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Sie berichtete ihm, was sie über Greta wusste. Natürlich wusste Lorena über Greta Bescheid. Auch über Clare war sie im Bilde gewesen. Clare hatte nämlich für eine gute Berichterstattung gesorgt. Daher stand Lorena eher auf Clares Seite. Eigentlich aber musste sie ein Einsehen haben. Schließlich hatte Clare ihn verlassen…

Lorenas Handy klingelte. Sie nahm den Anruf entgegen. »Ja? Wie? O je. Du meine Güte. Und wie hat Alcott die Nachricht aufgenommen? Ach du meine Güte. Das ist sehr betrüblich. Sind Sie auch ganz sicher? Wirklich? Ist gut. Vielen Dank.« Lorena zögerte einen Moment. »Möchten Sie vielleicht mit Oscar Valparaiso darüber sprechen? Wir trinken gerade Tee miteinander. Nein? Also, dann.« Sie unterbrach die Verbindung.

»Das war Leon Sosik, unser Stabschef«, erklärte sie und steckte das Handy in den weit geschnittenen Ärmel. »Im Hungerstreik gibt es eine neue Entwicklung.«

»Ja?«

»Es geht um die Luftwaffenbasis. Ein Feuer ist dort ausgebrochen. Irgendein Gift wurde freigesetzt. Der ganze Stützpunkt wird evakuiert.«

Oscar drückte den Rücken gegen die geschwungene Mahagonilehne. »Hab ich richtig gehört, der Stützpunkt wird evakuiert?«

»Die Unionstruppen ziehen sich zurück. Sie rennen um ihr Leben. Natürlich rücken jetzt diese abscheulichen Prolos nach, sie klettern einfach über den Zaun.« Lorena seufzte. »Das bedeutet, es ist vorbei. Das ist das Ende. Aus und Schluss.« Sie schwenkte die Beine auf den Boden, setzte sich auf und presste sich das schlanke Handgelenk gegen die Stirn. »Gott sei Dank.«

Oscar streifte sich übers frisch frisierte Haar. »Mein Gott, wie geht es jetzt weiter?«

»Machen Sie Witze? Mann, ich werde etwas essen.« Lorena nahm eine Glocke vom Servierwagen und läutete. Eine Angestellte tauchte auf – Oscar hatte sie noch nie gesehen. »Elma, bringen Sie mir Teekuchen. Nein, lieber ein paar Petits Fours und Erdbeeren mit Schokolade. Und bringen Sie mir… ach, was soll’s, bringen Sie mir ein großes Sandwich mit Roastbeef.« Sie blickte Oscar an. »Möchten Sie auch etwas?«

»Schwarzer Kaffee und Nachrichten wären nett.«

»Gute Idee.« Sie hob die Stimme. »System?«

»Ja, Lorena«, antwortete der Hauscomputer.

»Bitte schick den Bildschirm runter.«

»Ja, Lorena, sofort.«

»Für ein Full-Service-Team ist hier kein Platz«, meinte Lorena entschuldigend. »Deshalb habe ich vieles automatisiert. Das System ist noch im Babystadium, es ist noch ganz neu und dumm. Ganz gleich, wie viel Mühe man sich gibt, ein wirklich smartes Haus gibt es nicht.«

Ein Fernsehschrank aus Walnussholz kam die mit Teppich ausgelegte Treppe herunterspaziert.

»Ein hübscher Schrank«, sagte Oscar. »Reaktive Möbel im Föderationsstil habe ich noch nie gesehen.«

Am Fuß der Treppe verharrte der Fernseher und ließ die räumlichen Gegebenheiten auf sich wirken. Nach einer kurzen Denkpause krümmten zwei Stühle die geschwungenen Beine und machten spinnengleich Platz. Lorenas Couch vollführte einen Tangoschritt. Der Servierwagen rollte mit einer kleinen Melodie beiseite. Der Fernseher baute sich so vor Oscar und Lorena auf, dass sie gute Sicht hatten.

»Du meine Güte, das ist ja alles reaktiv«, sagte Oscar. »Ich hätte schwören können, die Stuhlbeine wären aus Holz.«

»Sie sind aus Holz. Allerdings handelt es sich um spezialbehandeltes Lignin.« Lorena zuckte die Achseln. »Stil hin oder her, ich möchte schließlich nicht wie ein Barbar leben.« Als sie den Arm hob, löste sich eine vergoldete Fernbedienung aus der Wand und flog ihr in die Hand. Sie warf Oscar die Fernbedienung zu. »Würden Sie navigieren? Suchen Sie gute Nachrichten. Mir liegt das nicht so.«

»Rufen Sie noch mal Sosik an und fragen Sie ihn, was er gerade sieht.«

»Oh. Ja, natürlich.« Sie lächelte schwach. »Man sollte nicht surfen, wenn man einen Piloten hat.«

Hueys PR-Team hatte sich der Angelegenheit bereits angenommen. Ein Umweltbeauftragter des Bundesstaates Louisiana verbreitete die offizielle Version von der ›Katastrophe‹. Ihm zufolge hatte der ›aufgegebene Luftwaffenstützpunkt‹ die Sicherheitsbestimmungen vernachlässigt. Ein Feuer sei ausgebrochen und habe auf ein Lager mit nichttödlichen Aerosolen übergegriffen. Es handele sich um Panik verbreitende Desorientierungsmittel. Die ungiftigen und geruchlosen Stoffe dienten der Räumung von Dritte-Welt-Straßen von Aufständischen. Schnitt zu einem Sanitätszelt mit zitternden, geistig verwirrten Soldaten, die in Kontakt mit den psychotropen Aerosolen gekommen waren. Einheimische wiesen ihnen Pritschen zu und verteilten Decken und Beruhigungsmittel. Die Soldaten bekamen offenbar die denkbar beste Versorgung.

Oscar trank einen Schluck Kaffee. »Unglaublich.«

»Ich nehme an, dieses Schauspiel hat mit der Realität vor Ort nur wenig zu tun«, sagte Lorena mit vollem Mund.

»Irgendeine Verbindung muss es geben. Huey ist zu schlau, um das alles bloß zu arrangieren. Er hatte Agenten im Stützpunkt. Irgendjemand hat Feuer gelegt und die Basis mit ihren eigenen Waffen ausgeschaltet. Das war Sabotage. Huey hat die Geduld verloren, und da hat er sie vergiftet.«

»Er hat Unionstruppen vorsätzlich Giftgas ausgesetzt.«

»Mag sein, aber das wird man ihm schwerlich nachweisen können.«

»Ich kann nachvollziehen, dass Leute einem in den Rücken fallen«, sagte Lorena und verschlang eine Schokoladenerdbeere. »Was ich nicht begreife, ist, wenn sie einem von vorne das Messer in den Bauch rammen. Das ist pures Mittelalter.«

Sie schauten aufmerksam zu und zappten weiter, wenn Sosik den Nachrichtenkanal wechselte. Die Europäer hatten hervorragende Luftaufnahmen von maskierten Prolos, die in den Stützpunkt eindrangen. Den Regulatoren machten die Aerosole anscheinend nichts aus.

Die Nomaden verschwendeten keine Zeit. Eine endlose Lastwagenkolonne fuhr in den Stützpunkt hinein – offenbar handelte es sich um große, umgebaute Tankwagen. Die Laster wurden von organisierten Arbeitsgruppen beladen. Die Prolos plünderten den Stützpunkt mit der dezentralisierten Effizienz von Ameisen, die eine tote Spitzmaus verspeisten.

»Ich möchte mal eine Vorhersage treffen«, sagte Oscar. »Morgen wird der Gouverneur seiner Besorgnis Ausdruck verleihen. Er wird Truppen entsenden, um ›die Ordnung wiederherzustellen‹. Die Soldaten werden den Stützpunkt abriegeln – nachdem die Prolos ihn leergeräumt haben. Wenn Washington nachfragt, was mit den Waffen passiert ist, sind sie längst fortgeschafft, und den Gouverneur trifft keine Schuld.«

»Weshalb tut Huey etwas so Verrücktes?«

»Er findet das ganz vernünftig. Er wollte den Stützpunkt einsacken. Als Gegenleistung für neugeschaffene Arbeitsplätze, als staatlichen Zuschuss. Die Notstandsausschüsse aber haben ihm die Unterstützung gestrichen. Sie haben ihn reingelegt und ausgebootet. Huey erträgt es nicht, gedemütigt zu werden, daher hat er sich zur Eskalation entschlossen. Erst die räuberischen Straßenblockaden. Dann die Stromausfälle. Dann die Belagerung durch Stellvertreter. Er hat die Schrauben systematisch angezogen, Schritt für Schritt. Und da ihn das alles nicht weiterbrachte, hat er sich einfach den ganzen Stützpunkt unter den Nagel gerissen.«

»Aber diese dreckigen Prolos können doch keinen Luftwaffenstützpunkt betreiben. Dazu ist seine ganze kleine Miliz nicht in der Lage.«

»Das stimmt, aber jetzt hat er die Daten. Modernste Flugelektronik, Chips, Software, Einsatzpläne und dergleichen… Das ist militärisch von allerhöchstem Wert. Sollte ihn die Regierung unter Druck setzen, stehen ihm ganz neue Möglichkeiten offen.«

»Oh. Ich verstehe.«

»Glauben Sie mir, das hat er alles bedacht. So ist er eben.«

Ein Roastbeefsandwich mit Senf, Garnierung und Sahnekartoffeln wurde gebracht. Lorena lächelte höflich, als sich die mit einer Schürze bekleidete Bedienstete in die Küche zurückzog. Sie hob eine Scheibe krustenloses Roggenbrot ab, betrachtete es eingehend und legte es mit zitternden Fingern wieder weg. »Alcott wird toben. Wir haben alles getan, um das zu verhindern.«