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Oscar wunderte sich sehr über die Laptops der Nomaden. Sie benutzten keine Standardtastaturen, sondern hatten die Buchstaben QWERTYUIOP durch andere Zeichen ersetzt. Diese Burschen tippten nicht einmal wie normale Menschen. Aus irgendeinem Grund beunruhigte dies Oscar mehr als der Umstand, dass diese Nomaden mexikanische Illegale waren.

So gemächlich, als hätten sie alle Zeit der Welt, was ja auch tatsächlich der Fall war, fuhren die beiden schließlich weiter. Der Verkehr war so gut wie eingeschlafen. Die Leute hatten Wind davon bekommen, dass die Regulatorenhorde unterwegs war, und mieden die Straßen. Zwei Polizeiwagen fuhren mit Blaulicht, aber ohne Sirene vorbei. Die Nomadenstämme hatte keine Angst vor der Polizei. Sie waren zu zahlreich, um verhaftet zu werden, und im Übrigen hatten die Prolos ihre eigene Polizei.

Die Vorhut des Regulatoren-Konvois traf ein. Trucks und Busse mit Plastikkarosserien, die sich mit etwa dreißig Meilen pro Stunde bewegten, um Kraftstoff zu sparen und die Motoren zu schonen. Dann kam die Hauptsache, die technische Basis der Nomaden. Tieflader und Tanklaster, beladen mit Erntemaschinen, Komprimierern, Zerkleinerungsmaschinen, Schweißgeräten, Walzen, Fermentationspfannen, Rohren und Ventilen. Sie ernährten sich von Gras, vom Unkraut am Straßenrand und Hefekulturen. Die Frauen trugen Röcke, Schals und Schleier. Horden von Kindern, deren energiegeladene Körper mit bunten Perlen und Federn geschmückt waren.

Oscar beobachtete fasziniert das Schauspiel. Das waren keine Dropouts aus dem Nordosten, die am Existenzminimum ihr Dasein fristeten und von billigen Nahrungsmitteln und öffentlicher Unterstützung lebten. Das waren Menschen, die sich zu einem Stamm zusammengeschlossen hatten und unbeirrt ihren Weg gingen. Sie waren ein System überdrüssig geworden, das ihnen nichts zu bieten hatte, und daher hatten sie einfach ihr eigenes erfunden.

Nach dem Picknick räumte die Mannschaft auf. Fontenot wählte eine Rückfahrtroute aus, auf der sie von dem auf Wanderschaft begriffenen Stamm nicht aufgehalten werden würden. Fontenot würde sie eskortieren; den zerbeulten Cajun-Ofen hatte er an sein elektrisch angetriebenes Geländefahrzeug angekoppelt. Selbst wenn sie von einer Horde Regulatoren eingekeilt werden sollten, hätten sie in der Metallhülle ihres Wahlkampfbusses doch nichts zu befürchten. Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, würden sie sich einfach dem Konvoi anschließen.

Plötzlich vermeldete Oscars Handy einen persönlichen Anruf. »Oh, Oscar«, neckte ihn Rebecca. »Das Handy sprüht schon wieder Funken.«

»Ich habe den Anruf erwartet«, sagte Oscar. »Entschuldigen Sie mich.« Er trat hinter das Heck des Busses, während die anderen weiter packten.

Seine Freundin Clare aus Boston war dran. »Wie geht’s dir, Oscar?«

»Gut. Alles in allem läuft es nicht schlecht. Es ist sehr interessant. Was tut sich so zu Hause? Du fehlst mir.«

»Alles in Ordnung«, sagte Clare. Zu rasch.

Er verspürte einen winzigen Stich. Mach dir keine Sorgen, dachte er. Zieh keine voreiligen Schlüsse. Das ist nicht irgendeine, das ist Clare. Das ist Clare, das ist machbar.

Oscar hätte seine Besorgnisse am liebsten ausgesprochen. Das aber wäre sehr dumm gewesen. Lieber drum rum reden. Soll sie doch die Eröffnung machen. Sei witzig, sei charmant. Plaudere ein wenig. Finde ein unverfängliches Thema. Doch es wollte ihm um’s Verrecken keins einfallen.

»Wir haben ein Picknick gemacht«, platzte er heraus.

»Das klingt toll. Ich wünschte, ich wäre bei dir.«

»Ich wünschte das auch«, sagte er. Auf einmal hatte er eine Idee. »Wie sieht’s aus? Kannst du herkommen? Wir haben hier einiges vor, das würde dich bestimmt interessieren.«

»Ich kann im Moment nicht nach Texas fliegen.«

»Du hast doch bestimmt von dem Luftwaffenstützpunkt in Louisiana gehört? Der Senator befindet sich im Hungerstreik. Ich habe hier ausgezeichnete Informanten. Das ist eine prima Story, du könntest herkommen und vor Ort recherchieren.«

»Ich glaube, dein Freund Sosik hat die Story bereits ausgewalzt«, sagte Clare. »Ich befasse mich nicht mit Bostoner Politik. Nicht mehr.«

»Was?« Er war verblüfft. »Wie das?«

»Ich habe vom Netz einen neuen Auftrag bekommen. Ich soll in die Niederlande gehen.«

»In die Niederlande? Und was sagst du dazu?«

»Oscar, ich schreibe über Politik. Wie sollte ich das Angebot, nach Den Haag zu gehen, da abschlagen? Es herrscht kalter Krieg, das ist ein Traumjob. Das ist der Durchbruch für mich, mein bislang größter Karrieresprung.«

»Und wie lange würdest du in Übersee bleiben?«

»Also, das hängt davon ab, wie gut ich bin.« Oscar schwirrte der Kopf. »Das freut mich. Ich möchte natürlich auch, dass du weiterkommst. Aber… die diplomatische Lage… die Niederländer sind so provokant. So radikal.«

»Natürlich sind sie radikal, Oscar. Ihr Land geht unter. Wenn Amerika unter dem Meeresspiegel läge, wären wir ebenfalls Extremisten. Die Niederländer haben so viel zu verlieren, sie stehen wirklich mit dem Rücken zum Deich. Deshalb sind sie ja im Moment so interessant.«

»Du sprichst nicht mal niederländisch.«

»Die sprechen dort alle englisch, weißt du.«

»Die Niederländer sind militant. Sie sind gefährlich. Sie stellen verrückte Forderungen an die Amerikaner, sie können uns nicht ausstehen.«

»Ich bin Journalistin, Oscar. Es gehört zu meinem Job, mich nicht so leicht zu fürchten.«

»Dann willst du es also wirklich tun«, folgerte Oscar mit schwerer Zunge. »Du willst mich verlassen, hab ich recht?«

»So würde ich es nicht ausdrücken…«

Oscar starrte blicklos auf das Heck des Busses. Auf einmal kam ihm die glatte Karosserie fremdartig und abstoßend vor. Der Bus hatte ihm sein Heim gestohlen und die Frau im Schlafzimmer. Der Bus hatte ihn gekidnapped. Er wandte ihm den Rücken zu und näherte sich ziellos dem dichten texanischen Wald. »Nein«, sagte er. »Ich weiß schon. Es geht um die Arbeit. Um deine Karriere. Ich habe damit angefangen. Ich habe einen wichtigen Job angenommen und dich verlassen. Hab ich recht? Ich habe dich allein gelassen, und ich bin immer noch nicht wieder bei dir. Ich bin weit weg von dir und weiß nicht, wann ich wiederkomme.«

»Also, das hast du gesagt, nicht ich. Aber es stimmt.«

»Dann darf ich dir wirklich keine Vorwürfe machen. Andernfalls wäre ich ein Heuchler, nicht wahr? Wir wussten beide, dass es dazu kommen könnte. Wir haben einander keine Versprechungen gemacht.«

»Das stimmt.«

»Es war eine Beziehung.«

»Ich mochte die Beziehung.«

»Sie war gut, findest du nicht? Sehr gut sogar, in Anbetracht der Umstände.«

Clare seufzte. »Nein, Oscar, das darfst du nicht sagen. Sag das nicht, das wäre nicht fair. Es war mehr als nur gut. Es war großartig, es war einfach perfekt. Ich meine, du hast mir so viel gegeben. Du hast nie versucht, mich zu beeinflussen, und du hast mich kaum jemals angelogen. Du hast mich bei dir wohnen lassen. Du hast mich deinen reichen und einflussreichen Freunden vorgestellt. Du hast meine Karriere unterstützt. Du hast mich nie angebrüllt. Du warst ein wahrer Gentleman. Brillant. Ein Traumpartner.«

»Das ist lieb von dir.« Er fühlte sich ganz wund.

»Es tut mir aufrichtig Leid, dass ich es nicht geschafft habe… du weißt schon… über diese Geschichte hinweg zu kommen.«

»Ja«, sagte Oscar bitter. »Das ist mir nicht neu.«

»Das ist – das ist halt eine dieser ewigen Tragödien. So etwas wie mein Minderheitsstatus als Weiße.«

Oscar seufzte. »Clare, ich glaube nicht, dass du wegen deiner weißen Hautfarbe schon mal diskriminiert worden bist.«