Выбрать главу

Oscars Ärmel piepste. Er zog ein Stofftelefon hervor und brachte es geistesabwesend in Form. »Okay, Fontenot«, sagte er ins Mikrofon.

»Wollen Sie heute noch im Labor ankommen?« fragte Fontenot.

»Das wäre schön.«

»Was ist Ihnen das wert? Es gibt da ein Problem mit einer Straßensperre.«

»Die wollen uns erpressen, hab ich recht?« sagte Oscar und runzelte die Stirn unter seinem tadellos frisierten Haar. »Sie verlangen rundheraus ein Bestechungsgeld? Ist es wirklich so einfach?«

»Nichts ist mehr einfach«, sagte Fontenot. Der Sicherheitschef erging sich nicht in resignativem Sarkasmus. Er benannte lediglich eine Tatsache des modernen Lebens. »Das ist was anderes als die üblichen Straßenblockaden. Wir haben es hier mit der United States Air Force zu tun.«

Oscar ließ diese Neuigkeit einsinken. Sonderlich ermutigend klang sie nicht. »Und warum blockiert die Air Force einen Bundeshighway?«

»Hier in Louisiana läuft schon immer einiges anders«, meinte Fontenot. Im dünnen Lautsprecher des Telefons schwoll fernes Hupen zu einem Crescendo an.

»Oscar, ich glaube, Sie sollten sich das ansehen. Ich kenne Louisiana. Ich bin hier geboren und aufgewachsen, aber dafür fehlen mir die Worte.«

»Ist gut«, sagte Oscar. »Bin gleich da.« Er stopfte das Telefon in den Ärmel. Er kannte Fontenot jetzt seit über einem Jahr, doch eine solche Einladung hatte er von ihm noch nicht erhalten. Fontenot forderte niemals andere Leute auf, die Risiken zu teilen, die sein Beruf mit sich brachte; dies wäre seinem Berufsverständnis als Bodyguard zuwidergelaufen. Oscar brauchte man nicht zweimal zu bitten.

Er stellte den Laptop ab und erhob sich. »Leute, hört mal her, es gibt hier ein Problem! Vor uns liegt wieder mal eine kleine Straßensperre.« Laute Unmutsäußerungen. »Fontenot kümmert sich drum. Jimmy, stellen Sie die Alarmanlage an.«

Der Fahrer hielt am Straßenrand und schaltete die eingebauten Schutzvorrichtungen ein. Oscar warf einen Blick aus dem Fenster. Eigentlich hatte der Wahlkampfbus keine Fenster. Von außen betrachtet war der Bus hermetisch verschlossen. Bei den großen Innenfenstern handelte es sich um Displays, verkabelt mit Außenkameras, welche die Umgebung ständig überwachten. Bambakias’ Wahlkampfbus zeichnete grundsätzlich alles auf Video auf. Im Notfall wurden die Beobachtungen gespeichert, katalogisiert und über Satellit in ein tief in den Rocky Mountains gelegenes Archiv übertragen. So eine Art Bus war das.

Im Moment beobachtete der Bus zwei hohe, grüne Wände aus düsteren Pinien und einen Stacheldrahtzaun mit morschen Pfosten. Sie hielten am Interstate Highway 10, zehn Meilen hinter dem gespenstisch anmutenden postindustriellen Städtchen Sulphur, Louisiana. Als der Bus durch Sulphur hindurchgerast war, hatte das Team mit Beklommenheit auf den Anblick reagiert. Im dichten Winternebel wirkte die Cajun-Stadt wie eine riesige Ölraffinerie, durchsetzt mit Grashütten und zerbeulten Wohnwagen.

»Ich steige aus«, verkündete Oscar, »und schaue mich mal um.«

Donna, seine Imageberaterin, brachte ihm ein Frackhemd. Oscar nahm seidene Hosenträger, Hut und seinen Mailänder Trenchcoat entgegen.

Während ihm die Stylistin in die Schuhe half, musterte Oscar seine Leute. Ein bisschen Action und frische Luft würden ihnen gut tun. »Wer möchte sich mit der U.S. Air Force anlegen?«

Jimmy de Paulo sprang vom Fahrersitz hoch. »Hey, Mann, ich bin dabei!«

»Jimmy«, sagte Oscar mit sanfter Stimme, »das geht nicht. Sie müssen den Bus fahren.«

»Schon klar«, meinte Jimmy und ließ sich wieder auf den Sitz plumpsen.

Moira Matarazzo richtete sich widerwillig in ihrer Koje auf. »Gibt es irgendeinen Grund, weshalb ich mitkommen sollte?« Moira war als Wahlkampfsprecherin monatelang den Kameras ausgesetzt gewesen. Jetzt hatte die normalerweise tadellos gekleidete Moira wirres Haar, rissige Lippen und pelzige Augenbrauen und trug einen zerknitterten Baumwollpyjama. Das böse Funkeln ihrer vom Champagner verquollenen Augen hätte selbst eine Mokassinschlange abgeschreckt. »Wenn es unbedingt sein muss, komme ich mit, aber ich sehe einfach keinen Grund dafür«, jammerte Moira. »Straßenblockaden sind manchmal gefährlich.«

»Dann solltest du auf jeden Fall mitgehen.« Bob Argow hatte gesprochen, der Systemadministrator. Bobs eisiger Tonfall machte unmissverständlich klar, dass er kurz vor der Explosion stand. Seit der Siegesfeier in Boston hatte Bob unablässig getrunken. Damit angefangen hatte er in der freudigen Erleichterung, und während die Meilen vorbeirollten und sich die Flaschen systematisch leerten, war er in eine klassische posttraumatische Depression verfallen.

»Ich begleite Sie, Mr. Valparaiso«, ließ sich Norman-der-Praktikant vernehmen. Wie üblich beachtete ihn niemand.

Die zwölf Wahlkämpfer standen nach wie vor auf der Gehaltsliste und verbrauchten Bambakias’ letztes Kampagnengeld. Offiziell nahmen sie gerade ihren hochverdienten ›Urlaub‹. Diese großzügige Geste war typisch für Alcott Bambakias, doch war dies auch dazu gedacht, die Wahlkampfmannschaft langsam aus der Nähe des neugewählten Senators zu entfernen. In seinem ultramodernen Hauptquartier in Cambridge war der charismatische Milliardär derzeit damit beschäftigt, eine völlig neue Mannschaft um sich zu versammeln, den Washingtoner Stab, der ihm beim Regieren helfen sollte. Nach monatelanger hektischer, aufopferungsvoller Teamarbeit hatte man die Wahlkämpfer mit einem Scheck und einem warmen Händedruck verabschiedet.

Oscar Valparaiso war Bambakias’ politischer Berater gewesen. Zudem hatte er den Wahlkampfeinsatz geleitet. Nach dem Wahlsieg hatte er mühelos eine neue Stelle gefunden. Nachdem im Hintergrund rasch ein paar Hebel in Bewegung gesetzt worden waren, hatte Oscar beim Wissenschaftsausschuss des US-Senats als politischer Berater angeheuert. Senator Bambakias würde diesem Ausschuss bald angehören.

Oscar hatte Ziele, einen Auftrag, Optionen, taktisches Geschick, eine Zukunft. Den anderen Mitgliedern des Wahlkampfteams gingen diese Dinge ab. Oscar war sich dessen bewusst. Er kannte diese Menschen nur allzu gut. In den vergangenen achtzehn Monaten hatte er sie eingestellt, sie bezahlt, sie geleitet, ihnen gut zugeredet, sie zu einem Team zusammengeschweißt. Er hatte Büros für sie angemietet, ihre hohen Ausgaben überwacht, ihnen Titel zugewiesen, ihren Zugang zum Kandidaten geregelt und bei finanziellen Problemen und romantischen Verwicklungen geschlichtet. Zu guter Letzt hatte er sie alle zum Sieg geführt.

Oscar war noch immer ein Machtzentrum, daher hielt sich seine Mannschaft instinktiv in seinem Kielwasser. Sie befanden sich ›im Urlaub‹, alle miteinander Politprofis, die darauf warteten, dass sich irgendetwas ergab. Der Korpsgeist in Oscars Gefolge aber war ebenso widerstandsfähig wie ein Glückskeks.

Oscar ergriff die braunrote Schultertasche und steckte nach reiflicher Überlegung eine kleine nichttödliche Sprühpistole hinein. Yosh Pelicanos, Oscars Majordomus und Stellvertreter, reichte ihm eine prallvolle Geldkarte. Pelicanos war sichtlich müde und nach den langen Siegesfeiern noch etwas verkatert, trotzdem aber voll auf dem Posten. Als zweiter Mann hinter Oscar legte Pelicanos Wert darauf, sich stets als verlässlich zu erweisen.

»Ich komme mit«, murmelte Pelicanos, während er nach seinem Hut suchte. »Ich muss mich bloß noch anziehen.«

»Du bleibst hier, Josh«, erwiderte Oscar gelassen. »Wir sind fern der Heimat. Du behältst den Bus im Auge.«

»Ich hol mir einen Kaffee«. Pelicanos gähnte und schaltete automatisch die Satellitennachrichten ein, was zur Folge hatte, dass ein Busfenster von einem Datenschwall ausgelöscht wurde. Er machte sich auf die Suche nach seinen Schuhen.

»Ich begleite Sie!« beharrte Norman strahlend. »Na los, Oscar, nehmen Sie mich mit!« Norman-der-Praktikant war der letzte vom Wahlkampf übriggebliebene Laufbursche. Zuvor hatten ganze dreizehn Praktikanten Bambakias’ Wahlkampftruppe angehört, doch die anderen unbezahlten Freiwilligen waren in Boston zurückgeblieben. Norman-der-Praktikant jedoch, ein Collegestudent vom MIT, hatte sich nicht abschütteln lassen, sondern unablässig weitergerackert, wobei er sich auf schier übermenschliche Weise verausgabte. Die Wahlkampfcrew hatte ihn mehr aus Gewohnheit denn aufgrund einer bewussten Entscheidung mit in die ›Ferien‹ genommen.