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»Nein. Das ist nicht unvernünftig. Ich habe Verständnis für Ihre Lage. Ob Sie’s glauben oder nicht, ich war auch einmal ein junger Angestellter.«

»Sir, der Bericht wird nicht sehr amüsant ausfallen. Zumal was die finanziellen Schlussfolgerungen betrifft. Die Lage könnte dort außer Kontrolle geraten. Es könnten sogar äußerst schwerwiegende Probleme auftreten. Am billigsten und einfachsten wäre es, das Labor zu schließen und Green Huey die Überreste aufsammeln zu lassen.«

Nakamura zuckte zusammen.

Oscar ließ nicht locker. »Aber die Entscheidung darüber liegt nicht bei mir. Und sie fällt sicherlich nicht in meinen Verantwortungsbereich. Sollte etwas von meinem Bericht durchsickern und Folgen zeitigen, dann möchte ich nicht, dass man hinterher sagt, ich verfolgte persönliche Ziele. Oder Senator Bambakias habe in dieser Angelegenheit unredliche Absichten. Ich habe guten Glaubens gehandelt und mich um Objektivität bemüht. Ich betrachte es als meine Aufgabe, dem Ausschuss Fakten vorzulegen. Aber sollte irgendwas passieren, dann will ich deswegen nicht gekreuzigt werden.«

Oscar hob die Hand, mit der Handfläche nach vorne weisend. »Ich will meinen Kollegen damit keine Boshaftigkeit unterstellen! Ich erwähne bloß eine Binsenwahrheit – es ist stets am einfachsten, den Neuen auflaufen zu lassen.«

»Ja, das stimmt«, sagte Nakamura. »Sie haben die Situation gut erfasst. Aber Sie sind nicht der einzige Neue im Team.«

»Nein?«

»Nein. Dem Wissenschaftsausschuss gehören drei neue Senatoren an, und alle haben ihre Mitarbeiter mitgebracht. Und die beiden anderen Neuen haben es bislang nicht für nötig befunden, auch nur zu einer einzigen Besprechung persönlich zu erscheinen. Sie loggen sich von ihren Penthousewohnungen in Arlington ein, wo sie damit beschäftigt sind, ihren Vorgesetzten in den Arsch zu kriechen.«

Oscar runzelte die Stirn. »Das ist unprofessionelles Verhalten.«

»Das sind keine Profis. Man kann sich nicht auf sie verlassen. Auf mich ist Verlass und auf Mulnier. Mulnier ist zwar nicht mehr der Gleiche wie vor zehn Jahren – aber wenn Sie aufrichtig zu mir sind, wenn Sie es gut meinen und wenn Sie sich hundertprozentig für den Ausschuss einsetzen, also, dann haben Sie Rückendeckung. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«

»Mehr verlange ich gar nicht.« Oscar trat einen Schritt zurück. »Ich bin froh, dass wir zu einer Übereinkunft gelangt sind.«

Nakamura sah auf die Uhr. »Bevor wir heute anfangen, möchte ich Ihnen sagen, Oscar, dass Ihr persönliches Problem hier kein Thema ist. Solange ich diesem Ausschuss Vorsitze, kommt das Thema nicht auf den Tisch.«

Bambakias’ Haus lag in der New Jersey Avenue, südlich des Capitol Hill. Oscar traf dort ein, als sich gerade ein Medienteam verabschiedete. Die New Jersey Avenue wurde ständig überwacht. In dieser Gegend kam es nur selten zu Zwischenfällen, und die städtische Infrastruktur war noch intakt. Das Haus war ein historisches Bauwerk, über zweihundert Jahre alt. Es war zu klein für das Ehepaar Bambakias und ihren großen Mitarbeiterstab, aber Lorena Bambakias war Innenarchitektin in einer überbevölkerten Welt. Sie war es gewohnt, Kompromisse zu schließen.

Als Wahlkampfprofi hatte Oscar es sich zum Prinzip gemacht, sich niemals mit der Person anzulegen, die mit dem Kandidaten schlief. Die Gattin des Kandidatin spielte beim Wahlkampf notwendigerweise eine wichtige Rolle. Lorena war die geborene Spielerin, für gewöhnlich aber fügsam. Sie war fügsam, solange man ihren Ratschlägen ungeteilte Aufmerksamkeit zuteil werden ließ und solange sie wusste, dass sie ein starkes Blatt in Händen hielt. Jeder, der über Oscars persönliches Problem Bescheid wusste, glaubte, er verfüge über einen tödlichen Trumpf. Das war in Ordnung. Bislang hatte er Lorena noch in keine Situation gebracht, in der sie das Bedürfnis verspürt hätte, ihren tödlichen Trumpf auszuspielen.

Aufgrund des Hungerstreiks leuchteten Lorenas Augen, und ihre olivfarbene Haut war so straff und glatt, dass sie beinahe wie laminiert wirkte. Lorena war keine Aristokratin – sie war die Tochter des Geschäftsführers einer Ladenkette für Gesundheitsnahrung aus Cambridge –, doch ihre Magerkeit und das exquisite Video-Make-up verliehen ihr die unirdische Ausstrahlung eines Porträts von Gainsborough.

Geschwächt vom Fasten ruhte sie auf einem Sofa mit gedrechselten Armlehnen und gelbem Seidenbezug.

»Es ist schön, dass Sie sich die Zeit für einen Besuch nehmen, Oscar«, sagte Lorena und räkelte sich ein wenig. »Wir haben nur selten Gelegenheit, miteinander zu sprechen.«

»Das Haus ist wundervoll«, sagte Oscar. »Ich bin gespannt, wie es aussieht, wenn es fertig ist.«

»Ach, das ist halt mein Job«, erwiderte Lorena. »Ich wünschte, ich könnte sagen, es wäre wirklich aufregend – aber das ist bloß ein Design-Job wie andere auch. Ich trauere dem Wahlkampf hinterher.«

»Wirklich? Das ist nett von Ihnen.«

»Es war so aufregend, sich unters Volk zu mischen. Zumindest haben wir damals richtig gegessen. Aber jetzt… na ja, jetzt sind wir Entertainer. Wir spielen Senator und Gemahlin, und wir müssen sechs lange Jahre in diesem elenden Dreckloch leben, und wir planen, die High Society aufzurollen.« Sie schaute sich im Empfangszimmer um, musterte die pfirsichfarbenen Wände mit dem nachdenklichen Blick eines Automechanikers. »Mein eigener Geschmack geht in die Richtung der Transzendenten Moderne, aber das Haus halte ich im Föderationsstil. Eine Menge Hepplewhite… schwarzes Walnussholz… Sekretäre und Esszimmerstühle mit Wappenlehne. Es gab ein paar gute Sachen in der Periode, wenn man von dem geschmacklosen Neoklassizismus Abstand nimmt.«

»Eine ausgezeichnete Wahl.«

»Ich will hier eine Atmosphäre schaffen, die verbindlich und ansprechend wirkt. Sehr zurückhaltend, im Stil der amerikanischen Republik, aber weder kitschig noch im Kolonialstil. Eher im Bostonstil, verstehen Sie? Aber nicht zu viel davon. Keine Unabhängigkeitspolitik, kein Paul Revere, keine Boston Tea Party. In einer solchen Lage muss man Kompromisse machen. Man muss Opfer bringen. Man kann nicht alles auf einmal haben. Eleganz bedeutet Zurückhaltung.«

»Ja, natürlich.«

»Ich beabsichtige, meinen Binturong zurückzugeben.«

»O nein«, sagte Oscar. »Doch nicht Stickley, den Binturong.«

»Ich weiß, Sie haben sich große Mühe gegeben, mir Stickley zu besorgen, und er ist auch wirklich ganz reizend. Aber ich habe hier in Washington einfach keinen Platz, ein seltenes Tier auszustellen. Ein frei zugängliches Terrarium, das wäre nett gewesen, und ich hatte auch schon gute Ideen dazu. Aber ein Tierklon passt einfach nicht hierher. Ja, wirklich. Er passt nicht in die Periode. Er lenkt ab.«

»Also, machbar ist das schon«, meinte Oscar umsichtig. »Ich glaube, bislang hat noch niemand ein Tier ans Laboratorium zurückgegeben. Das wäre eine nette Geste.«

»Ich habe an einen kleinen Klon gedacht. Vielleicht eine Fledermaus oder ein Maulwurf oder… Nicht, dass mir Stickley keinen Spaß gemacht hätte. Er benimmt sich sehr gut. Aber wissen Sie was? Er ist irgendwie seltsam.«

»Das liegt an dem Hirnimplantat, das man ihm im Labor verpasst hat«, sagte Oscar. »Es dreht sich alles um die Aggressivität, das Fressen und die Ausscheidung. Wenn man diese drei Verhaltensweisen unter Kontrolle hat, kann man in Frieden mit wilden Tieren zusammenleben. Zum Glück ähneln sich diese tief verwurzelten Verhaltensmuster bei den meisten Säugetieren.«

»Ich nehme an, das gilt auch für Menschen.«

»Ja, natürlich.« Oscars Handy klingelte. Er schaltete es höflich aus.

»Die neurale Steuerung der Essgewohnheiten ist jedenfalls weit entwickelt«, sagte Lorena. »Ich nehme gegenwärtig Appetitzügler ein. Die wirken auch übers Gehirn.«

»Die Hirnforschung ist im Moment ein heißes Thema.«

»Ja. Neurowissenschaft klingt sehr attraktiv.«