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Als er erwachte, war es zehn Uhr morgens. Morgenlicht sickerte durch die Ritzen der Fensterläden und malte ein Streifenmuster an die Decke. Greta regte sich und gähnte, stupste mit dem Fuß gegen seinen Knöchel. »Es tut gut, hinterher ein Schläfchen zu machen.«

»Anscheinend wird es uns zur Gewohnheit, ohnmächtig zu werden.«

»Ich glaube, das Träumen tut uns gut.« Sie richtete sich auf. »Duschen…« Ihre Stimme wurde leiser, als sie davontappte. »Oh, es gibt hier ja sogar ein Bidet! Das ist toll.«

Er folgte ihr ins Bad. »Wir waschen uns. Wir ziehen uns an«, meinte er fröhlich. Der Sex lag jetzt hinter ihnen, sehnsüchtig erwartet, aber im Rückblick auch ein wenig belastend. Trotzdem fühlte er sich gut. Sie waren geläutert, die Spannung hatten sie sich ausgetrieben; jetzt hatten sie Spaß miteinander. »Wir setzen die Masken auf, wir gehen aus und trinken Kaffee. Ich fotografiere dich auf der Straße, das ist lustig.«

»Gute Idee.« Sie begutachtete im Spiegel ihre ruinierte Frisur und schnitt eine Grimasse. »Ein Martini zu viel…«

»Du siehst großartig aus. Ich fühle mich gut, ich bin ja so glücklich.«

»Ich auch.« Sie trat in die Dusche, das Wasser begann zu rauschen.

»Wir machen Urlaub«, sagte er versonnen. »Wir machen gemeinsam ein bisschen Urlaub, wir leben für den Augenblick, wir sind nicht anders als andere Menschen auch.«

Als sie angekleidet waren, traten sie auf den Balkon hinaus, wo sich um diese Zeit viele freundliche Fremde drängten. Als sich Greta blicken ließ, wurde sie von der Straße her sogleich mit lautem Grölen begrüßt.

Greta riss hinter ihrer Federmaske schockiert die Augen auf. »Du meine Güte«, sagte sie. »Ich habe immer gewusst, dass Männer nur das Eine wollen, aber dass sie es in aller Öffentlichkeit hinausbrüllen… Ich kann’s einfach nicht glauben.«

»Wenn du magst, zeig dich doch. Du bekommst Perlen dafür.«

Sie überlegte kurz. »Ich wäre dazu fähig, wenn du auf die Straße hinuntergehen und zu mir hochbrüllen würdest.«

»Das ist ein Wort. Warte, ich hole die Kamera.«

Sie lächelte durchtrieben. »Aber Sie müssen mir Perlen zuwerfen, Mister. Und sie müssen sehr hübsch sein.«

»Ich nehme die Herausforderung gerne an«, sagte Oscar.

Eine Kette mit grünen und goldenen Perlen flog zu Greta hoch. Sie versuchte, die Halskette aufzufangen, verfehlte sie jedoch. Auf der Straße hüpfte ein großer Mann mittleren Alters, mit Schnurrbart und Maske, auf und nieder und brüllte zu ihr hoch. Er schwenkte hektisch die Arme, als versuchte er, ein Flugzeug auf sich aufmerksam zu machen.

»Schau dir diesen Clown an«, meinte Oscar grinsend. »Der ist ganz aus dem Häuschen.«

Der Mann und seine lächelnde Begleiterin kämpften sich heldenhaft durchs Gewühl, bis sie unmittelbar unterhalb des Balkons eingekeilt waren.

»Dr. Penninger!« schrie der Mann. »Hey, zeigen Sie uns Ihr Gehirn!«

»Mist, jetzt hat er es verdorben«, sagte Oscar verärgert. »Das sind Paparazzi.«

»Hey, Oscar!« rief der Mann aufgekratzt. Er nahm die Maske ab. »Sieh mal, sieh mal!«

»Kennst du den?« fragte Greta.

»Nein…« Plötzlich machte Oscar große Augen. »Hey! Doch, den kenne ich! Yosh! Das ist Yosh Pelicanos.« Er beugte sich weit vor und rief in die Tiefe: »Yosh! Grüß dich!«

»Seht mal!« rief Yosh aufgeregt und deutete auf die maskierte und kostümierte Brünette an seiner Seite. »Das ist Sandra!«

»Was redet der da?« fragte Greta.

»Das ist seine Frau«, meinte Oscar erstaunt. »Das ist seine Frau Sandra.« Er legte die Hände trichterförmig um den Mund und schrie: »Sandra! Hallo! Schön, dich zu sehen!«

»Mir geht’s wieder besser!« rief Sandra. »Mir geht es sehr viel besser.«

»Das ist großartig!« erwiderte Oscar. »Das ist wunderbar! Kommt hoch, Yosh! Kommt hoch und trinkt einen Schluck mit uns!«

»Keine Zeit!« rief Yosh. Seine Frau wurde von den Passanten mitgerissen. Pelicanos ergriff ihre Hand und schirmte sie einen Moment ab. Sandra wirkte ein wenig unsicher im Gewühl, was in Anbetracht des neunjährigen Aufenthalts in einer psychiatrischen Klinik auch nicht weiter verwunderlich war.

»Wir müssen jetzt miteinander schlafen!« rief Sandra mit scheuem, aber strahlendem Lächeln.

»Gott segne Sie, Dr. Penninger!« brüllte Pelicanos, schwenkte die Maske und wich zurück. »Sie sind ein wahres Genie! Danke, dass es Sie gibt! Danke, dass Sie so sind, wie Sie sind!«

»Wer sind diese Leute?« fragte Greta. »Weshalb hast du sie eingeladen?«

»Das war mein Majordomus. Und seine Frau. Seine Frau war schizophren.«

»Das war seine Frau?« Greta stockte. »Also, dann hat sie bestimmt das NCR-40-Autoimmunsyndrom gehabt. Das spricht auf die Aufmerksamkeitstherapie mittlerweile recht gut an. Sie wird wieder vollständig gesund werden.«

»Dann wird er auch gesund werden.«

»Wenn er sich wieder beruhigt, geht es ihm bestimmt prima. Außerdem sieht er recht gut aus.«

»Ich hätte ihn beinahe nicht erkannt. Ich habe ihn noch nie so glücklich erlebt.« Oscar zögerte. »Du hast ihn glücklich gemacht.«

»Na ja, vielleicht gebührt mir das Verdienst ja wirklich.« Sie lächelte. »Aber es war nicht meine Absicht, ihn glücklich zu machen. Die Wissenschaft heimst die Verdienste für Dinge ein, die sie gar nicht beabsichtigt hat. Man kann der Wissenschaft nicht zugute halten, dass sie bisweilen der Menschheit hilft. Andererseits heißt das aber auch nicht, dass man der Wissenschaft vorwerfen dürfte, sie füge der Menschheit Schaden zu.«

»Ich weiß nicht, ob ich dem zustimmen kann. Das ist unpolitisch gedacht.«

Greta nahm einen großen Schluck Champagner. Die Männer auf der Straße brüllten noch immer zu ihr hoch, sie aber strafte sie mit Nichtbeachtung. »Schau mal«, sagte sie unvermittelt. Sie drückte sich die Federmaske mit ihren langen Fingern ans Gesicht. Hinter der eulenhaften Verkleidung bewegten sich ihre Augen plötzlich in die entgegengesetzte Richtung.

Oscar zuckte zusammen. »Wow! Wie hast du das gemacht?«

»Ich kann das neuerdings. Ich habe geübt. Ich kann sogar zwei Dinge gleichzeitig betrachten. Sieh nur.« Sie verdrehte die Augen in den Höhlen wie ein Chamäleon.

»Allmächtiger! Und das schaffst du, einfach indem du es dir vorstellst?«

»Das ist die Macht des Geistes.«

»Unglaublich. Nein, sieh mich wieder an. Mit beiden Augen. Und jetzt mit einem Auge. Du meine Güte, so etwas Schockierendes habe ich noch nicht gesehen. Da kriege ich eine Gänsehaut. Mach das noch mal, Schatz. Mein Gott! Ich muss die Kamera holen.«

»Das macht dir keine Angst? Ich habe das bisher noch niemandem gezeigt.«

»Klar macht mir das Angst! Ich bin wie gelähmt vor Schreck. Es ist wundervoll. Wieso bin ich der einzige Mann auf der Welt, der weiß, wie sexy das ist?«

Er lachte. »Das ist umwerfend. Komm her und küss mich!«