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F: Greta. Mehr Sex, weniger E-mails. Anmerkung: Sofort nach Boston fliegen! Das Team einfliegen lassen für Besprechung, komplette Neuorganisation vorbereiten. Anmerkung: ALLE freien Tage nutzen, darauf bestehen. Anmerkung: Das Fundament in Buna bereiten, während sie fort ist – Krankheit vortäuschen. P.S. Ich glaube, ich liebe sie.

G: Haussitter besorgen.

H: Das blöde Vieh nach Buna zurückbringen, eine gute Pressestory draus machen. Anmerkung: Korruptionsverdacht vermeiden.

I: Ich muss unbedingt am Leben bleiben und darf mich nicht von einem verrückten Netzfreak erschießen lassen. Anmerkung: Das Thema verdient einen höheren Stellenwert.

J: Wer, zum Teufel, hat die Randalierer in die Bank in Worcester geschickt? Anmerkung: Eine vernünftige Spielstrategie ist unmöglich, wenn die Spielfiguren unsichtbar, ungreifbar oder immateriell sind.

K: Die Notstandsausschüsse müssen weg. Sie haben den Zwist Bambakias/Huey erst ermöglicht. Die politische Lage in Amerika ist prekär, solange verantwortungslose Usurpatoren die Autorität der Behörden missachten. Anmerkung: Auch der Stabschef ist ihren Launen unausweichlich unterworfen.

L: Sen. Bambakias – Hungerstreik eine physische Depression?

Oscar betrachtete die Liste. Das halbe Alphabet hatte er bereits durch und spürte doch noch immer, wie die Luft vor Unwägbarkeiten vibrierte. Es war alles zu viel. Chaos, Wahnsinn, ein Geschlängel glitschiger Aale.

Es war einfach zu kompliziert. Nicht beherrschbar. Es sei denn… es sei denn, es gelang ihm, das Ganze irgendwie zu automatisieren. Mit klarer umrissenen Zielen. Eine Art Neustrukturierung. Kritischer-Pfad-Analyse. Multioptionsmodelle. Querdenken. Aber es ging um so viele Leute. Alle verließen sich auf ihn. Er musste delegieren…

Er war matt gesetzt. Er war umzingelt. Er war am Ende, erledigt, zerschmettert. Planmäßiges Vorgehen war unmöglich. Nichts würde sich jemals verändern.

Er musste irgendetwas unternehmen. Bloß eine Sache. Ein einziges Projekt durchziehen, ein Thema ad acta legen.

Er nahm den Hörer des Schreibtischtelefons ab. Lorenas Sekretärin ging dran. Er kämpfte sich durch.

»Tut mir leid, Oscar«, sagte Lorena. »Alcott ist in der anderen Leitung. Kann ich Sie zurückrufen?«

»Es wird nicht lange dauern. Es ist wichtig.«

»Was gibt’s denn?«

»Es gibt Neuigkeiten. Moira sitzt im Gefängnis, hier in Boston. Ich habe versucht, vernünftig mit ihr zu reden. Sie hat die Beherrschung verloren und wurde gewalttätig. Zu meinem Glück war gerade eine Polizistin in der Nähe. Moira wurde wegen häuslicher Randale eingelocht.«

»Du meine Güte, Oscar.«

»Ich habe nicht vor, Anklage gegen sie zu erheben, aber das braucht sie nicht zu wissen. Ich möchte, dass Sie sich weiter darum kümmern. Es ist an der Zeit, dass Sie eingreifen. Moira ist im Knast, ich spiele den Wüterich und Sie den verzeihenden Schutzengel. Verstehen Sie? Sie glätten die Wogen, halten den Vorfall unter der Decke. So müssen wir mit ihr verfahren, denn so werden wir Erfolg haben.«

»Sie machen wohl Witze? Meinetwegen soll sie verrecken!«

»Nein, ich scherze nicht. Ich biete Ihnen eine dauerhafte Lösung an. Denken Sie drüber nach.«

Langes, nachdenkliches Schweigen. »Ja, Sie haben natürlich recht. Das ist wirklich die beste Vorgehensweise.«

»Ich bin froh, dass Sie sich meiner Sichtweise anschließen.«

»Ich werde halt ein wenig die Zähne zusammenbeißen, aber die Sache ist es wert.« Nachdenkliche Stille. »Sie sind wirklich ein erstaunlicher Mann.«

»Das gehört zu meinem Job, Ma’am.«

»Gibt es sonst noch was?«

»Nein. Warten Sie. Doch. Eine Frage noch. Finden Sie, dass meine Stimme normal klingt?«

»Für eine verschlüsselte Leitung ist die Verbindung hervorragend.«

»Nein, ich meine, rede ich nicht zu schnell? Oder zu hoch und gequetscht?«

Lorena senkte die Stimme zu einem einschmeichelnden Flüstern. »Nein, Oscar, Sie hören sich prima an. Sie sind wirklich wundervoll. Sie sehen gut aus, Sie sind charmant, Sie sind unbedingt verlässlich, Sie sind Mr. Realpolitik. Ich vertrauen Ihnen bedingungslos. Sie haben mich niemals im Stich gelassen, und wenn das verdammte Labor in Kolumbien mir gehört hätte, hätte ich Sie ein Dutzend Mal geklont. Sie sind der Beste auf der ganzen weiten Welt.«

6

Greta traf nach Mitternacht in einem fahrerlosen Taxi ein. Oscar warf einen Blick auf den Türmonitor.

Ein Treibhaus-Nordostwind wehte, und dicke Schneeflocken wirbelten in den Lichtkegeln der wachsamen Straßenlaternen. Eine Polizeidrohne flitzte wie eine schwarze Lederschwalbe hinter Gretas Kopf vorbei. Oscar öffnete die Tür und spähte mit einem lahmen Grinsen hinter der Panzerung hervor.

Greta blickte finster wie eine Gewitterwolke. Er verzichtete darauf, sie zu umarmen. »Du hattest doch hoffentlich keine Schwierigkeiten herzukommen?«

»In Boston? Gott bewahre, nein.« Sie riss sich den Hut vom Kopf und klopfte den Schnee von der Krempe. »Dafür ist Boston zu zivilisiert.«

»Auf der Straße gab es einen kleinen Zwischenfall.« Oscar legte eine Pause ein. »Nichts Ernstes. Erzähl mir von der Konferenz.«

»Ich bin mit Bellotti und Hawkins ausgegangen. Sie wollten mich betrunken machen.« Oscar bemerkte erst jetzt, dass sie tatsächlich ziemlich betrunken war. Sie war voll. So behutsam, wie eine Krankenschwester einen Verband entfernt, nahm er ihr den Mantel ab. Greta war so gut gekleidet, wie sie es verstand; knielanger Wollrock, vernünftige Schuhe, grüne Baumwollbluse.

Er hängte den Hut und den zerknitterten Mantel in die Garderobe. »Bellotti und Hawkins sind wohl die Herren, die sich mit Fibrillen beschäftigen«, half er nach.

Ihre Miene hellte sich auf. »Also, die Konferenz ist ziemlich gut gelaufen. Die Nacht war schlimm. Bellotti hat die Drinks besorgt, und Hawkins hat mich nach Laborergebnissen gelöchert. Es macht mir nichts aus, über unveröffentlichte Ergebnisse zu reden, aber die beiden waren einfach nicht fair. Ihre heißen Ergebnisse haben sie für sich behalten.« Sie presste verächtlich die Lippen zusammen. »Es könnte kommerziell verwertbar sein.«

»Ich verstehe.«

»Das sind Industriegauner. Sie sind schlau, misstrauisch und gerissen. Hoffnungslose Fälle.«

Er führte sie durchs Wohnzimmer und schaltete die Küchenbeleuchtung ein. Im behaglichen Lampenschein wirkte ihr Gesicht starr und wächsern. Verschmierter Lippenstift. Wirres, sprödes dunkles Haar. Die ungezupften Augenbrauen wirkten besonders schlimm.

Greta musterte eingehend die Sockelstühle, den verchromten Tisch, die Arbeitsfläche aus Keramik, die eingebauten Resonanzkochflächen. »Das ist schon eine eigenartige Küche«, sagte sie verwundert. »So… sauber. Hier könnte man ein Labor einrichten.«

»Danke.«

Mit der Vorsicht einer Betrunkenen nahm sie in der weißen Plastikschale des Tulpenstuhls von Saarinen Platz.

»Es ist dein gutes Recht, dich zu beklagen«, sagte Oscar. »Du bist umgeben von Ausbeutern und Trotteln.«

»Das sind keine Trottel, sondern sehr fähige Leute. Es ist bloß… Also, ich arbeite nicht für die Industrie. Bei der Grundlagenforschung geht es um… Grundlagenforschung soll…« Sie schwenkte gereizt die Hand. »Wie sagt man noch gleich?«

»Dem öffentlichen Wohl dienen?« schlug Oscar vor.

»Ja, genau! Dem öffentlichen Wohl! Ich nehme an, das klingt total naiv in deinen Ohren. Aber eines weiß ich – es steht mir nicht zu, mein Bankkonto zu mästen, während die Steuerzahler mir Gehalt zahlen.«

Oscar langte durch die funkelnden Gleitborde des Schranks von Kuramata hindurch. »Möchtest du einen Kaffee? Ich habe gefriergetrockneten.«