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Nakamura nickte reflexhaft, dann runzelte er die Stirn. Oscar fürchtete bereits, er habe den Bogen überspannt. In den Datenbanken waren öffentliche Auftritte Nakamuras aus zwanzig Jahren gespeichert. Oscar hatte sich die Mühe gemacht, seine Sprachmuster analysieren, bewerten und ordnen zu lassen. Nakamura verwendete besonders gern die Begriffe ›Umsicht‹ und ›Kontinuität‹ in Verbindung mit ›hilfreich‹ und ›eine starke Hand‹, mit neuerdings stark ansteigender Tendenz. Nakamura verbal zu imitieren war ein billiger Netz-Trick, doch wie die meisten solcher Tricks funktionierte er zumeist.

Acht weitere Personen betraten den Raum. Es handelte sich um die Ausschussangehörigen Namuth und Mulnier mit einem Gefolge von sechs Mitarbeitern, die Pizzas, Kaffee und Falafel dabei hatten. Der appetitanregende Duft des Fastfood verdrängte den Brandgeruch.

Nakamura nahm dankbar ein Pita-Sandwich entgegen. Jetzt, da sich der scheußliche Raum mit bekannten Gesichtern gefüllt hatte, fühlte sich der leitende Angestellte sichtlich wohler. »Namuth und Mulnier sind in Ordnung«, murmelte er. »Angestellte, die sich die Mühe machen, persönlich an einer Besprechung teilzunehmen… die sind meistens in Ordnung.«

»Eine Frage, Sir – ist das nun eine Besprechung oder eine Sitzung?«

Nakamura kaute und schluckte mit gequälter Miene. »Nun, bei einer richtigen Sitzung müssten selbstverständlich Vertreter der gesetzgebenden Körperschaft anwesend sein. Oder zumindest deren leitende Mitarbeiter, die Stabschefs beispielsweise. Dann gibt es da noch die Ausschusstreffen und die Anhörungen des Ausschusses und der Unterausschüsse, im Allgemeinen in Anwesenheit vereidigter Zeugen und aller Beteiligten… Der Trend geht in der modernen Legislative jedenfalls dahin, die Gesetzentwürfe und die Ausarbeitung des Haushalts den Ausschüssen zu überlassen. Senatsanhörungen sind inzwischen auf Mittler angewiesen und stark formalisiert. Das hat zur Folge, dass die Mitarbeiter der Ausschüsse eigene Sitzungen abhalten müssen. Zudem ist es notwendig, außer den formellen Sitzungen auch noch solche Besprechungen abzuhalten.«

Nakamura betrachtete sein in sich zusammenfallendes Sandwich und stopfte mit der Fingerspitze ein paar Bambussprossen hinein. »Wir bezeichnen diese Zusammenkunft als Sitzung, damit wir Spesen und Reisekosten erstattet bekommen. Und um besser geschützt zu werden. Wie Sie bemerkt haben werden, ist das Gebäude äußerst unsicher.«

Als er sicher war, dass Nakamuras Lippen zum Stillstand gekommen waren, beugte Oscar sich leicht vor. »Ich weiß, dass wir solange, bis der Senat zusammentritt, keine formellen Anhörungen abhalten können. Als neuer Mitarbeiter möchte ich mich der Herausforderung erst dann stellen, wenn ich besser im Bilde bin. Offen gesagt hoffe ich darauf, dass Sie mir hilfreich unter die Arme greifen und die Kontinuität sicherstellen werden.«

Nakamura quittierte diese Bemerkung mit anmutigem Kopfnicken.

»Ich habe mir das Laboratorium angeschaut und Meinungen gesammelt… Seit Dougals Missgeschick brodelt dort die Gerüchteküche. Die Moral ist schwankend.«

» ›Schwankend‹? «

»Ich glaube, die Lage würde sich wieder stabilisieren, wenn aus Washington beruhigende Signale kämen.«

Nakamura beäugte seine Kollegen. Namuth und Mulnier schütteten Eiskaffee in sich hinein, tippten nachlässig gegen Bildschirme und beachteten sie nicht weiter. Oscar, der Namuth und Mulnier nach eingehendem Studium ihrer Akte abgeschrieben hatte, wunderte dies nicht.

Nakamura war aus härterem Holz geschnitzt. »Was werden Sie vorschlagen?«

»Ich glaube, wir sollten dem gegenwärtigen Direktor das Vertrauen aussprechen. Ein Zeichen der Unterstützung seitens des Senatsausschusses – das könnte bei ihm Wunder wirken.«

Nakamura legte das Sandwich weg. »Also, das geht nicht.«

»Wieso nicht? Wir müssen etwas unternehmen. Die Autorität des Direktors bröckelt merklich. Sollte die Lage außer Kontrolle geraten, ist das Labor paralysiert.«

Nakamuras Miene verdüsterte sich. »Junger Mann, Sie haben nie mit Senator Dougal zusammengearbeitet. Ich schon. Die Vorstellung, wir könnten einem seiner Jasager quasi eine Blankovollmacht ausstellen… und das ausgerechnet jetzt, da die neue Administration die Arbeit aufnimmt… Nein, das geht nicht.«

»Sie sagten, in der gegenwärtigen Situation würden Sie Wert auf Kontinuität legen.«

»Ich habe nicht gesagt, dass die Kontinuität von uns ausgehen sollte.«

»Na schön«, sagte Oscar und nahm mit gespielter Enttäuschung die vorbereitete Rückzugsposition ein, »vielleicht sollte ich meine Erwartungen zurückschrauben. Direktor Felzian befindet sich in einer schwierigen Lage. Was genau können wir für den Mann tun? Ohne Dougals Unterstützung ist seine Stellung gefährdet. Man könnte ihn denunzieren. Man könnte eine offizielle Untersuchung veranlassen. Er könnte sogar angeklagt werden.«

»Angeklagt?« Nakamura verdrehte die Augen. »Aber gewiss nicht in Texas!«

»Er könnte in Louisiana angeklagt werden. So viele seltene Tiere sind auf dem Sammlermarkt verschwunden… Seltene Tiere geben fotogenes Beweismaterial ab… Der Gouverneur von Louisiana ist ein hochinteressanter Fall. Die Gerichte tanzen nach seiner Pfeife. Das ist wirklich nicht der passende Zeitpunkt, bei einem staatlichen Labor Uneinigkeit und Schwäche zu zeigen.«

»Junger Mann, Sie sind Gouverneur Huguelet offenbar noch nie begegnet…«

»Doch, Sir, das bin ich. Ich habe vergangene Woche mit ihm zu Abend gespeist.«

Nakamura fiel die Kinnlade herab. »Was Sie nicht sagen.«

»In diesem Winkel der Erde fällt es schwer, ihm nicht über den Weg zu laufen. Er hat sich mir gegenüber mit großer Offenheit über seine Absichten geäußert.«

Nakamura seufzte. »Das würde Huey nicht wagen.«

»Weshalb sollte er davor zurückschrecken, ein staatliches Labor zu zerstören, wenn er bereits einen Luftwaffenstützpunkt belagert?«

Nakamura runzelte verärgert die Stirn.

Oscar senkte die Stimme noch weiter. »Huey unterstützt seit jeher die Gentechnik und die Hirnforschung. Das Labor bietet genau das, was er braucht. Die Talente, die Daten und die Proben. Außerdem war Huey an der Gründung des Labors maßgeblich beteiligt. In der dortigen alten Garde hat er noch viele Verbündete. Es liegt auf der Hand, welchen Kurs er verfolgen wird.«

»Aber er hat den staatlichen Einfluss dort immer voll und ganz unterstützt. Es ist ja nicht so, dass wir das Laboratorium vergessen hätten. Wir haben es nicht verlegt. Wir sind nicht wie diese Gauner im Notstandsauschuss.«

Oscar schwieg. Dann zuckte er die Achseln. »Bin ich etwa maßlos? Ich schlage lediglich die kleinste Maßnahme vor, mit der wir den Status quo erhalten könnten. Ist der Ausschuss der Meinung, dass wir mit dem Status quo unzufrieden sind?«

»Nein, natürlich nicht. Nun ja… einige schon. Andere nicht.«

Oscar zeigte sich angemessen skeptisch. »Sie sind sich doch im Klaren darüber, dass dies meine erste Anstellung bei diesem Ausschuss ist. Es macht mir nichts aus, wenn ich heute allein dastehe.«

»Sicher nicht.«

»Ich möchte mich nicht in Szene setzen. Ich bin ein Teamarbeiter.«

»Gewiss.«

Oscar berührte Nakamura sachte am Arm. »Sie glauben doch hoffentlich nicht, mir würde es Spaß machen, in dem Ausschuss isoliert zu werden. Ich hätte auch auf dem Hill sein können, im Zentrum der Macht, anstatt mich sechs Wochen lang in einer luftdichten Kuppel einsperren zu lassen. Ich werde heute meinen Zwischenbericht vorlegen, aber sollte man mich nach Texas zurückschicken, ohne dass im Ausschuss Einvernehmen über die weitere Vorgehensweise besteht, werde ich das sehr krumm nehmen. Ist das unvernünftig von mir?«