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»Also gut. Ich verstehe, was Sie meinen. Reden Sie weiter.«

»Oscar, ich habe gesehen, wie Sie ein paar schlaue Sachen mit dem Netz angestellt haben, Sie sind ein junger Bursche und mit dem Netz groß geworden. Aber Sie haben nicht alles gesehen, was ich gesehen habe, deshalb will ich’s Ihnen mal ausführlich erklären.«

Sie schlugen einen Bogen um eine wild wuchernde Bougainvillea. Fontenot sammelte sich. »Okay. Stellen wir uns mal vor, Sie wären ein netzaktiver Bösewicht, spezialisiert auf Computerkampfführung. Und Sie hätten eine Suchmaschine, die Sie über alle öffentlichen Erwähnungen Ihres Idols, des Gouverneurs Etienne-Gaspard Huguelet, auf dem Laufenden hält. Hin und wieder tritt Ihrem Freund mal jemand auf die Füße. Dann wird der Name des Betreffenden registriert und gespeichert und erhält eine fortlaufende Bewertung. Sobald der Name eine gewisse Ärgernisstufe erreicht, löst das Programm automatische Reaktionen aus.« Fontenot rückte seinen Strohhut zurecht. »Die Reaktion besteht darin, Mails mit der Aufforderung zu verschicken, diesen Burschen zu erledigen.«

Oscar lachte. »Das ist mir neu. Das ist wirklich verrückt.«

»Ja, schon. Darum geht’s ja gerade. Wissen Sie, Extremisten, Paranoiker und antisoziale Nieten, die im Netz ausgesprochen umtriebig sind, gab es schon immer… Beim Secret Service haben wir schon vor langer Zeit herausgefunden, dass das Netz eine wahre Fundgrube ist. Verrückte, gewalttätige Menschen neigen dazu, irgendwelche Hinweise, Spuren oder Signale zu hinterlassen, bevor sie zuschlagen. Im Laufe der Jahre haben wir einen Haufen psychologischer Profile zusammengetragen und einige Gemeinsamkeiten festgestellt. Wenn man weiß, wonach man suchen muss, kommt man einigen dieser Burschen allein aufgrund ihrer Netzaktivitäten auf die Spur.«

»Klar. Benutzerprofile. Demographische Analyse. Statistische Berechnungen. Das mache ich ständig.«

»Es ist schon eine ganze Weile her, dass wir diese Profilschnüffler programmiert haben, und sie haben sich als recht nützlich erwiesen. Dann aber hat das Außenministerium den Fehler gemacht, die Software an unzuverlässige Verbündete weiterzugeben…« Fontenot blieb unvermittelt stehen, als ein gefleckter Jaguarindi unter einem Busch hervorkam, sich streckte, gähnte und an ihnen vorüberschlenderte. »Problematisch wurde es, als die Profilschnüffler in die falschen Hände gerieten… Für derartige Schutzsoftware gibt es nämlich unterschiedliche Anwendungen. Bösewichter können sie dazu verwenden, umfangreiche Mailinglisten mit den Namen gefährlicher Verrückter anzulegen. Die Verrückten mittels Netzanalyse ausfindig zu machen, das ist leicht. Etwas schwieriger ist es schon, sie dazu zu bewegen, aktiv zu werden. Aber wenn man auf zehn- oder zwölftausend zurückgreifen kann, dann sind das eine Menge Fische, und einer wird schon anbeißen. Wenn ihnen jemand einredet, ein bestimmter Typ verdiene den Tod, dann könnte der Betreffende durchaus zu Schaden kommen.«

»Wollen Sie damit sagen, Gouverneur Huguelet habe mich auf eine schwarze Liste gesetzt?«

»Nein, Huey nicht. Jedenfalls nicht unmittelbar. So blöd ist der nicht. Ich will damit sagen, dass irgendjemand irgendwo vor Jahren eine Software entwickelt hat, die Green Hueys Gegner automatisch auf schwarze Listen setzt.«

Oscar nahm den Hut ab und strich sich sorgfältig das Haar glatt. »Ich wundere mich ein wenig, dass ich davon noch gar nicht gehört habe.«

»Wir vom Geheimdienst wollen nicht, dass das in die Öffentlichkeit gelangt. Wir tun unser Bestes, dagegen anzugehen – wir haben während der dritten Panamakrise ein ganzes Nest von Bösewichtern ausgenommen… aber wir können nicht jeden Netzserver in Übersee überwachen. Es bleibt uns nicht viel mehr übrig, als unsere eigenen Informanten zu überwachen. Wir überprüfen sie, schauen nach, ob sie per E-mail aufgefordert werden, jemanden umzubringen. Schauen Sie sich mal diesen Ausdruck an.«

Sie suchten sich eine hübsche Holzbank. Ein kleines Mädchen in einem Trägerkleid saß darauf und streichelte geduldig ein exotisches Wiesel, machte aber nicht den Eindruck, als hätte es gegen die Gesellschaft von Erwachsenen etwas einzuwenden. Oscar las den Text sorgfältig zweimal durch.

Der Text wirkte weder sonderlich bedrohlich noch intellektuell, was ihn nicht wunderte. Vielmehr war er ungehobelt und banal. Es berührte ihn unangenehm, seinen Namen in einer so plumpen Hetzschrift zu finden. Er nickte, reichte Fontenot das Papier zurück. Sie lächelten beide, verabschiedeten sich von dem Mädchen, indem sie sich an die Hüte tippten, und gingen weiter.

»Das ist hohles Pathos!« sagte Oscar, sobald sie außer Hörweite des Mädchens waren. »Das ist Junkmail von einem Massenmailer. Ich habe schon richtig raffinierte Massenmails gesehen, die kriegen manchmal ganz anständige Werbung hin. Aber das ist reine Kettenmailware. Das Programm beherrscht nicht mal die Interpunktion!«

»Der Zielgruppe der gewaltbereiten Paranoiker fallen die Fehler vielleicht nicht einmal auf.«

Oscar ließ sich das durch den Kopf gehen. »Was glauben Sie, wie viele von diesen Mails verschickt wurden?«

»Vielleicht ein paar tausend? In den Files des Geheimdienstes sind über dreihunderttausend potenziell gefährliche Personen verzeichnet. Ein cleveres Programm würde natürlich nicht jedesmal jeden Einzelnen von ihnen anmailen.«

»Klar.« Oscar nickte versonnen. »Und was ist mit Bambakias? Besteht für ihn ebenfalls Gefahr?«

»Ich habe dem Senator die Lage geschildert. Man wird die Sicherheitsmaßnahmen in Cambridge und Washington verschärfen. Allerdings glaube ich, dass Sie wesentlich gefährdeter sind als er. Sie sind dichter dran, Sie machen mehr Wirbel, und man kommt viel leichter an Sie heran.«

»Hm. Ich verstehe. Danke, dass Sie mich darauf hingewiesen haben, Jules. Ihre Ausführungen haben einiges für sich, wie immer. Was raten Sie mir also?«

»Ich rate Ihnen, mehr auf Ihre Sicherheit zu achten. Halt das Übliche. Durchbrechen Sie die tägliche Routine. Suchen Sie Orte auf, wo man nicht mit Ihnen rechnet. Halten Sie für den Notfall einen sicheren Unterschlupf parat. Achten Sie auf Fremde, auf jeden, der ihnen hinterherschnüffelt oder ihnen auf die Nerven geht. Meiden Sie nach Möglichkeit Menschenmengen. Außerdem brauchen Sie einen Bodyguard,«

»Dafür habe ich keine Zeit. Ich habe hier zu viel zu tun.«

Fontenot seufzte. »Sowas bekommen wir ständig zu hören… Oscar, ich habe fast zwanzig Jahre lang für den Geheimdienst gearbeitet. Das ist ein ganzes Arbeitsleben, wir machen dort unsere Arbeit wie andere Leute auch. In der Öffentlichkeit hört man nicht viel vom Secret Service, aber man ist dort sehr rührig. Man hat die CIA dichtgemacht, man hat vor Jahren das FBI aufgelöst, den Secret Service aber gibt es schon seit fast zweihundert Jahren. Er bleibt bestehen. Weil die Gefahr bestehen bleibt. Personen des öffentlichen Lebens bekommen Morddrohungen. Und zwar ständig. Ich habe schon Hunderte von Morddrohungen gesehen. Die sind bei Berühmtheiten an der Tagesordnung. Einen tatsächlichen Mordanschlag habe ich allerdings nie miterlebt. Hab mein ganzes Berufsleben lang aufgepasst und darauf gewartet, aber es ist nie, niemals dazu gekommen. Bis dann eines Tages die Autobombe explodiert ist. Dabei verlor ich mein Bein.«

»Ich verstehe.«

»Sie müssen sich damit abfinden. Das ist eine Realität. Es ist real, und Sie müssen sich darauf einstellen, ohne sich dadurch in Ihrer Arbeit behindern zu lassen.«