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Er nickte wissend. »Das ist ein Wahrnehmungsproblem, wissen Sie. Ich tauche bei Ihren Sitzungen auf und habe eine kleine Mannschaft mitgebracht, und schon brodelt die Gerüchteküche. Aber eigentlich sollte niemand Angst vor mir haben – weil ich einfach nicht wichtig genug bin. Ich bin bloß ein Senatsangestellter.«

»Ich habe an Anhörungen des Senats teilgenommen. Und ich habe von anderen Anhörungen gehört. Dabei geht es bisweilen ziemlich rau zu.«

Er rückte ein Stück näher an sie heran. »Also gut – ja, es könnte sein, dass man in Washington eines Tages ein paar harte Fragen stellen wird. Aber diese Fragen werde nicht ich stellen. Ich verfasse lediglich die Berichte.«

Sie zeigte sich davon unbeeindruckt. »Wie war das eigentlich mit dem Air Force-Skandal in Louisiana? Hatten Sie damit nicht eine Menge zu tun?«

»Was, damit? Das ist doch bloß Politik! Man sagt, ich hätte die Senatorenwahl beeinflusst – aber Einfluss ist was anderes. Bis ich Alcott Bambakias begegnet bin, war ich lediglich für den Stadtrat tätig. Der Senator ist der Mann mit Ideen und einer Botschaft. Ich war bloß der Wahlkampftechniker.«

»Hmmm. Mit Technikern kenne ich mich aus. Ich kenne nicht viele Techniker, die Multimillionäre sind wie Sie.«

»Ach, das… Ja, ich bin wohlhabend, aber verglichen mit dem, was mein Vater in seiner Glanzzeit besessen hat, oder mit dem Vermögen des Senators… Ich habe Geld, aber von wahrem Reichtum würde ich nicht sprechen. Ich kenne richtig reiche Leute, aber ich spiele einfach nicht in deren Liga.« Oscar nahm ein langes grünes Rohr aus der Kiste, betrachtete mit sorgenvoller Miene die Kniestücke, dann legte er es wieder hinein. »Es wird windig… Ich habe keine Lust mehr weiterzumachen. Ich glaube, ich gehe zurück zur Kuppel. Vielleicht ist ja noch jemand auf, und wir können eine Runde pokern.«

»Ich bin mit dem Wagen da«, sagte sie.

»So.«

»Wer dem Verwaltungsrat angehört, der bekommt auch einen Wagen. Wenn Sie wollen, nehme ich Sie mit.«

»Das wäre nett. Schalten Sie die Automatik aus und lassen Sie mich steuern.« Er nahm den Helm und die Knieschützer ab. Er legte die gepolsterte Arbeitsjacke ab und stand nun hutlos im langärmligen Hemd da; der kalte Wind schnitt in die Feuchte seiner Achselhöhlen. Er schaltete die Alarmanlage ein, dann gingen sie zum Auto.

Auf dem Gehsteig blieb er stehen. »Warten Sie einen Moment.«

»Ja?«

»Wir scheinen ja ganz gut miteinander auszukommen. Aber es könnte sein, dass Ihr Wagen verwanzt ist.«

Sie strich sich das windzerzauste Haar aus der Stirn und schaute skeptisch drein. »Warum sollte man mich abhören?«

»Weil es so billig und so leicht ist. Also beantworten Sie mir bitte eine Frage, bevor wir einsteigen. Seien Sie ganz offen. Wissen Sie über mein persönliches Vergangenheitsproblem Bescheid?«

»Ihr Vergangenheitsproblem? Ich weiß, dass Ihr Vater Filmschauspieler war…«

»Tut mir leid. Ich hätte das Thema nicht ansprechen dürfen. Ich bin heute wirklich unmöglich. Es war nett, dass Sie heute Abend die Baustelle besucht haben, aber Sie haben mich auf dem falschen Fuß erwischt. Ich sollte Sie damit nicht behelligen. Sie gehören dem Verwaltungsrat an, und ich arbeite für den Senat… Hören Sie, wenn unsere Lebensumstände anders wären… Und wenn wir wirklich Zeit für unsere persönlichen Probleme hätten…«

Sie zitterte. Sie war groß und mager und richtiges Wetter nicht mehr gewohnt; sie hatte in Dunkelheit und Kälte schwer gearbeitet, und jetzt war ihr kalt. Der schneidende Nachtwind zerrte an seinen Ärmeln. Auf einmal fühlte er sich eigentümlich zu ihr hingezogen. Sie war zu groß, sie war zu mager, sie war schlecht gekleidet und hatte ein merkwürdiges Gesicht und eine schlechte Haltung, sie war acht Jahre älter als er. Sie hatten nichts gemeinsam wie andere Leute, eine Beziehung wäre von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Mit ihr eine Beziehung einzugehen, das wäre so gewesen, als ließe er sich mit einem seltenen Tier auf der anderen Seite des Maschendrahtzauns ein. Vielleicht war das der Grund, weshalb er sie so gerne berührt hätte. »Doktor, ich weiß Ihre Gesellschaft zu schätzen, aber ich halte es für besser, wenn Sie allein zurückfahren. Wir sehen uns bei den Verwaltungsratssitzungen wieder. Ich möchte noch eine Menge wissen.«

»Sie werden doch wohl nicht von mir erwarten, dass ich nach allem, was Sie gesagt haben, allein wegfahre. Jetzt muss ich es wissen. Steigen Sie ein.«

Sie öffnete die Wagentür, und sie zwängten sich beide hinein. Es war ein schlichter Kleinwagen, ein Laboratoriumswagen, der natürlich keine Heizung hatte. Ihr Atem schlug sich an den Scheiben nieder.

»Ich glaube, eigentlich wollen Sie es gar nicht wissen. Das ist eine ziemlich seltsame Geschichte. Eine schlimme Geschichte. Schlimmer als Sie meinen mögen.«

Sie rückte den Hut zurecht und hauchte sich auf die Finger. »Diese Dinger haben niemals eine Heizung. Weil man damit nicht aus der Kuppel hinausfahren soll. Gleich wird’s warm. Erzählen Sie mir doch einfach, was Sie glauben erzählen zu können. Dann entscheide ich, ob ich mehr erfahren möchte.«

»Also gut.« Er zögerte. »Um mit dem Anfang anzufangen, ich bin ein Adoptivkind. Logan Valparaiso war nicht mein leiblicher Vater.«

»Nein?«

»Nein, er hat mich im Alter von drei Jahren adoptiert. Wissen Sie, damals arbeitete Logan gerade an einem internationalen Thriller über illegale Adoptionsfarmen. Adoptionsfabriken. Das war damals ein großer Skandal. Das ganze Ausmaß der Hormon- und Pestizidvergiftung wurde allmählich bekannt. Viele Männer waren unfruchtbar. Daher boomte der Adoptionsmarkt. Der Markt für Fruchtbarkeitskliniken natürlich auch. Die Nachfrage war plötzlich riesig, und das wurde von allerlei unappetitlichen Leuten, von Quacksalbern, Profiteuren und Mitläufern ausgenutzt…«

»Ich erinnere mich gut daran.«

»Plötzlich gab es viele Offshore-Babyfarmen, Embryofarmen. Die Leute waren erfinderisch. Das war ein ziemlich gutes Thema für einen Actionfilm. Also schlüpfte mein Dad in die Rolle eines Law-and-Order-Guerillas. Er spielte einen knallharten Burschen mexikanischer Abstammung, der Abtreibungskliniken in die Luft jagt, von der Regierung angeheuert wird und schließlich im Auftrag des Geheimdienstes Embryofarmen zerstört…«

Jedesmal, wenn er diese Geschichte erzählte, schwang sich seine Stimme zu einem hasserfüllten, winselnden Klageton empor. Und dies passierte auch jetzt, während die Wagenfenster allmählich beschlugen. Unbeabsichtigt ging er von seiner gewohnten schnellen Sprechweise zu etwas Extremerem über, einer Art von chronischem Geschnatter. Darauf musste er wirklich mal genauer achten. Er achtete darauf, er beobachtete sich, so gut er es vermochte, aber er konnte einfach nichts dagegen tun. »Ich will mich wirklich nicht weiter über den Film auslassen, aber ich musste ihn mir als Kind etwa vierhundertmal ansehen… Dazu die ganzen Schnellkopien und geschnittenen Szenen… Jedenfalls identifizierte Logan sich stark mit seiner Rolle, und er und seine dritte Frau hatten damals eine gute Beziehung, wie es mit Logans Ehen eben so ging. Und so verfiel er darauf, aus Gründen der persönlichen Entwicklung sowie als PR-Gag ein echtes Opfer einer richtigen Embryofabrik zu adoptieren.«

Dr. Penninger hörte schweigend zu.

»Und dieses Kind war ich. Die Eizelle, der ich entstamme, wurde auf dem Unfruchtbarkeitsschwarzmarkt verkauft und landete schließlich in einer kolumbianischen Embryofabrik. Die Fabrik gehörte der Mafia, das heißt, man kaufte oder stahl menschliche Eizellen, befruchtete sie und bot sie dann zu Schwarzmarktpreisen zur Implantation an. Doch es gab Qualitätsprobleme. Die gesundheitliche Probleme für die Kundinnen nach sich zogen. Ganz zu schweigen von den Gerichtsverfahren und ethischen Auseinandersetzungen, wenn mal jemand was ausplapperte. Also fingen die Gauner an, fertige Produkte in gemieteten Gebärmüttern herzustellen, um die Kinder nach der Geburt auf konventionellere Weise adoptieren zu lassen… Diese Geschäftsidee funktionierte aber auch nicht. Die Leihmütter waren einfach zu langsam, und es waren viele einheimische Frauen beteiligt, die sie verraten oder erpressen oder sich dagegen sträuben konnten, das Kind nach der Geburt abzugeben. Daher beschlossen sie, die Embryos in vitro zu züchten. Sie besorgten sich eine Reihe von Retorten, doch sie waren nicht besonders gut darin, denn zu dem Zeitpunkt hatten sie bereits das meiste Arbeitskapital verloren. Gleichwohl bekamen sie genug Klondaten aus Experimenten mit Säugetieren in die Hand, um einen ernsthaften Versuch mit menschlichen Zellen zu starten. Und so bin ich zur Welt gekommen.«