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»Ich bin sehr froh, dass Sie gekommen sind.« Er freute sich wie wahnsinnig, sie zu sehen. Beinahe wären ihm die Tränen gekommen. Er zog sich in die scheußliche Kochnische zurück und schenkte sich aus dem Hahn ein Glas rostrotes Wasser ein. Er trank einen Schluck, fasste sich wieder. »Möchten Sie etwas trinken?«

»Ich wollte bloß…« Greta seufzte und nahm mit unfehlbarer Sicherheit auf dem hässlichsten Möbelstück des Raumes Platz, einem Klappstuhl mit Segeltuchbezug. »Ach, schon gut.«

»Sie haben nicht zu Mittag gegessen. Kann ich Ihren Mantel haben?«

»Eigentlich wollte ich gar nicht kommen. Aber ich will aufrichtig sein…«

Oscar setzte sich in der Nähe des Ofens auf den Boden und zog einen Schuh aus. »Wie ich sehe, sind Sie aufgeregt.« Er zog den anderen Schuh aus und schlug die Beine übereinander. »Das macht nichts, ich verstehe das sehr gut. Es war eine weite, schwierige Fahrt, unsere Situation ist schwierig. Ich freue mich einfach, dass Sie gekommen sind, das ist alles. Es macht mich glücklich, Sie zu sehen. Sehr glücklich. Ich bin gerührt.«

Sie schwieg und musterte ihn wachsam.

»Greta, Sie wissen, dass ich Sie gern habe. Nicht wahr? Das ist mein Ernst. Wir beide harmonieren miteinander. Ich weiß nicht genau warum, aber ich will es herausfinden. Ich möchte, dass Sie froh darüber sind, hergekommen zu sein. Wir sind endlich mal allein, das ist ein großes Privileg für uns, nicht wahr? Lassen Sie uns über alles sprechen, die Karten auf den Tisch legen. Lassen Sie uns gute Freunde sein.«

Sie hatte Parfüm angelegt. Sie hatte eine Reisetasche dabei. Sie hatte vorübergehend kalte Füße bekommen, doch ansonsten sah alles gut aus.

»Ich möchte Sie verstehen, Greta. Ich kann Sie verstehen, wissen Sie. Ich glaube, ich verstehe Sie schon ein wenig. Sie sind eine sehr kluge Frau, viel klüger als die meisten Menschen, aber Sie sind auch scharfsichtig und sensibel. Sie haben viel erreicht in Ihrem Leben, aber es steht Ihnen niemand zur Seite. Ich weiß, dass es so ist. Und das ist traurig. Wenn Sie mich lassen, werde ich Ihnen zur Seite stehen.« Er senkte die Stimme. »Ich kann Ihnen nicht die üblichen Versprechungen machen, weil wir keine gewöhnlichen Leute sind. Aber wir würden großartige Freunde sein. Vielleicht sogar ein Liebespaar. Warum nicht? Die Chancen stehen gegen uns, aber deswegen ist es noch lange nicht aussichtslos.«

Es war sehr still. Er hätte an Musik denken sollen.

»Ich glaube, Sie brauchen jemanden. Sie brauchen jemanden, der Verständnis für Ihre Interessen hat, einen Fürsprecher. Die Menschen schätzen Sie nicht um Ihrer Taten willen. Die Menschen benutzen Sie für ihre eigenen kleinmütigen Zwecke. Sie sind sehr tapfer und hingebungsvoll, aber Sie müssen sich aus Ihrem Panzer befreien. Sie können sich nicht andauernd zurücknehmen und höflich sein. Sie können sich nicht ständig diesen Dummköpfen anpassen, die sind nicht würdig, den Saum ihrer Schuhe zu küssen. Den Saum Ihres Gewandes. Ihres Laborkittels, meine ich.« Er atmete stockend ein. »Sagen Sie mir einfach, was Sie brauchen.«

»Ich habe mich in Ihnen getäuscht«, sagte sie. »Ich dachte, Sie würden über mich herfallen.«

»Nein, natürlich werde ich nicht über Sie herfallen.« Er lächelte.

»Hören Sie auf zu lächeln. Sie halten mich für naiv, nicht wahr? Ich bin nicht naiv. Hören Sie mir zu. Ich habe einen Körper, ich habe Hormone. Ich bin ein sexueller Mensch. Hören Sie, ich habe mich dort unter diesen Kameras zu Tode gelangweilt, ich war unruhig, ich wurde allmählich wahnsinnig, und dann tauchen Sie auf. Sie tauchen auf und wollen etwas von mir.«

Sie erhob sich. »Wenn Sie es unbedingt wissen wollen, werde ich Ihnen sagen, was ich so dringend brauche. Ich brauche einen Mann, der kaltblütig und frei verfügbar ist, der nicht viel Aufhebens macht. Er muss mich seinerseits auf diese vollkommen direkte, offensichtliche Weise begehren. Sie aber sind nicht die Art Mann, die ich brauche. Überhaupt nicht.«

Die Stille dröhnte.

»Ich hätte Ihnen dies alles schon eher sagen sollen, bevor ich hergefahren bin und diese ganze Mühe auf mich genommen habe. Beinahe wäre ich auch nicht gekommen, aber…« Sie nahm erschöpft wieder Platz. »Also, es war ehrlicher, Ihnen dies alles ins Gesicht zu sagen, auf einen Rutsch.«

Oscar räusperte sich. »Kennen Sie Go? Go-bang? Wei-chi, wie die Chinesen sagen.«

»Ich habe davon gehört.«

Oscar stand auf und holte seine Reisetasche. »Senator Bambakias hat es mir beigebracht. Für sein Team ist es von essentieller Bedeutung, es entspricht unserer Denkweise. Wenn Sie sich also mit Politikern einlassen und etwas erreichen wollen, dann sollten Sie dieses Spiel auf der Stelle erlernen.«

»Sie sind wirklich ein seltsamer Mann.«

Er klappte ein mit rechtwinklig angeordneten Linien bedecktes Spielbrett auf und stellte zwei Schalen mit schwarzen und weißen Steinen daneben. »Setzen Sie sich zu mir auf den Teppich, Greta. Wir machen es wie die Asiaten.«

Sie ließ sich im Schneidersitz in der Nähe des Ölofens nieder. »Ich spiele nicht um Geld.«

»Dabei geht es nicht um Geld. Geben Sie mir Ihre Jacke. Gut. Das ist auch kein Schach. Das ist keine mechanisierte Schlacht nach westlicher Manier, in die man sich kopfüber stürzt. So etwas gibt es nicht mehr. Hier geht es um Netzwerke und Territorien. Man spielt auf dem Liniengitter – man setzt die Steine auf die Schnittpunkte. Wenn die Steine des Gegners vollständig umzingelt sind, kann man sie schlagen, aber das ist eher nebensächlich. Es geht nicht darum, Steine zu schlagen. Es geht um die Leere. Man kämpft um die leeren Stellen im Gitterwerk.«

»Um das Potenzial.«

»Genau.«

»Der Spieler mit dem größten Potenzial gewinnt.«

»Sie haben das doch schon einmal gespielt.«

»Nein, hab ich nicht. Aber das liegt ja auf der Hand.«

»Sie spielen Schwarz«, sagte er. Mit scharfem Klicken setzte er mehrere schwarze Steine aufs Brett. »Bevor wir anfangen, zeige ich Ihnen, wie’s geht. Sie setzen jeweils einen Stein. Die Steine beziehen Kraft aus ihrer Verknüpfung, aus dem Netzwerk, dem sie angehören. Und die einzelnen Gruppen müssen Augen haben, leere Augen. Das ist das Entscheidende.« Er umzingelte die schwarze Gruppe mit weißen Steinen. »Ein Auge allein reicht nicht aus, denn das könnte ich mit einem Zug blenden und damit die ganze Gruppe schlagen. Ich könnte die Gruppe vollständig umzingeln, einen Stein in die Mitte setzen, das Auge blenden und die komplette Gruppe schlagen, und zwar so. Mit zwei Augen aber – sehen Sie? – wird die Gruppe unschlagbar. Dann lebt sie.«

»Auch dann, wenn man sie vollständig umzingelt.«

»Genau.«

Sie zog die Schultern hoch und starrte aufs Brett. »Ich glaube, ich verstehe, weshalb Ihr Freund dieses Spiel mag.«

»Ja, es hat viel mit Architektur zu tun… Na schön, machen wir ein Übungsspiel.« Er entfernte die Steine vom Brett. »Sie sind Anfängerin, daher bekommen Sie neun Steine Vorgabe.«

»Das ist eine ganze Menge.«

»Das macht nichts, denn ich werde Sie trotzdem schlagen.« Mit den Fingerspitzen setzte er den ersten weißen Stein.

Sie spielte eine Weile. »Atari«, sagte er.

»Sie brauchen das nicht ständig zu wiederholen, ich sehe auch so, dass meine Gruppe bedroht ist.«

»Das ist eben so üblich.«

Sie spielten weiter. Oscar geriet ins Schwitzen. Er stand auf und drehte die Heizung herunter.

Er setzte sich wieder. Die Spannung zwischen ihnen hatte sich verflüchtigt. Sie waren ganz aufs Spiel konzentriert. »Sie werden mich schlagen«, verkündete Greta. »Sie kennen all diese fiesen Tricks in den Ecken.«

»Allerdings.«

Sie schaute hoch und sah ihm in die Augen. »Aber ich kann die Tricks lernen, und dann brechen schwere Zeiten für Sie an.«

»Ich weiß schwere Zeiten zu schätzen. Ich liebe Herausforderungen. «