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»Das klingt sehr beruhigend.«

»Greta ist ein Profi. Mit der Laborarbeit nimmt sie es sehr genau. Nein, es ist mehr als das – im Labor ist sie eine Leuchte. Sie ist äußerst stark in rechnergestützter Hirnforschung, verstehen Sie mich nicht falsch – aber Greta ist besessen von der praktischen Laborarbeit. Mit STM-Sonden kann niemand so gut umgehen wie sie. Und wenn wir statt dieser Steinzeit-Rotorenscheiße ihre Hände für die thixotropen Zentrifugen verwenden könnten, dann würde hier wirklich die Post abgehen.«

Gazzaniga war jetzt ganz in seinem Element. Er vibrierte geradezu vor leidenschaftlicher Hingabe. »Gemessen in Veröffentlichungen pro Arbeitsstunde ist dies das produktivste Labor in Buna. Wir haben das Know-how, und Gretas Laborteam braucht sich vor niemandem zu verstecken. Wer weiß, wozu wir imstande wären, wenn wir nur ordentliches Arbeitsgerät bekämen. Die Hirnforschung macht im Moment einen großen Sprung nach vorn, so wie die Genetik vor vierzig oder die Computer vor achtzig Jahren. Allein der Himmel ist die Grenze.«

»Was machen Sie nun genau?«

»Also, allgemeinverständlich ausgedrückt…«

»Vergessen Sie’s, Albert. Sagen Sie mir einfach, woran Sie hier arbeiten.«

»Also, vor allem verfolgen wir die Ergebnisse der Arbeiten weiter, die mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Dabei ging es um Aufmerksamkeitsmodulationen verursachende neurochemische Gradienten. Dies war der größte neurokognitive Durchbruch seit Jahren, daher bietet sich uns jetzt ein weites Arbeitsfeld. Karen arbeitet dort drüben an Phasenmodulation und Frequenzspitzen. Yung-Nien ist die Kognitionsspezialistin des Teams, sie beschäftigt sich mit stochastischer Resonanz und reaktiver Modulation. Und Serge dort drüben ist unser Rezeptor-Mechaniker, er forscht über das Aufnahmevermögen dendritischer Transformatoren. Die übrigen Leute sind größtenteils Postdocs, aber wenn jemand bei Greta Penninger arbeitet, weiß man nie. Das Labor ist weltberühmt. Es ist unser Aushängeschild. Wenn sie einmal fünfzig oder sechzig ist, werden selbst ihre jüngsten Koautoren eigene Neurolabors leiten.«

»Und woran arbeitet Dr. Penninger?«

»Warum fragen Sie sie das nicht selbst?« Greta war eingetroffen. Gazzaniga zog sich taktvoll zurück.

Oscar äußerte sein Bedauern darüber, sie bei der Arbeit gestört zu haben.

»Ach, das macht doch nichts«, erwiderte Greta fröhlich. »Die Zeit nehme ich mir. Ich glaube, das ist die Sache wert.«

»Das ist sehr freundlich von Ihnen.«

»Ja«, sagte sie.

Oscar blickte sich in ihrem Labor um. »Es ist seltsam, dass wir uns an einem solchen Ort begegnen… Ich sehe, dass Ihnen diese Umgebung zusagt, aber was mich angeht, so schwingt da bei mir einiges mit… Können wir hier ungestört reden?«

»Mein Labor wird nicht abgehört. Hier wird alles zweimal die Woche sterilisiert. Ein Abhörgerät würde nicht unbemerkt bleiben.« Als sie seine Skepsis bemerkte, überlegte sie es sich anders. Sie schaltete einen Rührer ein, der mit beruhigendem Getöse zu arbeiten begann.

Oscar fühlte sich gleich viel wohler. Sie waren noch immer fremden Blicken ausgesetzt, doch der Lärm würde zumindest verhindern, dass man sie belauschte. »Wissen Sie, wie ich Politik definiere, Greta?«

Sie sah ihn an. »Ich weiß, dass die Politik Wissenschaftlern eine Menge Schwierigkeiten macht.«

»Politik ist die Kunst, unterschiedliche menschliche Bestrebungen miteinander zu versöhnen.«

Sie dachte einen Moment darüber nach. »Ja, und?«

»Greta, ich will offen zu Ihnen sein. Ich brauche ein paar vernünftige Leute, die bereit wären, bei der anstehenden Senatsanhörung auszusagen. Die üblichen Figuren aus dem höheren Management reichen da nicht mehr aus. Ich brauche Menschen, die aus eigener Erfahrung wissen, was hier vorgeht.«

»Warum fragen Sie ausgerechnet mich? Weshalb fragen Sie nicht Cyril Morello oder Warren Titche? Die haben jede Menge Zeit für politische Aktivitäten.«

Oscar war auf Morello und Titche bereits aufmerksam geworden. Ohne sich dessen so recht bewusst zu sein, waren die beiden die Anführer der Basis des Laboratoriums. Cyril Morello war der stellvertretende Leiter der Personalabteilung, ein Mann, der durch seine sinnlosen, karriereschädlichen Aktionen das Vertrauen der Beschäftigten gewonnen hatte. Warren Titche war der Vorzeigeradikale des Labors, ein polternder Eiferer, der für Fahrradständer und Speisepläne kämpfte, als bedeute ein Scheitern den nuklearen Holocaust.

»Ich bitte Sie nicht um eine Beschwerdeliste. Sowas habe ich bereits. Mit geht es vielmehr darum… ja, wie soll ich mich ausdrücken? – Um den Clou, das große Ganze. Den Durchblick. Die Botschaft. Im Wissenschaftsausschuss sitzen drei frischgebackene Senatoren. Die weitblickende Erfahrung des langjährigen ehemaligen Vorsitzenden, des texanischen Senators Dougal, geht ihnen ab. Jetzt werden die Karten in Washington vollkommen neu gemischt.«

Greta sah verstohlen auf die Uhr. »Glauben Sie wirklich, dies würde irgendetwas ändern?«

»Ich will Nägel mit Köpfen machen. Ich möchte Ihnen eine simple Frage stellen. Angenommen, Sie könnten die Unionspolitik bestimmen und sich jeden Wunsch erfüllen. Lassen Sie Ihrer Phantasie mal freien Lauf. Was wollen Sie?«

»Oh.« Auf einmal zeigte sie Interesse. »Also, ich glaube… ich würde wollen, dass die amerikanische Wissenschaft wieder so wird wie zu ihren besten Zeiten. Das war die Kommunistenära, die Zeit des Kalten Krieges. Wenn man damals einen guten Vorschlag hatte und bereit war, sich dafür einzusetzen, konnte man sich einer komfortablen, langfristigen staatlichen Finanzierung so gut wie sicher sein.«

»Das genaue Gegenteil des gegenwärtigen Albtraums«, half Oscar nach. »Endloser Papierkrieg, schlechte Finanzierung, sinnlose Ethikschikanen…«

Greta nickte reflexhaft. »Es ist kaum zu glauben, wie tief wir gesunken sind. Früher wurden die Mittel aufgrund der Beurteilung von Fachleuten aus der wissenschaftlichen Gemeinde verteilt. Damals gab es keine Almosen seitens des Kongresses im Austausch gegen innenpolitische Vorteile. Heutzutage verbringen die Wissenschaftler vierzig Prozent ihrer Zeit damit, um die Fleischtöpfe herumzuschleichen. In der guten alten Zeit war das wissenschaftliche Leben sehr direkt. Die gleiche Person, die Mittel bewilligte, packte auch selber mit an und brachte ihre eigenen Ergebnisse zu Papier. Wissenschaft war ein richtiges Handwerk. Veröffentlichungen wurden von drei, vier Coautoren verfasst – nicht von riesigen Gruppen, denen sechzig bis achtzig Leute angehören, wie es heute die Regel ist.«

»Also geht es vor allem ums Geld«, sagte Oscar schmeichelnd.

Sie beugte sich energisch vor. »Nein, das Problem liegt viel tiefer. Die Wissenschaft des zwanzigsten Jahrhunderts war vollkommen anders organisiert. Es herrschte Einverständnis zwischen Regierung und Wissenschaftsgemeinde. Eine Art Frontmentalität. Das war die Zeit des Goldrauschs. Die Nationale Wissenschaftsstiftung. Die nationale Gesundheitsbehörde. Die NASA. Die ARPA, zuständig für Zukunftstechnologien. Und die Wissenschaftsbehörden hielten ihre Ideale hoch. Wundermedikamente, Kunststoffe, neue Industrien… die Menschen sind zum Mond geflogen, ganz wörtlich genommen!«

Oscar nickte. »Sie haben wahre Wunder bewirkt«, sagte er. »Das klingt nach kontinuierlicher Arbeit.«

»Klar, damals gab es sichere Jobs«, sagte Greta. »Der Besitzstand war gewahrt. Kennen Sie überhaupt den veralteten Ausdruck ›Besitzstand‹?«