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Sie nickte. »Einmal. Nachdem bekannt geworden war, dass ich den Nobelpreis bekommen sollte. Zusammen mit Danny Yearwood. Als die Neuigkeit heraus war, bekam Danny ständig Drohungen von den Tierrechtlern… Mich hat damals niemand bedroht, das war typisch. Alle stürzten sich auf Danny. Wir teilten uns den Nobelpreis, aber ich machte die ganze Laborarbeit… Während der Pressekonferenz wurden wir bewacht, aber die Typen warteten einfach ab. Später fielen sie vor dem Hotel über Danny her und brachen ihm beide Arme.«

»Ach.«

»Ich dachte immer, die Gegner der Experimente mit Fötalgewebe wären die wahren Verrückten. Die Tierrechtler brachen meistens bloß in Labors ein und befreiten die Tiere.«

Sie blickte wachsam in den Scheinwerferkegel hinaus, das Lenkrad mit beiden Händen umklammernd. »Danny war sehr großzügig, was die Urheberschaft anging. Er setzte meinen Namen bei der Veröffentlichung an die erste Stelle – es war meine Arbeitshypothese, ich erledigte die Laborarbeit, also war das nur gerecht, aber er war wirklich ein Engel. Er hat unermüdlich für mich gekämpft, er ließ nicht zu, dass man mich überging. Er hat sich nach Kräften darum bemüht, dass meine Arbeit anerkannt wird, und dann fielen sie über ihn her und schlugen ihn zusammen, und mich haben sie überhaupt nicht beachtet. Seine Frau hasste mich bis aufs Blut dafür.«

»Was macht Dr. Yearwood jetzt? Wie kann ich ihn erreichen?«

»Ach, der ist ausgestiegen. Er hat der Wissenschaft den Rücken gekehrt und ist jetzt im Bankgeschäft.«

»Du machst Witze. Er ist im Bankgeschäft? Er hat den Nobelpreis für Medizin bekommen.«

»Ach, seit dem schwedischen Bestechungsskandal zählt der Nobelpreis nicht mehr so viel… Einige Leute meinen, Danny und ich, eine Frau in den Zwanzigern, hätten den Preis vor allem deshalb bekommen, weil die ihre weiße Weste demonstrieren wollten. Mir ist es egal, ich arbeite einfach gern im Labor. Es gefällt mir, die Hypothese einzukreisen. Ich mag die ganze Vorgehensweise, das Formale daran. Ich mag die Strenge und die Integrität. Ich hab’s gern Schwarz auf Weiß, klipp und klar formuliert. Das ist Wissen. Wissen für die Ewigkeit.«

»Du liebst deine Arbeit wirklich, Greta. Meine Hochachtung.«

»Es ist sehr schwer. Wenn man berühmt wird, kann man einfach nicht mehr in Ruhe arbeiten. Man steigt in der Hierarchie auf, man wird aus dem Labor hinausbefördert, es gibt zahllose dumme Ablenkungen. Auf einmal geht es gar nicht mehr um Forschung. Es geht nur noch darum, dass die Kinder der Postdocs zu essen haben. Das ganze moderne System der Wissenschaft ist bloß noch ein Schatten dessen, was es im goldenen Zeitalter einmal war – während des Ersten Kalten Krieges. Aber…« Sie seufzte. »Ich weiß nicht. Persönlich kam ich eigentlich ganz gut zurecht. Anderen ist es viel schlimmer ergangen.«

»Zum Beispiel?«

»Da gab es mal diese Frau, Rita Levi-Montalcini. Weißt du über sie Bescheid?«

»Hilf mir auf die Sprünge.«

»Sie hat ebenfalls den Nobelpreis bekommen. Sie war Jüdin, lebte in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in Italien. Eine Neuro-Embryologin. Die Faschisten waren hinter ihr her, und sie versteckte sich in einer Dorfhütte. Sie bastelte Sektionswerkzeug aus Draht und experimentierte mit Hühnereiern… Sie hatte kein Geld, sie durfte sich nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen, und die Regierung hatte es praktisch auf ihr Leben abgesehen, aber sie brachte trotzdem Ergebnisse zustande, bedeutsame Ergebnisse… Sie überlebte den Krieg und kam mit dem Leben davon. Sie flog nach Amerika, wo man ihr einen wichtigen Laborposten gab, und dort beendete sie ihr Leben mit neunzig Jahren als berühmte Hirnforscherin von Weltformat. Genau darum geht es.«

»Soll ich eine Weile fahren?«

»Tut mir leid, dass ich weinen muss.«

»Schon gut. Fahr rechts ran.«

Sie stiegen in der Dunkelheit aus und wechselten die Plätze. Oscar fuhr los, und die Reifen knirschten über das mit Muschelschalen bestreute Bankett. Es war lange her, dass er selbst am Steuer gesessen hatte. Er fuhr sehr vorsichtig, denn er wollte keinen Unfall bauen. Es wurde allmählich interessant. Der Sex war ein Debakel gewesen, aber Sex war nicht die Hauptsache. Er drang allmählich zu Greta durch. Darauf kam es an.

»Du darfst nicht zulassen, dass man mein Labor zerstört, Oscar. Ich weiß, das Labor wurde seinem Anspruch niemals gerecht, aber es ist etwas Besonderes und sollte nicht zerstört werden.«

»Das sagt sich so leicht. Vielleicht wäre es sogar machbar. Aber wie entschlossen bist du, für deine Ziele zu kämpfen? Wie hoch ist dein Einsatz? Was bist du bereit zu opfern?«

Abermals klingelte ihr Handy. Sie nahm den Anruf entgegen. »Schon wieder dein Freund«, sagte sie. »Er möchte, dass wir in ein Lokal mit Namen Buzzy’s gehen. Er hat für uns Plätze reserviert.«

»Mein Freund ist wirklich ein prima Goldschatz.«

Sie fuhren nach Cameron hinein und fanden das Restaurant. Das Buzzy’s war ein Musiklokal gehobenen Anspruchs mit gutem Touristenpublikum, und es hatte lange geöffnet. Die Musiker spielten ein klassisches Streichquartett. Typische angloamerikanische Ethnomusik. Es war erstaunlich, wie viele Anglos in der boomenden Klassikszene tätig waren. Weiße hatten offenbar ein angeborenes Talent für strenge, lineare Musik, dem die weniger problembehafteten ethnischen Gruppen nur wenig entgegenzusetzen hatten.

Fontenot hatte sie als Mr. und Mrs. Garcia angemeldet. Sie bekamen einen hübschen Tisch zugeteilt, nicht weit von der Küche und in praktischer Nähe zur Bar, wo eine Gruppe texanischer Touristen in Abendkleidung sich inmitten des Messings und der Spiegel um den Verstand soffen. Es gab Stoffservietten, Silberbesteck, eine aufmerksame Bedienung, Speisekarten auf englisch und französisch. Die Atmosphäre war angenehm, und es wurde noch behaglicher, als Fontenot eintraf und an einem Tisch in der Nähe des Eingangs Platz nahm. Es war beruhigend, einen Bodyguard zu haben, der hellwach und nüchtern alle eintretenden Gäste in Augenschein nahm.

»Ich habe Appetit auf Fisch«, verkündete Oscar. »Hummer wäre auch gut. Habe keinen vernünftigen Hummer mehr gegessen, seit ich aus Boston fort bin.«

»Écrevisse«, sagte Greta.

»Was ist das?«

»Oben auf Seite zwei. Eine hiesige Spezialität, solltest du unbedingt mal probieren.«

»Klingt großartig.« Er winkte den Ober heran und gab die Bestellung auf. Greta verlangte Hühnersalat.

Greta wendete den Stiel des Weinglases zwischen den Fingern, in das er Mineralwasser eingeschenkt hatte, um weiterem Gin vorzubeugen. »Oscar, wie soll es weitergehen? Ich meine, mit uns beiden.«

»Ach, unsere Beziehung ist rein technisch betrachtet unmoralisch, aber solange man die Dinge auseinanderhält, macht das nichts. Du nimmst deine Arbeit wieder auf, und ich fahre an die Ostküste. Wenn ich zurückkomme, können wir diskret etwas arrangieren.«

»So macht man das in deinen Kreisen?«

»Wenn es funktioniert… Es wird allgemein akzeptiert. Sagen wir, wie beim Präsidenten und seiner Geliebten.«

Sie hob die Brauen. »Leonard Two Feathers hat eine Geliebte?«

»Nein, nein, der doch nicht! Ich meine den alten Knacker, der offiziell noch immer im Amt ist. Er hatte eine Freundin – Pamela Sowieso, der Nachname tut nichts zur Sache… Sie wird solange warten, bis er nicht mehr im Amt ist. Dann lässt sie sich das Enthüllungsbuch, das Parfüm, die Reizwäsche und die ganzen anderen Nebenrechte lizensieren… In dieser Währung wird sie bezahlt.«

»Und was hält die First Lady davon?«

»Ich glaube, sie denkt so darüber wie alle First Ladies. Sie hat geglaubt, sie würde mitregieren, und dann musste sie vier lange Jahre lang zusehen, wie die Notstandsausschüsse ihren Mann in aller Öffentlichkeit in die Enge trieben und aufspießten wie einen Frosch. Das ist die wahre Tragödie. Weißt du, politisch konnte ich mit dem Mann nichts anfangen, aber das alles mit anzusehen, war quälend für mich. Als er das Amt übernahm, wirkte der alte Bursche ganz in Ordnung. Er war zweiundachtzig, aber in der Partei der amerikanischen Einheit sind alle alt, der ganze rechtsprogressive Block ist überaltert… Das Amt hat ihn zerbrochen, so ist das. Es hat ihm in der Öffentlichkeit die alten Knochen gebrochen. Ich schätze, man hätte ihn wegen seiner Geliebten, diesem Uraltthema, outen können, aber der Präsident hatte auch so schon genug Probleme, da war es völlig unnötig, sein Sexleben zu ruinieren.«