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Fontenot nahm den Hut ab, verteilte das Fett, das dieser absonderte, auf der Stirn und setzte den Hut wieder auf. »Es gibt noch eine andere Möglichkeit. Ich habe eine Alternativroute ausgeknobelt. Wir könnten umkehren und über den Highway 109 Richtung Norden fahren, dann würden wir das Labor in Buna bis Mitternacht erreichen. Das würde uns eine Menge Ärger ersparen.«

»Gute Idee«, meinte Oscar, »aber schauen wir uns erst mal um. Ich glaube, ich wittere hier ein Thema. Der Senator sucht ständig nach neuen Themen.« Die Insassen der haltenden Autos starrten finster zu ihnen heraus. Fontenot konnte leicht als Einheimischer durchgehen, Oscar hingegen zog misstrauische und neugierige Blicke auf sich. Nur sehr wenige Leute im Südwesten Louisianas kleideten sich wie Angehörige der Politikerkaste.

»Das Thema stinkt jedenfalls zum Himmel«, pflichtete Fontenot ihm bei.

»Der hiesige Gouverneur ist eine ausgeprägte Persönlichkeit, nicht wahr? Eine solches Schauspiel… Eigentlich sollte er bessere Möglichkeiten kennen, die Unionsregierung zu provozieren.«

»Green Huey ist wahnsinnig. Aber das entspricht der Mentalität der Leute. Der Notstand, die Haushaltskrise – das ist hier unten kein Witz. Die Menschen sind hier sehr aufgebracht.«

Am Rande des vom Hubschrauber ausgeleuchteten Straßenabschnitts blieben sie stehen. Ein Lieutenant der Air Force unterhielt sich gerade durchs offene Wagenfenster mit einem texanischen Ausflüglerpärchen. Der Lieutenant war eine junge Frau; sie trug einen gepolsterten blauen Fliegeranzug und eine Schutzweste und hatte einen technisch raffinierten Flughelm am Webgürtel befestigt. Das mit Displays zugepflasterte Helminnere tickte und blitzte geschäftig.

Der Texaner musterte sie misstrauisch durchs Fahrerfenster. »Was gibt’s?« knurrte er.

»Die Air Force bietet heute Backwaren an, Sir. Wir haben Maisbrot, Muffuleta-Sandwiches, Croissants, Krapfen… Wie wär’s mit Zichorienkaffee? Ted, haben wir noch Kaffee übrig?«

»Habe gerade eine frische Kanne gemacht«, verkündete Ted lautstark und öffnete eine dampfende Klappe des Dreiradgefährts. Ted war schwer bewaffnet.

»Was meinst du?« wandte sich der Fahrer an seine Frau.

»Krapfen sind immer mit Puderzucker bestreut, da macht man alles schmutzig«, antwortete die Texanerin undeutlich.

»Wie viel kosten denn… äh… vier Croissants und zwei Tassen Kaffee? Mit Sahne?«

Die Soldatin murmelte etwas von ›freiwilligem Beitrag‹ Der Fahrer zückte die Brieftasche und reichte ihr schweigend eine Kreditkarte. Die Soldatin schob die Karte durch den Leseschlitz des tragbaren Scanners, wobei sie das Paar um eine beträchtliche Summe erleichterte. Dann reichte sie das Gebäck und den Kaffee durchs Wagenfenster. »Gute Fahrt«, sagte sie und winkte den Wagen weiter.

Das Pärchen fuhr los und beschleunigte heftig, sobald der Wagen außer Schussweite war. Die Soldatin blickte auf ein Anzeigegerät und winkte drei Wagen durch, die alle Nummernschilder aus Louisiana hatten. Dann stürzte sie sich auf das nächste Opfer.

Fontenot und Oscar schritten an den blendenden Scheinwerfern des Hubschraubers vorbei und wandten sich zum Touristenzentrum. Brusthoher, funkelnder Stacheldraht umgab das Gebäude. Die Fenster waren mit Folie verklebt. Militärische Satellitenantennen durchstießen das Dach. An der Tür stand ein bewaffneter Wachposten.

Der Wachposten verwehrte ihnen den Eintritt. Die Militärpolizeiuniform des jungen Mannes war eigentümlich zerknittert – offenbar hatte er sie aus der Tiefe eines muffigen Matchsacks hervorgeholt. Der Mann musterte sie: ein gut gekleideter Politiker in Begleitung seines Bodyguards. Gewiss nichts Ungewöhnliches. Der junge Soldat überprüfte sie mit einem Stabdetektor, ohne Oscars Vollplastik-Spraypistole zu bemerken, dann sprach er Oscar an. »Ihr Ausweis, Sir?«

Oscar reichte ihm eine funkelnde Chipkarte mit dem Siegel des Senats.

Kurz darauf wurden sie in das Gebäude geleitet. Im Empfangsraum hielten sich zwei Dutzend bewaffnete Männer und Frauen auf. Die Besatzer hatten die Möbel an die Wand gerückt und bewachten sämtliche Fenster und Eingänge. Durch die Decke drang gedämpftes Rumpeln und Knirschen, als wäre der Dachboden von riesenhaften, bewaffneten Waschbären bewohnt.

Die Angestellten des Touristenzentrums hielten sich noch immer im Gebäude auf. Die Mannschaft bestand aus gut gekleideten Südstaatenladies im mittleren Alter, mit adrett frisiertem und mit Schleifen verziertem Haar, hübschen Röcken und Schuhen mit flachen Absätzen. Man hatte die Damen weder festgenommen noch offiziell eingesperrt, sondern sie lediglich in eine Ecke des verdunkelten Büros gedrängt. Verständlicherweise machten sie eine gestressten Eindruck.

Der befehlshabende Offizier war sturzbetrunken. Oscar und Fontenot wurden vom Presseoffizier begrüßt. Auch der PR-Mann war blau.

Das Büro war mit tragbarem Militärgerät, einem überquellenden Schrank voller Formulare, Uniformen und flackernden Bildschirmen vollgestopft. Es roch nach verschüttetem Whiskey; der befehlshabende Offizier, vollständig bekleidet einschließlich der polierten Schuhe, lag auf einer khakifarbenen Pritsche. Der mit Visier und Rangabzeichen ausgestattete Helm verbarg sein Gesicht zur Hälfte.

Der Presseoffizier, ein stämmiger, uniformierter Veteran mit ergrauendem Haar und vernarbten Wangen, machte sich gerade an einem Computerterminal zu schaffen. Dicke Stränge faseroptischer Kabel gingen davon aus.

»Womit kann ich Ihnen helfen, Gentlemen?« sagte der Presseoffizier.

»Ich muss einen Bus durch die Sperre bringen«, sagte Oscar. »Einen Wahlkampfbus.«

Der Offizier blinzelte, wobei sich die Augenlider zeitlich versetzt hoben und wieder senkten. Seine Stimme schwankte nicht, obwohl er stark betrunken war. »Möchten Sie uns nicht ein paar Backwaren abkaufen?«

»Ich würde Ihnen den Gefallen gerne tun, aber unter den gegebenen Umständen würde es vielleicht ein wenig…« – Oscar zögerte – »unsensibel wirken.«

Der Presseoffizier tippte mit Oscars funkelnder Ausweiskarte auf den Rand seines Arbeitstisches. »Na ja, vielleicht überlegen Sie es sich ja noch, Mister. Es ist ein weiter Weg zurück nach Boston.«

Fontenot mischte sich ein. Fontenot schlug einen ruhigen, vernünftigen Ton ein, um die Lage zu entspannen. »Wenn Sie Ihre Aktionen für etwa eine halbe Stunde aussetzen, würde sich der Stau auflösen. Unser Bus könnte problemlos weiterfahren…«

»Das wäre eine Möglichkeit«, meinte der Offizier. Eine der Bildschirmanzeigen stabilisierte sich, und es ertönte eine triumphierende, kriegerische Fanfare. Der PR-Mann besah sich das Resultat. »Ah… Sie sind der Sohn von Logan Valparaiso!«

Oscar nickte und unterdrückte ein Seufzen. Man konnte sich darauf verlassen, dass ein gutes Suchprogramm die Privatsphäre durchlöcherte, doch wie weit der Angriff ging, ließ sich im Voraus nicht sagen.

»Ich kannte Ihren Vater!« verkündete der Presseoffizier. »Ich habe ihn mal interviewt, als er im Remake von El Mariachi mitspielte.«

»Was Sie nicht sagen.« Der Computer hatte ihnen eine gemeinsame Ebene eröffnet. Es war ein billiger Trick, ein Party-Trick, doch wie viele andere psychologische Winkelzüge funktionierte er recht gut. Auf einmal waren sie keine Fremden mehr.

»Wie alt ist Ihr Dad jetzt eigentlich?«

»Logan Valparaiso ist leider ‘42 gestorben. Nach einem Herzanfall.«

»Das ist wirklich schade.« Der Offizier schnippte bedauernd mit seinen Wurstfingern. »Er hat in ein paar tollen Actionfilmen mitgespielt.«

»Mein Vater hat es zuletzt etwas ruhiger angehen lassen«, meinte Oscar. »Er hat mit Immobilien gehandelt.« Sie logen beide. Die Filme waren zwar recht populär, aber sehr schlecht gewesen. Die Immobiliengeschäfte hatten der Geldwäsche im Auftrag von Hintermännern aus Hollywood gedient: emigrierte kolumbianische Mafiosi.