestorben sind? Das ist eine Katastrophe epischen Ausmaßes.«

Audrey beugte sich hinter Oscars Rücken vor. »Du hast versprochen, mit dem Trinken aufzuhören, Bob.«

»Ich bin so nüchtern wie ein Richter, du Ekel! Während du dir im Wohnheim die Nase am Bildschirm plattgedrückt hast, habe ich mich in den Parkanlagen umgesehen. Die Giraffen. Die gelben Krallenaffen. Alle ausgelöscht in einem Holocaust! Wir haben das Meer vergiftet, wir haben die Regenwälder niedergebrannt und in Ackerland verwandelt, und wir haben das Wetter durcheinander gebracht. Und das alles im Namen des modernen Lebens, hab ich Recht? Im Namen von acht Milliarden psychotischen Medienfreaks!«

»Also«, meinte Audrey eingeschnappt, »du bist gerade der Richtige, dich darüber zu ereifern.«

Argow zuckte theatralisch zurück. »Recht so! Reib mir’s unter die Nase! Also, ich weiß sehr gut, dass ich Teil des Problems bin. Ich habe mein Leben damit verschwendet, Netzwerke in Gang zu halten, während die Welt um mich her vor die Hunde ging. Und das gilt auch für dich, Audrey. Wir sind beide schuldig, aber im Unterschied zu dir habe ich die Wahrheit jetzt erkannt. Die Wahrheit ist mir wirklich zu Herzen gegangen.« Argow klopfte sich auf seine Tonnenbrust.

Audreys raue Stimme wurde ölig. »Also, ich an deiner Stelle würde mir nicht so viele Vorwürfe machen. Du bist nicht gut genug in deinem Job, um eine wirkliche Bedrohung darzustellen.«

»Nehmen Sie’s leicht, Audrey«, sagte Oscar nachsichtig. Audrey Avizienis war eine professionelle Oppositionsrechercheurin. Hatte sie erst einmal Witterung aufgenommen, wurde es für ihre Gegner gefährlich. »Hören Sie, wir sind miteinander hergekommen, und ich tue meinen verdammten Job. Aber dieser Witzbold ist eine große, scheinheilige Nervensäge. Glaubt er etwa, ich wüsste die Natur nicht zu schätzen, bloß weil ich eine Menge Zeit im Netz verbringe? Ich weiß eine ganze Menge über Vögel und Bienen und Schmetterlinge und Kohlpflanzen und überhaupt.«

»Ich«, murmelte Argow, »weiß bloß, dass die Welt kaputt geht und dass wir in diesem dämlichen Gebäude herumsitzen, während sich diese Bürokratentrottel endlos über ihre Abwasserprobleme auslassen.«

»Bob«, sagte Oscar ruhig, »Sie übersehen da was.«

»Und das wäre?«

»Es ist wirklich so schlimm, wie Sie sagen. Es ist sogar noch schlimmer. Viel schlimmer. Die Leute hier – die sind für diese Forschungseinrichtung verantwortlich. Also stehen Sie jetzt an vorderster Front. Na schön, Sie sind schuldig, aber wenn Sie sich nicht zusammenreißen, werden Sie noch schuldiger werden. Denn jetzt sind wir am Drücker, und damit stehen auch Sie in der Verantwortung.«

»Oh«, machte Argow.

»Also nehmen Sie sich zusammen.« Oscar klappte den Laptopbildschirm hoch. »Schauen Sie sich das mal an. Sie auch, Audrey. Sie sind beide Systemoperatoren, und ich möchte Ihre Meinung hören.«