»Gouverneur, das ist wirklich faszinierend. Sie sagen, Sie hätten mich studiert; also, ich habe Sie ebenfalls studiert. Ich habe eine Menge in Erfahrung gebracht. Sie sind ein Mann von großer Tatkraft und Begabung. Unverständlich ist mir allerdings, weshalb Sie ihre Ziele auf solch absurde, geschmacklose, unzivilisierte Weise verfolgen.«
»Mein Sohn, das lässt sich leicht beantworten. Und zwar weil ich ein scheißarmer, scheißignoranter Hinterweltler aus einem überschwemmten Sumpf bin! Uns Provinzlern des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist nichts mehr in den Schoß gefallen. Das Öl haben sie uns rausgepumpt, die Bäume haben sie gefällt, die Fische gefangen, den Boden vergiftet, den Mississippi in eine riesige Kloake verwandelt, die den Golf in fünfhundert Meilen Umkreis zum Umkippen gebracht hat. Dann kamen die Hurrikane, und das Meer erhob sich! Was, zum Teufel, haben Sie von uns erwartet, als Sie da oben in Boston das Silberbesteck poliert haben? Wir Cajuns brauchen eine Perspektive, genau wie alle anderen auch. Wir leben hier seit vierhundert Jahren! Und im Gegensatz zu den Eierköpfen aus Boston haben wir nicht vergessen, Kinder zu zeugen. Wenn Sie noch richtig ticken würden, dann hätten sie diesen bedauernswerten Architekten sausen lassen und stattdessen für mich gearbeitet.«
»Ihre Methoden haben mir nicht gefallen.«
»Mann, Sie haben Sie doch selbst eingesetzt, und nicht zu knapp. Scheiße, ich hab’s mit den Methoden nicht allzu genau genommen. Wenn Sie einen besseren Vorschlag haben, spucken Sie ihn aus! Lassen Sie uns drüber reden.«
»Hey, Huey«, sagte Kevin. »Wie steht’s mit mir? Ich habe auch so meine Methoden.«
»Sie sind ein Mann von gestern, Mr. Whitey Sie sind der Handlanger, Sie können von Glück sagen, dass Sie einen verdammten Job haben. Lassen Sie mich mit dem genetischen Wunderknaben reden. Hier ist das Hirn gefragt. Das geht nur Erwachsene was an.«
»Hey, Huey!« Kevin grinste. »Meine Methoden funktionieren noch. Ich habe Sie wegen der Haitianer geoutet. Ich habe das gedeichselt, ich hab Leute über die Grenze eingeflogen.«
Huey legte angewidert die Stirn in Falten. »Was ich meine, ist folgendes«, wandte er sich an Oscar. »Wir sitzen beide im selben Boot. Hätte ich das Labor behalten, hätte ich ein neues Bewusstsein in großem Maßstab verbreiten können. Aber das werde ich trotzdem tun – ich werde die Bewohner dieses Bundesstaates zu den gescheitesten, tüchtigsten, kreativsten Menschen auf Gottes grüner Erde machen. Sie haben mir einen ganz schönen Dämpfer verpasst – aber Scheiße, Mann, das ist jetzt Geschichte. Jetzt bleibt Ihnen nichts anderes mehr übrig, als dem guten alten Huey zu helfen. Weil Sie an der Macht kleben, ständig um Nachsicht betteln, ihre Vergangenheit verstecken. Jetzt sind Sie ein Freak in zweifacher Hinsicht. Aber wenn Sie sich jetzt auf Hueys Seite schlagen – und wenn Sie Ihre Geliebte mitbringen, welche die eigentliche Quelle all dieser Wohltaten ist und im selben Boot sitzt wie Sie –, dann können Sie Ihr Leben von Grund auf neu anpacken. Dann ist der Himmel die Grenze.«
»Zunächst müsste ich erst mal meinen Zorn bezähmen, Etienne.«
»Ach, Unsinn! Wahre Spieler kennen keinen Groll. Weshalb sollten Sie sich über mich ärgern? Ich akzeptiere Sie wirklich. Ich liebe Ihr verdammtes Vergangenheitsproblem. Wissen Sie, ich hab Sie endlich durchschaut. Wenn Amerika zur Ruhe kommt und völlig normal wird, dann sind Sie endgültig draußen. Sie werden sich immer die Nase an der Glasscheibe plattdrücken und anderen Leuten beim Champagnertrinken zusehen. Nichts, was Sie tun, wird von Dauer sein. Sie werden ein Monstrum sein, ein Schatten, und zwar bis an Ihr Lebensende. Aber wenn Sie von Anfang an bei der bevorstehenden Revolution des menschlichen Geistes mitmischen, mein Sohn, dann können Sie das gottverdammte Massachusetts haben. Ich schenk’s Ihnen.«
»Hey, Huey! Yo! Waren Sie schon immer so verrückt, oder kommt das vom Dope?«
Huey überging Kevins Einwurf, doch seine Miene verfinsterte sich noch mehr. »Ich weiß, Sie können mich deswegen angreifen. Klar, nur zu. Posaunen Sie ruhig raus, was für ein Freak Sie jetzt sind. Erzählen Sie den Leuten, dass sich die ehemalige Geliebte Ihres Senators – Moira ist jetzt übrigens in Frankreich – wegen des schmutzigen Tricks, mit dem Sie seinen armseligen Arsch gerettet haben, an Ihnen gerächt hat. Treten Sie als Feuerschlucker vor die Öffentlichkeit hin und stecken Sie sich nur selbst in Brand. Oder nehmen Sie Vernunft an und kommen Sie zu mir an Bord! Sie werden genau das Gleiche tun wie vorher auch. Aber anstatt die Leute zu einer neuen Lebensweise zu beschwatzen – Scheiße, Worte bleiben sowieso nicht haften –, können Sie sie ihnen jetzt ins Gehirn blasen. Dann gibt es für sie kein Zurück mehr. Ebensowenig wie für Sie.«
»Weshalb sollte ich Tausende von Menschen in Monster verwandeln? Weshalb sollten sie so unglücklich werden wie ich?«
»Wieso unglücklich? Die Methode funktioniert! Sie funktioniert großartig!«
»Hey, Huey! Geben Sie auf, Mann! Ich kenne diesen Burschen. Den werden Sie niemals glücklich machen! Der weiß nicht mal, was das Wort bedeutet! Damit kommen Sie nicht durch, Mann – dem geht’s jetzt doppelt so schlecht wie früher!«
Huey riss der Geduldsfaden. Er gab seinen Bodyguards ein Zeichen. Zwei mit Pistolen bewaffnete Schläger traten aus dem vergoldeten Schatten des eleganten Hotelzimmers. Kevin verstummte.
»Macht ihm die Hände los«, befahl Huey einem der Bodyguards. »Bringt ihm Hut und Mantel. Er ist ein Spieler. Wir führen eine ernsthafte Unterhaltung.«
Der Bodyguard band Oscars Hände los. Oscar massierte sich die Handgelenke. Der Bodyguard legte Oscar eine dunkle Jacke um die Schultern.
Huey rückte ein wenig näher. »Oscar, lassen Sie uns Klartext reden. Das ist ein großes Geschenk. Sicher, anfangs ist es ziemlich schwer, genau wie Fahrrad fahren. Im Grunde ist es Multitasking. Ich behaupte nicht, es sei perfekt. Nichts Technisches ist je perfekt. Es geht hier um etwas ganz Reales. Es beschleunigt den Herzschlag – der Chip muss ein bisschen höher getaktet werden. Und es ist wirklich Multitasking, also haken manche Operationen bisweilen… Während andere plötzlich an die Oberfläche gelangen… Und hin und wieder fahren sich zwei simultane Gedankenströme einfach fest; dann bleiben Sie an dem Punkt stehen und müssen den Arbeitsspeicher löschen. Aber wenn Sie sich eine ordentliche Kopfnuss verpassen, dann booten Sie gleich wieder.«
»Ah, ja.«
»Glauben Sie mir, ich rede wirklich offen mit Ihnen. Das ist kein dummes Zeug, sondern ich sage, was Sache ist. Klar, Sie haben gewisse Sprachprobleme und neigen dazu, vor sich hinzumurmeln. Aber, mein Sohn… Sie sind doppelt so tüchtig wie zuvor! Sie können zweisprachig denken! Wenn Sie dran arbeiten, können Sie mit Ihren beiden Händen erstaunliche Dinge gleichzeitig tun. Und am besten ist, wenn Sie zweigleisig denken und die Züge fangen an, Fahrgäste auszutauschen. Darum geht’s doch überhaupt bei der Intuition – dass man etwas weiß, ohne zu wissen, dass man’s weiß. Das hat was mit dem Unbewussten zu tun – mit Gedanken, von denen man nichts weiß. Aber wenn man wirklich Nägel mit Köpfen macht und über zwei Dinge gleichzeitig nachdenkt – dann verlaufen die Vorstellungen ineinander. Sie vermischen sich. Sie befruchten einander. Sie tragen wahrhaft reiche Frucht. Das ist Inspiration. Das ist die schönste geistige Regung, derer Sie überhaupt fähig sind. Das einzige Problem dabei ist, dass die Gedanken bisweilen so großartig sind, dass Sie leichte Probleme mit der Selbstbeherrschung bekommen.«
»Ja, das mit der Selbstbeherrschung ist mir bereits aufgefallen.«
»Nun, mein Sohn, die meisten Menschen stellen ihr Licht unter den Scheffel und handeln niemals impulsiv. Deshalb landen sie am Ende ja auch in Gräbern ohne Grabstein. Ein richtiger Spieler zeigt Initiative, er ist ein Mann der Tat. Ja, klar, ich geb’s zu: das mit der Impulsivität ist eine zweischneidige Angelegenheit. Deshalb braucht ein großer Spieler gute Berater. Und wenn Sie keinen spitzenmäßigen, mit allen Wassern gewaschenen politischen Berater haben, dann können Sie die Rolle vielleicht selber übernehmen.«